Samstag, 1. März 2008

Endlich wieder Uni

Es ist Montag, und es ist der Dreizehnte. Und wie wohl allgemein bekannt sein dürfte, ist ein Montag der dreizehnte immer ein Unglückstag. Es gibt Leute die behaupten, dass dies nur bei Freitagen so sei, aber wie kann etwas ein Unglückstag sein, wenn darauf ein Wochenende folgt?! Eben!
Natürlich glaube ich nicht an solcherlei Unfug, und im Normalfall haben auch nur andere Leute Pech. Besonders wenn sie mich näher kennen. Besonderes Glück (oder Unglück wie man es nimmt) ist, dass heute ebenfalls Vorlelsungsbeginn ist.

Aber eigentlich ist der Beginn des Wintersemesters immer recht lustig. Überall laufen Erstsemester durch die Gegend, die von nichts eine Ahnung haben. Und auch alle anderen haben Probleme sich neu zurecht zu finden. Alle haben neue Vorlesungen neue Aufgaben in neuen Räumen die sie noch nicht kennen. Und diese Räume sind im Normalfall gut versteckt. Ok, versteckt ist vielleicht der falsche Ausdruck. Eher ist es der Fall, dass die Raumnummern so seltsam verteilt sind, dass keiner weiß wo was ist.

Die seltsame Verteilung von Zimmernummern ist in Deutschland allen öffentlichen Gebäuden eigen. Wollen wir das mal am Beispiel meiner Uni aufschlüsseln. Eine Typische Nummer wäre etwa 11.K.98. Dann wäre das erste der Gebäudeteil wobei das natürlich nicht heißt, dass Gebäude 11 zwischen 10 und 12 ist, oder in der Nähe dieser Gebäude, oder das es 10 und 12 überhaupt gibt. Das „K“ steht für das Stockwerk, und ist das einzige bei dem man sich darauf verlassen kann, dass das neben liegende Zimmer den selben Buchstaben hat. Warum aber die Stockwerke mit Buchstaben von K aufwärts (ohne I) nummeriert werden hat mir hier auch noch keiner erklären können. Und dann währe da noch die 98, die für den Raum gilt. Und auch hier gilt wieder, dass 97 und 99 nicht im selben Flur sein muss, oder überhaupt existieren.
Dazu kommt natürlich noch, dass auch Räume eine Nummer haben die eigentlich keine bräuchten, wie Toiletten und Schränke. An meiner Uni kommt speziell noch dazu, dass sogar Fahrstühle und Flure Zimmernummern besitzen. (Man kommt aus 5.L.14 nach 9.K.19 ohne sich zu bewegen, und jetzt ratet mal wie.)

Natürlich gibt es in jedem Öffentlichen Gebäude Theorien warum die Zimmernummern verteilt sind wie sie es sind. Zum Beispiel begründete der Hausmeister meiner alten Schule die Raumnummern mit der Anzahl der Fenster im Raum. Auch die Anzahl der Quadratmeter des Zimmers scheint eine sinnvolle Zimmernummer zu sein. Oder die Temperatur am 29 Februar. Heutzutage könnte man sich auch die Quersumme der IP-Adressen der dort stehenden PC's vorstellen. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass die Nummern einfach ausgewürfelt wurden.
Hauptsache ist, es lässt ich kein wirkliches System erkennen.

Und um diese Verwirrung auszunutzen habe ich beschlossen dieses Jahr die Zimmernummer der Seminarräume zu vertauschen. Mit dem Wissen, dass niemand es merken wird, und der Hoffnung, dass alle Kurse die mit 70 Leuten gerade so in den großen Seminarraum gepasst hätten, in den mit 12 Plätzen kleinsten Raum wesentlich mehr Spaß haben.

Und genau deshalb bin ich auch ganz gegen meine Gewohnheiten aufgestanden und schon vor Acht an der Uni, und das obwohl ich heute keine Vorlesungen habe.
Nachdem ich die nötigen Türschilder vertauscht habe, besorge ich mir einen Kaffee aus 7.M.42, oder wie es die meisten nennen, der Cafeteria.

Kaum habe ich das köstliche flüssige Wach angesetzt, bereue ich es. Nicht den Kaffee sondern ihn gerade hier trinken zu wollen. Denn an der gegenüberliegenden Seite des Bistrotisches plaziert sich ein Individuum dessen Namen ich glücklicherweise vergessen habe, an dessen Art ich mich aber noch sehr gut erinnere.

„Sag mal warst du nicht auch in dem Russisch Kurs letztes Semester?“
Ja war ich, schließlich muss man sich ja bilden. Und ich erinnere mich auch an ihn.
Er ist der Typ den es in jedem Kurs mindestens einmal gibt. Ein N.I. Ein nerviges Individuum.
Ein N.I. stellt fragen die gerade beantwortet wurden und die es nicht mitbekommen hat, weil es seinem Nachbarn etwas erzählt hat was dieser nicht wissen wollte. Es ist derjenige der von einem die Hausaufgaben abschreiben will obwohl diese freiwillig waren und einen Text über das eigenen Wochenende beinhalten. Es ist die, die ihr Nichtwissen mit dummen Kommentaren kaschiert. Einer der immer fünf Minuten später kommt und zehn Minuten früher geht. Einer der im Minutentakt seltsame Geräusche von sich gibt, wenn alle versuchen zu denken. Eine die einen Radiergummi von einem haben will und den dann total versifft zurück gibt. Sprich, jemand der einem schon alleine durch seine Anwesenheit auf den Keks geht.
Und dieser Typ hier ist das Paradebeispiel eines N.I.

Er hat das ganze Semester versucht mir ein Gespräch auf zu zwingen, und ich habe es das ganze Semester geschafft diesem zu entgehen. Bis jetzt. Und wahrscheinlich kann nur der Mangel an Coffein im Blut für meine Antwort zur Verantwortung gezogen werden.
„Ja.“
„Und hast du die Klausur bestanden?“
Natürlich habe ich die Klausur bestanden. Die Klausur war extrem einfach. Es war unmöglich die nicht zu bestehen. Jeder Depp hat den Schein bekommen. Wobei wenn ich mich richtig erinnere hieß es, dass einer ihn nicht hat. Und ich gehe im Moment jede Wette ein, dass ich vor ihm stehe.

„Ja, hab den Schein.“ Antworte ich.
„Oh, die Klausur war ziemlich haarig, findest du nicht auch?“ Bingo, er hat ihn nicht!
„Nö, eigentlich war die nicht schlimm.“
„Du hast also den Schein?“
„Natürlich.“ Ich verstecke mein Grinsen hinter dem Kaffee. Bisher war er gar nicht so nervig, wie ich erwartet hatte.
„Oh, ich nicht. Aber ich mach den Kurs dieses Semester nochmal. Vielleicht kannst du mir ja ein bisschen helfen. Was machst du eigentlich so?“
Das ist eine Fangfrage mit dem Ziel mir ein Gespräch über Dinge auf zu drücken von denen er keine Ahnung hat, und die ich nicht erzählen will. Folglich antworte ich nicht, sondern trinke meinen Kaffee. Vielleicht schaffe ich es ja, dass er geht wenn ich ihn ignoriere.

„Ich studiere ja schon seit fünf Semestern Anglistik und Kunstgeschichte, und das ist immer noch mein Erststudium.“ Ich überlege ob ich ihm dazu gratulieren soll, dass er sich auf den ersten Versuch eine Fachkombination gefunden hat, die förmlich nach Taxifahrer schreit. Aber ich wollte ihn ja ignorieren.
„Und das ist total interessant, wusstest du zum Beispiel, dass die Kunst des Römischen Imperiums starke Anleihen hat an die Ägyptische?“ Ich kann es mir vorstellen, aber ich frage mich welchen Fahrgast das interessiert wenn er nur mal eben zum Flughafen will. Ich starre weiterhin in meinen Kaffee.
„Aber das mit dem Russisch Kurs war auch ne dumme Sache, weißt du weil die ja ne ganz andere Schrift haben und so.“ Natürlich weiß ich das, ich war ja auch da.. Es muss eine Lösung her. Ich wäre gerade stark für Flusssäure als Lösungsmittel aber ich denke, ich muss mir da was anderes einfallen lassen.
„Und die Römer hatten die selbe Schrift, obwohl sie ja mit den Ägyptern was zu tun hatten, die ja ganz anders geschrieben haben...“

Jim Henson, der Erfinder der Muppetshow hat einmal gesagt, wenn du aus einem Sketsch nicht raus kommst, sprenge etwas in die Luft, friss etwas oder wirf einfach mit Pinguinen. Und er hat es oft praktiziert. Und was bei einem schlechten Sketsch funktioniert, kann bei einem schlechten Gespräch eigentlich nicht schaden. Leider fehlt es mir an Sprengstoff und Pinguinen, also bleibt mir nur die Möglichkeit etwas zu fressen.
„... Aber die ägyptische Schrift hat ja auch mit der kyrillischen einiges..“
„Kannst du mir mal den Zucker geben?“ unterbreche ich ihn. Und er holt vom Tresen den Zucker.
Ich nehme ihn lächelnd entgegen und streue ihn großzügig über eine Servierte.
„Warum streust du denn..?“
Dann esse ich die Servierte und grinse ihn breit an.
Während er mir noch verdutzt nach schaut, gehe ich Richtung 3.M.31 (Herrenklo) um mir die Zellstoffreste aus den Zähnen zu pulen.

Allerdings treffe ich schon in 3.M.17 (dem Flur zwischen Cafeteria und Toilette) auf Miranda.
Miranda ist Mathematikstudentin im fünften Semester, intelligent, gut aussehend und hat eine ähnliche Einstellung zu den Menschen wie ich. Sprich, wenn ich das Abführmittel nicht in die Kaffeemaschine der Sekretärin, die nie da ist, getan habe dann war sie es.
„Moin“ begrüßt sie mich.
„Moin, so früh an der Uni?“
„Natürlich, du hast Servierte zwischen den Zähnen“ Sie schaut mich fragend an.
„Ich musste jemanden los werden.“
„Ach so, und Sprengstoff und Pinguine waren dir ausgegangen“
„Genau“
„Irgendwer hat die Türschilder der Seminarräume vertauscht“
„So eine Sauerei.“ Spiele ich übertrieben geschockt.
„Hab mir gedacht, dass du das warst.“
„Was hast du als Semestereröffnung vor?“
„Ich geh in Analysis I.“
„Warum?“
„Intelligente fragen stellen und dem Prof klar machen, dass man sowas alles in der Schule hatte.“
„Sprich, Erstsemestern den Anschein geben, dass sie überhaupt keine Ahnung haben in dem du so tust als sollten sie das alles wissen was der da vorne sagt. Und damit dafür sorgen, dass die Abbrecherquote steigt? “
„Genau“
„Hab ich letztes Jahr in Linearer Algebra gemacht.“
„Kommst du mit?“
„Natürlich!“

Auf dem Weg zum Hörsaal kommen wir an 9.L.12 vorbei, welcher ehemalig 9.L.29 hieß und ein Seminarraum mit 15 Sitzplätzen ist. Die dortige Veranstaltung hat sich wie erwartet auf 9.L.17 ausgebreitet, sprich die Studenten sitzen zum Großteil auf dem Flur. Während die Dozentin recht leise den Unterschied zwischen der Römischen und der Ägyptischen Sandmalerei erklärt steigen wir grinsend über ihre Zuhörer und Zuhörerinnen hinweg. Das Leben ist so gemein zu Leuten die auf dem Boden sitzend sich mit Kunstgeschichte Hämorriden holen. Ich werde nächste Woche Kissen und Klappstühle verkaufen.

Den Rest des Vormittages verbringe ich mit Miranda in einer Mathevorlesung für Anfänger in der wir kluge Fragen stellen und dafür sorgen, dass acht Erstsemester wegen sehr geringer Vorkenntnisse aufhören.
Nach dem obligatorischen Mensabesuch beschließe ich zurück ins Wohnheim zu fahren. Schließlich soll man es am ersten Tag nicht übertreiben.

Im Bus steht plötzlich ein Individuum neben mir dessen Namen ich glücklicherweise vergessen habe, an dessen Art ich mich aber noch sehr gut erinnere.
„Sag mal warst du nicht letztes Jahr in dem C++ Kurs?“
Ja, war ich und er war das N.I. des Kurses, mit dem ich mich zum Glück das ganze letzte Semester nicht unterhalten musste. Bis jetzt. Wobei, eigentlich..
„Sag mal muss ich mich mit dir unterhalten?“
Er schaut mich etwas verdutzt an.
„Nein, natürlich nicht..“
„Sehr gut.“

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