Donnerstag, 28. Februar 2008

Robert wird zum Problem

Neue Leute neue Freunde, könnte man sagen. Neue Leute noch mehr Nervensägen, würde ich sagen.
Auf jeden Fall heißt der Beginn des neuen Semesters auch, dass neue Leute zu mir kommen um entweder in mein Netzwerk und so auch ins Internet zu kommen, oder mich mit anderen Technikfragen zu nerven. So ist es auch kein Wunder, dass es an meiner Tür klopft. Es ist Michael und somit wenigstens ein bekanntes Problem. Er hat von Technik soviel Ahnung wie ein Fisch von etwas, dass im Wasser nicht funktioniert. Aber dafür ist er immer wieder für eine Überraschung gut.

„Du, mein PC geht nicht mehr.“ Ok, das ist keine Überraschung.
„Japp.“ Ich setze ein Lächeln auf, dass Kinder bis zu 7 Jahren zum weinen bringt und warte ab.
„Ähm, Ich dachte du könntest vielleicht....Ähm.“
„Japp.“ Ich intensiviere das Lächeln.
„Und vielleicht wenn du Zeit hast... Ähm“
„Japp.“ Ich bemerke ein Zucken in seinen Augen.
„Nun es geht nämlich um... Ähm.“
„Japp.“ Er schaut weg. Aber ich kann erkennen wie sich seine Gesichtshaut kräuselt.
„Mein Computer weißt du..“
„Japp.“ Ich ziehe das Lächeln weiter zu den Ohren.
„Ähm.. ich geh mal wieder, vielleicht.. Ähm..ja..“
„Japp.“ Er geht erstaunlich schnell. Hätte nicht gedacht, dass es so gut funktioniert.

Zwanzig Minuten später klopft es wieder, und es ist wieder Michael. Da er es nur zwanzig Minuten ausgehalten hat muss es ein ernstes Problem sein. Also beschließe ich mich diesem zu widmen.

„Was für ein irrational dämliches Problem hast du Nervensäge mit dem Intellekt einer verbogenen Stoßstange denn diesmal.“
Da ich ihn mit Unfreundlichkeit begrüße fühlt er sich wieder in der Realität und scheint Mut zu fassen.
„Ach lass doch die Scherze. Mein PC macht Ärger.“
„Was hast du gemacht?“
„Der ist total langsam, und permanent stürzen die Programme ab und so.“
Ok, ich weiß, dass er Windows benutzt aber das ist noch nicht so lange drauf, dass es alleine dazu in der Lage wäre. Ich selbst habe im Moment nur ein Programm auf seinem Rechner laufen, dass seine eMails an mich weiter leitet. Also muss es etwas anderes sein.
„Hast du irgendetwas verändert, in letzter Zeit?“
„Nein.“ Ich stell die Frage gerne, auch wenn ich genau weiß, dass nie irgendwer irgendetwas verändert hat.
„Nichts?“
„Ähm..nein.“
„Wirklich?“
„Naja, vielleicht ein bisschen.“
„Ein bisschen?“
„Äh, ja.“
„Was?“
„Ich hab da ein Programm gelöscht.“ Natürlich hat er, und ich wette es war der Virenscanner.
„Norton irgendwas.“ Bingo, aber jetzt heißt es Ruhe bewahren im Angesicht der Dummheit.
„Und warum hast du das?“
„Nun das hat eine Meldung gegeben, dass ich ein kostenpflichtiges Dartboar machen soll.“ Er meint wohl Update, aber wenn ich ihn berichtige steh ich bloß wieder als Besserwisser da.
„Du weißt schon, dass dieses Programm deinen Computer vor Viren geschützt hat?“
„Echt, aber ich wasche mir doch jedes mal die Hände damit ich keine Viren auf meinen Rechner übertrage. Wie du gesagt hast.“
Oh, ja ich erinnere mich ihm das geraten zu haben.
„Aber das gilt doch nicht für die Internetviren.“
„Oh, dann muss ich das wohl wieder drauf machen.“
Ja, sollte er wohl, oder ein kostenloses, oder ich hab noch etwas Spaß mit ihm. Klare Entscheidung: Spaß!!
„Nein, das ist total überflüssig.“
„Aber du hast doch gesagt..“
„Ja da gibt es aber eine viel billigere Lösung.“
„Echt?“
„Klar, Minesweeper.“
„Aber das ist doch nur ein Spiel?“
„Nein, bei Windows sind doch keine Spiele dabei.“
„Ich, dachte..“
„Oder warum meinst du würden alle möglichen Leute an ihren Arbeitsplätzen damit arbeiten? Wenn die spielen würden, würde man sie doch entlassen, oder nicht.“
„Hm, wenn du das so sagst..“
„Na, eben.“
„Und was soll ich nun machen?“
„Na das Programm benutzen natürlich.“
„Und das hilft?“
„Ja klar, siehst du jede Mine steht für eine vom Virus befallene Datei. Und immer wenn du eine der Minen findest, wird eine befallene Datei repariert.“
„Echt?“
„Ja.“
„Aber wenn ich so eine Mine treffe, was passiert dann?“
„Dann vermehrt sich der Virus wieder.“
„Oh.“
„Aber du findest ja mehr Minen als du triffst.“
„Hm, ich komm da immer ganz schnell auf so eine Mine.“
„Befallene Datei.“
„Oh ja, genau. Ich treffe immer so schnell auf eine befallene Datei.“
„Ja, üben, üben, üben.“
„Hm. Wenn du das sagst.“
„Und wenn es nicht besser wird kommst du halt noch mal vorbei.“
„Danke, Mensch wenn ich dich nicht hätte.“ Ja dann hättest du wohl genauso viele Probleme wie jetzt, oder weniger.
„Kein Problem.“

Spätestens Morgen wird er wieder kommen, weil es nicht besser geworden ist. Bis dahin muss meine eigene Version von Minesweeper fertig werden. Also setze ich mich hin, und suche den Quellcode um daran die nötigen Veränderungen vornehmen zu können.

Unterbrochen werde ich am Nachmittag nur von dem Bubberle der, da gerade eingezogen, auch ins Internet möchte. Ich kümmere mich um den Anschluss, und installiere ganz nebenbei noch alles was ich benötige um kompletten Zugriff auf seinen Rechner zu haben. Natürlich nur wenn nötig.
Bei der Gelegenheit verkaufe ich ihm auch gleich einen Quantenabsorber. Ein Quantenabsorber ist ein Gerät, dass die schädliche Quantenstrahlung der Betoninterferenzen in diesem Gebäude abschirmt. Denn diese sind daran Schuld das einige Monitore auf einmal so seltsam bunte Bilder anzeigen.
Man könnte auch sagen, ich stelle einen mit Alufolie beklebten Karton auf seinen Monitor und nehme den Magnet, und 40€, wieder mit. Aber meine Variante gefällt mir besser.
Wenigstens habe ich dann den Rest des Nachmittages meine Ruhe. Am Abend beschließe ich mir aus Ernährungszwecken ein übliches Nudelgericht zu machen. Nachdem ich meinen Kochtopf unter drei Amazon Kartons gefunden, und mich von dem ordnungsgemäßen vorhanden sein einer mittelgroßen Schimmelkultur überzeugt habe, trage ich die gräulichen Essensreste in die Küche um sie dort mit viel Wasser in die Kanalisation zu schicken.

Noch bevor ich die Küche betrete höre ich hinter mir eine vertraute Stimme rufen. „Ah da, du bist.“
Die Stimme gehört Olga. Olga wohnt im siebten Stock und hat irgendwie mitbekommen, dass ich weiß was ein PC ist, und was man damit machen kann. Seitdem kommt sie immer wenn irgendetwas nicht funktioniert zu mir. Sie sieht nicht gerade überragend aus, spricht kaum Deutsch, und mit ihrem Windows habe ich Russisch gelernt, aber kochen kann sie. Im Gegensatz zu mir. Auf jeden Fall ist sie sich darüber im klaren, dass sie keine Ahnung hat, und tut deswegen auch nicht so als ob. Heißt sie ist aus zweierlei Gründen eine sehr angenehme Person. Zum einen, ist die Geduldig bei Problemen, versucht zu lernen und macht alle Fehler nur einmal. Und zum anderen ist ihr eingelegtes Hühnchen grandios.
„Ah, du könne mir helfe bei Laptop“
„Hm, ich wollt mir eigentlich gerade etwas zu essen machen.“
„Ah, machst du Laptop, ich mach Essen.“ Wie erhofft, heute muss ein wirklich guter Tag sein.
„Ja, das könnte gehen, was würde es den zu essen geben?.“
„Ich könnte machen Hühnchen.“ Ja, sie weiß ganz genau, dass ich das mag.
„Das wäre super, ich setze mich schon mal mit deinem Laptop in die Küche.“
„Und ich hole alles was ich brauche, zu mache Hühnchen.“
Ich wünschte alle Leute die mich mit ihren täglichen technischen Unzulänglichkeiten nerven wären so nett.

Ich stelle den dreckigen Topf in die Küche, und nehme ihr dann den Laptop ab. Die Tür hat gar keine Zeit zu zufallen, da steht Jörg schon hinter mir.
„Was machst du denn so?“
„Essen.“
„Und sie?“
„Ist Olga aus dem siebten Stock, ich soll mich um ihren Laptop kümmern.“
„Aha, was ist du denn?“ Hm, das schreit nach einer Möglichkeit meinen Topf abgewaschen zu bekommen.
„Ich wollte eigentlich die Suppe da warm machen, aber Olga hat sich bereit erklärt für mich zu kochen.“ Ist nicht mal komplett gelogen.
„Und was machst du jetzt mit der Suppe?“
„Weiß nicht, wegkippen denk ich.“
„Hm, kann ich die haben?“ Klar wusste ich, dass er die Frage stellen würde.
„Na Ok, ich kann es eh nicht gebrauchen.“
Jörg stürzt sich mit gierigen Blick auf den Topf, er öffnet ihn.
„Sag mal, ist das nicht etwas wenig?“ fragt er enttäuscht.
„Ne, da fehlt noch das Wasser.“ beruhige ich ihn.
„Und wieviel?“
Ich schütte ihm einen guten Schwall Wasser in den Topf und stelle ihn auf eine Herdplatte.
„Muss nur zwei Minuten kochen.“
„Ah, danke.“
„Kein Problem, aber abwaschen musst du ihn.“
„Ok.“
Ich frage mich warum ich mein Geschirr überhaupt selber abwasche, wenn das so einfach ist. Und Jörg hat seinen erstaunlichen Magen schon oft genug bewiesen.

Während Jörg wartet das der Schimmel anfängt zu kochen, kommt Olga wieder. Sie erklärt mir kurz was ihr Problem ist, und ich richte ihr Schreibprogramm wieder ein. Da ich noch Zeit habe mache ich auch gleich noch ein Windowsupdate und aktualisiere ihren Virenscanner.
Zwischendurch schaue ich rüber was Jörg gerade macht. Er hat es tatsächlich geschafft meine Essensreste auf zu kochen. Er probiert und rümpft die Nase. Ich reiche ihm darauf hin das Salz. Mit einer großen Priese Salz ißt er es dann auch freudig.
Ich versuche mit nicht vorzustellen, wie das Zeug schmecken muss, schließlich will ich mir ja nicht den Appetit auf Olgas Kochkünste verderben.

Nach diesem doch recht angenehmen Abendessen erwarte ich freudig Michael, der sich morgen ganz bestimmt beschweren wird, dass es nicht besser geworden ist. Dann kann ich ihm endlich meine eigene Version von Minessweeper auf den Rechner spielen. Eine Version die tatsächlich immer wenn er auf eine Mine kommt eine beliebige Datei endgültig löscht. Vielleicht kann ich ihn ja auch nach davon überzeugen, dass er mit dem Spielen von Solitär seine Festplatte aufräumen kann. Ich bin so gut gelaunt, dass ich Jörg nicht mal einen Stromschlag verabreiche als er mir meinen Kochtopf zurück bringt.
Deswegen öffne ich am nächsten Tag auch freudig dir Tür obwohl es noch deutlich am Vormittag ist. Davor steht allerdings Robert.
„Du hast Michael erzählt, er könne mit Minesweeper einen Virenscanner ersetzen?“
„Ja hab ich.“
So überrascht wie ich über sein Erscheinen war, so überrascht scheint er über meine Ehrlichkeit zu sein.
„Warum?“ fragt er schließlich.
„Spaß.“
„Spaß?“
„Japp.“ Mist ich bekomme das Lächeln von gestern nicht hin, ist einfach noch zu früh. Außerdem hab ich das Gefühl, dass das Gespräch noch sehr unangenehm werden könnte.
„Du gefährdest die Sicherheit einen Rechners um deinen Spaß zu haben?“
„Nein ich gefährde die Sicherheit SEINES Rechners um meinen Spaß zu haben.“
„Und warum verkaufst du Joachim einen Karton mit Alufolie für 40€?“
„Wer ist Joachim?“
„Ist gestern eingezogen? Du hast ihm einen Karton mit Alufolie verkauft gegen die schädlichen Quarkstrahlen.“ Ach das Bubberle.
„Das ist doch Absurd.“
„Das klang von Joachim aber ganz anders.“
„Ich hab ihm gesagt, dass es sich um Quantenstrahlen handelt, nicht Quark. Und er wird dir doch sicher auch gesagt haben, dass sein Monitor seit dem wieder alles richtig anzeigt.“
„Ja, natürlich. Wobei er ohne den Karton auch alles wunderbar anzeigt.“
„Reiner Zufall.“
„Also das was er erzählt hat klang für mich eher nach einem Magneten.“
„Warum sollte ich denn einen Magneten an den Monitor von einem meiner Mitbewohner kleben?“
„Um ihm hinterher Geld für eine sinnlose Lösung ab zuknöpfen!“
„So etwas habe ich nicht nötig.“
„Ach ja, ich werde jetzt los gehen und alle fragen was du ihnen so angetan hast, und dann werden wir ja sehen.“
„Mach dich nicht lächerlich.“
„Wir werden ja sehen wer sich hier lächerlich macht.“

Er geht bevor ich ihn erwischen kann. Er wird zu einem Problem. Er muss gelöst werden.

Am nächsten Morgen in der Frühe klopft es. Ich öffne und draußen stehen wiedereinmal zwei grüne Männchen denen ich relativ schnell beibringen kann was Hochdeutsch bedeutet. Nachdem die Personalien geklärt sind, sagen sie mir, dass sie hier sind, da sie einen anonymen Tipp bekommen haben, dass hier jemand sich vermehrt der Raubkopie strafbar gemacht hat.
„Aber sie denken doch nicht das ich?“
„Dürfen wir rein kommen?“
„Aber klar doch.“
Ich zeige ihnen meinen PC, einen Pentium I und nur 4GB Festplatte, nicht mal einen Brenner habe ich. War aber auch eine ziemliche Arbeit die DVD's und die Festplatten gestern Abend noch schnell bei Fred unter zustellen.
„Aber vielleicht meinte der Anrufer auch gar nicht mich.“ werfe ich ein als die Polizisten noch über meine schlechte Ausstattung staunen.
„Wie meinen sie das?“
„Nun ja, ich bezahle nur die Rechnungen für das Internet, benutzen tun das noch mehr Leute.“
„Aha, haben sie eine Ahnung wer es denn sein könnte?“
„Ich, nein. Wobei, seit dem die neuen Eingezogen sind ist das Netz irgendwie langsamer. Als ob jemand viele Daten runterladen würde.“
„Hm, aber das hilft uns nicht.“ Er hört wohl schwer.
„So als ob jemand Musik runterladen würde.“
„Das es ist es, es muss einer der Neuen sein. Wer ist eingezogen?“ Sie verstehen, irgendwann.

Ich lotse sie zu Robert, den wir dann gemeinsam aus dem Bett klopfen.
„Wir haben einen Hinweis bekommen, dass sie Raubkopien besitzen!“
„Ähm, was?“ Er ist noch recht verschlafen, er wird schon noch wach werden.
„Dürfen wir rein kommen?“
„Ja klar, aber ich hab nichts illegales.“ Ich komme mal vorsichtshalber mit rein.
„Ist das ihr Computer?“
„Ja.“ Wir stehen vor einem Laptop an dem eine externe Festplatte angeschlossen ist.
„Würden sie ihn bitte mal anschalten.“
„Aber natürlich“ Er ist etwas aufgeregt.

Etwas später meldet sich sein Windows, und hinterher sofort sein Terminplaner. Dieser zeigt einen für die Polizisten äußerst interessanten und für Robert äußerst überraschenden Eintrag an. So wie es scheint hat Robert heute einen Termin mit jemandem aus der Polnischen Mafia, dem er 5000 Musik CD's verkaufen will.
„Aber ich hab gar nicht, das muss ein Fehler sein.“
„Ja klar, ein Fehler.“
„Ich hab gar keine Musik CD's“
Der Kollege meint: „Stimmt hier liegt nichts herum.“
„Vielleicht hat er es irgendwo in einem Lager“ spekuliert der andere.
„Oder unter seinem Bett.“ werfe ich ein.
Er hebt die Matratze hoch und findet dort tatsächlich Unmengen CD's.
„Was haben sie dazu zu sagen?“
„Die waren Gestern noch nicht da“ stammelt Robert, und hat damit beinahe Recht.
„Dann wird die wohl irgendwer da hingelegt haben“ meint der eine Polizist mit Sarkasmus im Ton.
„Wahrscheinlich während du auf dem Klo warst.“ füge ich hinzu, wohl wissend, dass es genau so war. Gestern Abend, als Fred hier war und auch die 5000CD's mal eben vorbei gebracht hat.
„Aber ich hab gar nichts was ich da drauf machen kann, sie können ja selbst auf meinem Rechner gucken.“
„Das werden wir tun.“ Der Jüngere von beiden setzt sich und durchsucht den PC.
„Haben sie die externe Platte angeschaltet“ frage ich als es so aussieht als würde er nichts finden.
„Oh danke“ er schaltet sie an.
„Da ist ja ein Ordner mit MP3's“ meldet der Polizist.
„Aber das kann gar nicht sein.“
„Oh und sogar die aktuellste Britney Spears CD.“ werfe ich ein ohne hin zuschauen.
„Stimmt“ sagt der Polizist
„Und da ein CD-Image von Windows fertig zum Brennen“ füge ich hinzu.
„Das kann ich hier nicht sehen.“ meint der Polizist leise.
„Stimmt das finden sie in dem Widows Unterordner“ meine ich.
„Tatsächlich“ freut sich der Polizist über seinen Fahndungserfolg.

Bei Robert macht es in dem Moment so laut KLICK, dass ich kurz überlege ob einer der Polizisten seine Waffe entsichert hat.
„DU WARST DAS!!“ brüllt Robert mich an.
„Was?“
„Du hast die ganzen Dinge da rauf gemacht?“ Er will mir an die Kehle springen, aber der ältere Polizist hält ihn davon ab.
„Wie soll ich das denn gemacht haben?“
„ICH WEISS DAS DU ES WARST!!“
„Ich könnte doch niemals CD's in dein Zimmer schmuggeln du warst doch die ganze Zeit da, bis auf die 15 Minuten Toilette gestern.“
„AHHRRGG“
„Und ich hätte auch keine Dateien auf deinen Computer kopieren könne, schließlich hast du eine Firewall bei der nur der Port 31337 für beide Seiten offen ist.“
„AH, AH Ich kriege dich.“
„Und das deine IP 129.168.23.124 ist kann ich ja auch unmöglich wissen.“
„Du, du warst es. DU WARST ES!!“
„Könnten sie den Raubkopierer nicht mitnehmen, der will mich anschwärzen.“
„Ja wir haben genug von seinen Eskapaden gesehen, der PC ist beschlagnahmt ebenso wie die CD's“
„Und sie kommen mit Junger Mann.“ Einen kurzen Moment lang glaube ich er könnte mich meinen, aber dann legt er doch Robert die Handschellen an.

Noch aus dem geschlossene Fahrstuhl kann ich Roberts schreie hören. „Ihr habt den Falschen, er war es, er war es. Nein ich will nicht Neeeeiiiinnn“

Samstag, 23. Februar 2008

Bloahrg!

Ich sitze im Schlafanzug vor dem PC. Es ist Dienstag (glaub ich), und 17 Minuten nach eins (bin ich mir sicher). Ich bin gerade erst aufgestanden und lese wie üblich zuerst meine Emails. Neben dem üblichem Spam meines kostenlosen Emailanbieters ist tatsächlich eine weitere Mail dabei.
Eine Email des Grauens, aus der Vergangenheit (+1)! Ok, es ist einfach nur ein Typ den ich früher mal kannte und seit mindestens 4 Jahren nicht mehr gesehen, geschweige den gesprochen habe. Er hat auf jeden Fall meine Emailadresse noch und er benutzt sie um mich darauf hinzuweisen, dass er ab sofort einen eigenen total tollen, und super genialen, echt neuartigen WebBlog hat.

Ich kann meine ungezügelte Begeisterung kaum unterdrücken. Toll!..

Ein weiterer Blog. Wenn noch etwas im Internet fehlt dann ein weiterer Blog, in dem ein mittelmäßig begabter, möchtegern Schreiberling seine langweilige Lebensgeschichte erzählt. Gewürzt mit Bildern seiner dicken Kinder, und seiner speckhaarigen Frau. Aber vielleicht tue ich ihm da auch unrecht, und er sammelt „lustige“ Videos von MyVideo die schon Sir Timothy John Berners-Lee hoch geladen hat nachdem er das World Wide Web erfand. Und schon damals waren die Videos nicht lustig. Aber da die Adresse seines Blogs nicht mit „Die dümmsten...“ anfängt, glaube ich das nicht.
Er könnte auch Bilder posten. Jeden Tag eines von seinem morgentlichen Stuhlgang. Das währe zwar genauso scheiße, aber wenigstens kreativ. Aber wenn Bilder, dann wird er wohl welche von Blumen, Katzen, und Sonnenuntergängen haben. Ist toll wenn man mal was braucht um eine Marlboro Werbung zu bebildern, aber wer schaut sich so was sonst schon an. Seht es ein kein Mensch braucht Blogs.
Blogs sind Dinge für selbstverliebte Selbstdarsteller mit kleinen Genitalien.

Ich klick den Link trotzdem an.

Aus der oberen linken Ecke strahlt mich das Gesicht meines ehemaligen Bekannten an und beweist mir, dass er sein Akneproblem noch immer nicht in den Griff bekommen hat. Aber er tut was für seine Zähne. Er trägt eine Zahnspange, was als Bankangestellter (wie ich aus seiner Personenbeschreibung unter dem Bild entnehme) schon mutig ist. Aber wahrscheinlich macht er Telefondienst, was auch erklären würde warum die Leute immer so schwer zu verstehen sind.
(„Möfften pfie ein pfahrbuch?“ „Wie hast du meine Mutter genannt?!?“)

Dazu finden sich Angaben über ihn wie Größe, Gewicht, Alter und Blutzuckerspiegel. Er findet es wohl amüsant und aktualisiert es sicher auch täglich. Na wenn er meint, dass er so viele Daten von sich preisgeben muss. Ich mache mir eine Gedankliche Notiz, dass ich die Infos mit akutem Terrorverdacht in die Datenbank vom BKA einspeise und schaue mir den Rest seiner Seite genauer an.

Er hat eine dieser Instantblogs benutzt. Einfach Wasser drauf gießen und schon ist der Blog fertig. Ich wünschte sie würden das so in die Blog-bastel-Anleitung schreiben, dann würden die Hälfte der Deppen wenigstens ihren Monitor zerstören. In Zeiten in denen jeder Drittklässler zwar weder lesen noch schreiben, dafür aber HTML und Java kann währe mir das echt peinlich. Kein eigenen Webspace, kein eigener Quellcode, keine eigene Ideen. Dies setzt sich leider auch, wie bei allen Blogs, im Inhalt fort.

Wie ich schon befürchtet habe schreibt er sein Leben auf. Wem es nicht reicht, dass sein popelnder Bruder und die Eltern das eigene Tagebuch lesen, der wirft es halt weg und erstellt einen Blog.
Der Inhalt seiner Texte, Moment, seines Textes, denn es gibt nur einen Post, ist belanglos. Ohne jeglichen Inhalt, dafür voller Rechtschreibfehler und
schlecht
formatiert
. Aber das kann ja noch werden. Ist ja der erste Post, der schon einen Monat alt ist. Ich frage mich kurz ob er damit einen neuen Rekord für den Tod eines Blogs aufgestellt hat, aber wahrscheinlich nicht.
Warum schickt er mir den Link eigentlich jetzt, wenn der Kram schon so alt wie Win3.11 aber so schlecht wie ME ist? Am rechten Rand sehe ich den Grund. Ein überdimensionaler Besucherzähler (mit Werbung vom Fremdanbeiter) zeigt eine deutliche 34. Er braucht Besucher für sein Ego. Ich überwinde mich und lese seinen Text. Ok, ich hab auch nichts besseres vor.

Einen viel zu langen Augenblick später stelle ich fest, dass er die extreme Beobachtung zweier Spatzen gemacht hat, die neben einander saßen und genau gleich aussahen. Mit Schnabel und Flügel und so. Und überraschender Weise stellt sich nach drei Bildschirmseiten über dieses tolle Naturschauspiel heraus das es Tauben waren. Und nur eine, denn er war betrunken. Irre! Wo nimmt er die Ideen her. Naja jetzt ist es wenigstens vorbei.

Ich tue ihm ein Gefallen und geben ein Komentar ab. Ich melde mich unter Bastianlol93 an und poste eine klassische Meinung, etwas mit Stil und Charme, mit Aussagekraft und Intellekt.
„ERster!!!!1“
Schnell schreibe ich noch unter dem Namen „rammelpeter“ „alt“ und unter dem Namen „Ernstl“ „fake“. Als ich mich unter dem Namen „rumpfnelke“ anmelden will um mich über die Erster-Schreier aufzuregen, bekomme ich ein 404. Während ich mich noch über die Gerechtigkeit der Welt freue, dass die Seite gerade jetzt vom Netz geht stelle ich fest, dass alle anderen Seiten auch nicht laden. Mist.

Ich gehe in den Flur. Wo sich meine schlimmste Befürchtung bestätigt. Das DSL-Modem ist abgeraucht. Es raucht sogar immer noch. Kein Internet für heute so ein Dreck. Naja so kann ich mich wenigstens den wichtigen Dingen des Lebens widmen und muss nicht in sinnlosen Blogs rum hängen. Ich kann endlich frühstücken.
Bei „einmal mit alles und scharf“ an der Dönerbude um die Ecke überlege ich wie ich den Rest des Tages verbringe. Ein neues Modem muss her, klar. Sonst muss ich mich morgen auch den ganzen Tag mit der Realität beschäftigen. Und Abends? Egal, das kann ich später entscheiden. Der Döner ist weg, ich hab Soße (und scharf) auf dem T-Shirt, und bin damit perfekt gerüstet für das Internetcafé.

Dort setze ich mich an einen freien PC und suche mir einen Shop der mir morgen Vormittag ein DSL-Modem liefert.
„Eh.“
Ich ignoriere ihn.
„Eh.“
Brille, gewaschen, Kurzhaarschnitt, rosa Polohemd und nervig.
„Eh!“
„Was ist den?“
„Ich hab gerade diesen genialen Blog gefunden, musst du unbedingt lesen.“
Oh nein.
„Warum soll ich DEINEN Blog lesen?“ werfe ich ihm direkt vor.
„Nein, nein, das ist nicht meiner, den hab ich gerade gefunden, ist echt cool.“
Ein kurzer Blick auf seinen Monitor beweist mir das Gegenteil. Er hat Adminrechte in dem Instantblog den er gerade erst gefunden hat.
„Gib mal die Adresse.“ Ich werde es beräuen, aber vielleicht lässt sich was damit machen.
„Klar.“ Er gibt sie mir.
„Er schreibt über die Erlebnisse in seinem Kurzurlaub in Süddeutschland?“ frage ich ohne die Seite geöffnet zu haben.
„Ja toll nicht?“ War auch nicht schwer zu erraten, er hat den falschen Akzent für die Region, und sein Rollkoffer steht unter seinem Tisch.

„mhm.“ Ich wende mich ab.
Die nächsten Minuten verbringe ich damit auf seine Seite zu starren und in unregelmäßigen Abständen freudig zu kichern. Er freut sich sichtlich, und versucht immer mal zu sehen welchen seiner Einträge ich gerade lese. Das verhindere ich, da ich die Seite natürlich nicht lese, aber seine Reaktion gefällt mir.
„Das ist wirklich toll, und so schön gestaltet. Muss ja viel Arbeit sein so was.“ lobe ich seine Instantblog heuchlerisch.
„Ja, ne. Web 2.0 sag ich nur. 2.0!!“ So ein Poser.
„Schade ich muss gehen.“ Ich halt es auch nicht mehr aus neben ihm. „Aber der Artikel ist so toll, den muss ich ausdrucken. Ob ich das darf?“
„Wie?“
„Naja, wegen Urheberrecht und so.“
„Aber natürlich, erlaube ich dir.“ Ich hasse ihn für seine Pseudogönnerhaftigkeit.

Ich gehe weg, warte kurz hinter einer Ecke und komme dann wieder.
„Mist das geht nicht.“ Ich stelle mich hilflos.
„Wie geht nicht?“
„Der blöde Drucker spuckt das nicht aus.“
„Warte ich helfe dir.“ Er grinst über beide Segelohren.
Ich gehe direkt zum Kopierer.
„Siehst du, da kommt nichts.“
Er verkneift sich das Lachen. Ich auch.
„Das ist ja auch ein Kopierer, kein Drucker.“
„Aber ich hab schon Geld rein geworfen.“
„Du brauchst trotzdem einen Drucker.“
„Das kommt aber immer da raus.“ Ich deute auf den offenen Kopierer.
„Wo“
„Na da, das war immer so.“ Ich gebe zu ich habe von den DAU's denen ich jeden Tag begegne gelernt. Ist manchmal echt praktisch.
„Ich schau mal nach.“

Er beugt sich tatsächlich über die Glasscheibe des Kopierers. Ich greife in seine Haare und schlage seinen Schädel auf den Kopierer, dann ziehe ich sein rosa Polohemd über seinen Kopf und klemme es am Deckel des Kopierers fest.
„He was soll das...“
Ich mache ein paar Farbkopien von seinem verzehrtem Gesicht.

Mit den Kopien und dem Adminpasswort von meinem neuen Blogerfreund verlasse ich das Internetcafé. Auch eine Abendbeschäftigung steht nun fest. Erst werde ich aus einem anderen Internetcafé das Bild von meinem polobehmten Blogerkumpanen in dessen Blog stellen. Dann ändere ich sein Passwort. Und dann betrinke ich mich und beobachte Tauben.
Klingt nach nem Plan.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Viele neue Leute

Früher als gedacht bin ich wieder zurück in meinem Wohnheim. Ich hielt es für nötig abzureisen nachdem die ersten Gerüchte aufkamen, dass ich mit einer Reihe kleinerer Brände irgendetwas zu tun haben könnte. Außerdem hat meine kleine Folge von Explosionen in Stefans Opel doch einiges an Aufsehen erregt.
(Das die Gase der inneren Lackierung in Verbindung mit der Plastikverkleidung unter längerer Sonneneinwirkung explodieren können hat den Leuten als Erklärung gereicht. Ich konnte sogar noch ein paar Euro verdienen indem ich in älteren Autos die Gase entlüftet habe, mit einer Bohrmaschine, durch die Innenverkleidung.)

Die Brände haben übrigens auch einiges mit meinem Bruder zu tun, nicht nur mit mir. Schließlich hat es in allen Gebäuden gebrannt in denen er war. Das ich auch in einigen gesehen wurde, war reiner Zufall. Und in keinem der Fälle konnte Brandstiftung nachgewiesen werden. So ein Kabelbrand passiert aber auch mal schnell. Und wie das Stroh und das Benzin in die Heizungsschächte gekommen ist konnte sich auch niemand erklären. Und Napalm auf dem Sportplatz kommt doch wirklich alle Nase lang vor.
Auf jeden Fall hat es mächtig Spaß gemacht einen Tag lang dafür zu sorgen, dass in jedem Gebäude in dem er auftaucht ein Feuer ausbricht.

Nun ja, nachdem einige meiner Nachbarn gesehen haben wollen wie ich das Zimmer meines Bruders mitten in der Nacht durchs Fenster mit einem Flakscheinwerfer ausgeleuchtet habe, kamen diese seltsamen Gerüchte auf. Und der Krach, der durch fünfzig Chinaböller ausgelöst wurde als mein Bruder und ich allein zu Hause waren und er unbedingt schlafen wollte, wurde wohl auch außerhalb meines Heimes wahrgenommen. Und nachdem sich dann mal wieder die Nachbarn beschwerten waren meine Eltern auch wieder entnervt, und mit seinen Geldgebern soll man es sich ja nicht verscherzen.

Auf jeden Fall hielt ich es für besser meinen Heimataufenthalt möglichst kurz zu gestalten. Dieses hat auch den Vorteil, dass ich zu der Zeit im Wohnheim bin, zu der die meisten neuen Studenten einziehen. Ein nicht zu unterschätzender Spaß.
Nachdem ich gestern Abend mit meinem Hausmeister ordentlich einen Trinken war, bin ich nun perfekt vorbereitet. Joschka, mein Hausmeister, konnte mir nämlich nach einer halben Flasche Wodka noch ganz genau erklären, dass auf meinem Stockwerk heute drei neue Mieter auftauchen werden, und dass sie alle zwischen 15 und 16 Uhr die Zimmer beziehen wollen.
Mit diesen Informationen im Hinterkopf besorge ich einen Kasten Bier, zwei Klappstühle und Fred. (Ihr erinnert euch doch bestimmt an meinen guten Freund Fred. Einer mit dem man immer saufen kann und der für jeden Mist zu haben ist.)
Dann habe ich, so gegen 15 Uhr, im fünften Stock die Fahrstuhltür ausgehängt. Da diese nun nicht mehr zu geht, fährt der Fahrstuhl auch nicht mehr. Und da der Hausmeister zufällig mit Kopfschmerzen im Bett liegt, wird der Schaden heute nicht repariert werden. Dies heißt, dass wohl bis morgen alle die Treppen benutzen werden müssen. Auch die, die gerade einziehen und so auch die, die bei mir im achten Stock zu wohnen gedenken. Ich liebe es, wenn andere Leute schwer schuften müssen.

Also sitzen Fred und ich gegenüber der Feuerschutztür, die zum Treppenhaus führt, auf unseren Klappstühlen und trinken Bier.
Fünf Minuten später kommt auch schon der erste Kandidat. Im Anzug mit Krawatte.
„Ist der Fahrstuhl kaputt?“ Keine Manieren, zuerst begrüßt man seine Mitbewohner, bevor man ihnen dumme Fragen stellt.
„Hallo, schön dich kennen zu lernen.“ begrüße ich ihn zuckersüß. Was ihn wohl etwas verwirrt.
„Äh ja hallo auch.“
Ich warte.
„Äh ist der Fahr...“
„Du mußt einer der Neuen sein?“
„Äh, ja... Äh, ist der Fahr...“
„Und ziehst heute ein?“
„Äh, ja... Sag mal, ist der Fahr...“
„Und dann ziehst du auf einem Montag ein? Weißt du nicht, dass das Unglück bringt?“
„Äh, ne.. aber der Fahrst...“
„Wo ziehst du den ein?“
„Da hinten.“ Er weist in die Richtung die von meinem eigenen Reich am weitesten weg liegt.
„Aber wegen dem Fa...“
„Was studierst du denn?“ Ok ich kann das BWL von hier riechen, aber ich will sehen wie lange er versucht mich zu fragen ob der Fahrstuhl kaputt ist.
„Äh, BWL. Ich würd gern wissen, ob..“
„Im ersten Semester?“
„Nein im fünften.. und wegen dem Fahrstu...“ Gut dann hat er hoffentlich schon einen großen Karton mit Büchern, der ordentlich schwer ist.
„Bist du hier an die Uni gewechselt?“
„Nein, ich komm aus einer WG. Aber der Fahr...“ Langsam wirkt er entnervt.
„War wohl zu teuer die WG wie?“
„Ja, Was ist nun mit dem Fahr...“
„Aber dann kannst du ja froh sein, dass du hier untergekommen bist.“
„DER FAHRST..“
„Aber an einem Montag einziehen ist wirklich schlecht für dich.“
„IST MIR EGAL!! ICH WILL WISSEN..“
„Es sollte dir nicht egal sein.“
„IST ES ABER; WAS IST NUN MIT DEM VERDAMMTEN..“
„Es sollte dir wirklich nicht egal sein.“
„SAG MIR ENDLICH WAS MIT DEM FAHR..“
„Sitzt deine Krawatte zu eng?“
„NEIN..“
„Ich dachte nur, weil du so rot wirst..“
„SAG MIR OB DER VERDAMMTE FAHRSTUHL KAPUTT IST ODER NICHT!!“
Jetzt hat er mich unterbrochen, er hat einfach keinen Anstand..
„Ja.“
„..“ er starrt mich an. „wie ja?“
„Ich sag doch Montage bringen Unglück“
„Ach verdammt...“ Er geht wieder nach unten.

Noch bevor die Tür wieder ins Schloss fällt, kommt ein weiterer Neumieter nach oben. Und da er den BWL'er schon mal auf dem Flur trifft..
„Sag mal ist der Fahrstuhl kaputt?“
„LASS MICH MIT DEM VERDAMMTEN SCHEIß FAHRSTUHL IN RUHE!!!“ brüllt ihn der BWL'er zusammen.
Der Neue kommt bei uns an.
„Was ist denn mit dem los?“
„Krawatte zu eng“

Vor uns steht ein in Jeans und Pullover gekleideter Typ, Anfang Zwanzig. Ganz klar erstes Semester.
„Ich bin übrigens Robert.“
Auch wir stellen uns vor. An Robert ist auf den ersten Blick nichts auszusetzen. Er erklärt uns, dass er vor hat Wirtschaftsinformatik zu studieren, wobei ich ihm dazu gratuliere, dass er wenigstens mit der Informatik was richtiges hat..
Aufhorchen lässt mich, dass er mir aus dem Gedächtnis seine MAC-Adresse sagen kann. Auf jeden Fall hat er damit schon Zugang zu meinem Netzwerk bevor er seinen Computer hoch getragen hat.
Ich wünsche ihm noch viel Spaß beim schleppen und mach mir das nächste Bier auf.
Da kommt auch schon Kandidat drei über den letzten Treppenabsatz gestolpert. Er ist relativ dick und picklig. Und hinter ihm schnaufen ein älterer Mann und eine Frau die Treppen hinauf. Wahrscheinlich sind es die Eltern. Er trägt einen Bürostuhl, sie einen Korb mit Bettzeug, nur Sohnemann hat die Hände frei.
Er lässt die Brandschutztür hinter sich, und vor seinen Eltern zu fallen und schaut uns atemlos an.
Ich nehme einen tiefen Schluck aus der Flasche, und warte was die Eltern zu dem Benehmen wohl sagen werden.

So nimmt auch das Familiendrama vor unseren Augen seinen Lauf.
„Du hättest ja wenigstens die Tür aufhalten können, wenn du schon nichts trägst.“ Sagt der Vater mit einem Ton der nicht gerade auf eine angenehme Anreise schließen lässt.
„Ach Manni es ist doch sein erster Tag in der neuen Stadt.“ springt sie für ihren Sohn in die Bresche.
„Und dann kann er nichts tragen?“
„Aber er muss doch die Türen aufschließen“
„Aufhalten währe besser gewesen.“
„Sei doch nicht so gemein, zu meinem Bubberle“
Fred kann sich das Lachen kaum verkneifen, auch ich halte nur gerade so an mich.
„Dann sieh zu, dass du zu deinem Zimmer kommst, und hohl dann den Rest von unten.“ Fährt er das Bubberle an.
„Aber Mammi muss ich?“
„Nein Pappi macht das schon, Bubbielein“
„Ach ja? Und wenn nicht?“ empört sich Pappi.
„Aber du kannst doch nicht den armen Jungen alles alleine die Treppen hoch tragen lassen.“
„Langsam reicht es mir. Er will studieren, in Ordnung. Aber er kann VERDAMMT nochmal was dafür tun!“
„Aber..“
„Nichts aber, ich höre mir schon die gesamte Fahrt über euer Genöle an.“
Ich winke hinter dem Rücken von seiner Frau, mit einer Bierflasche.
„und deswegen könnt ihr den Kram jetzt alleine machen.“
Er stellt den Bürostuhl neben Fred ab, ich reiche ihm ein Bier. Die beiden anderen schauen wie ein Auto bei Gewitter in der Wüste, wenn die Batterie leer ist.
„Komm Bubberlie STIEF-Pappi will nicht!“
„Mein Beileid.“ Meint Fred.
„Prost!“ Meine ich.

Da rumpelt es auch schon weider hinter der Tür. Leises Fluchen verrät mir, dass es der BWL'er sein muss. Er zieht die Tür auf und wuchtet einen mittelgroßen Umzugskarton durch die Tür.
„Kann man die nicht irgendwie Festklemmen?“ Grunzt er zu uns rüber.
„Klar“ mein ich, „aber das verstößt gegen die Brandschutzbestimmung.“
„Mir doch egal.“
„Aber vielleicht unserem Brandschutzbeauftragtem nicht.“ Ich deute auf den Vater der gerade zu uns gestoßen ist. Der BWL'er mustert ihn.
„Aber ich bin doch..“ Fred rammt unserem neuen Brandschützer den Ellbogen in die Seite.
„für den Brandschutz zuständig.“ fängt er sich, „und da kann ich das nicht zu lassen.“
„Das ist doch eine Sauerei. Da muss man seinen Kram schleppen und dann auch noch diese scheiß Türen.“
„Ja so ist das“ meine ich, „Kann man nichts machen. Wobei ich mich erinnere, dass letztes Jahr jemand die Tür verkeilen durfte?“
„Wie meinst du das?“ fragt sich der neue Mitbewohner, und wohl auch der Neu-Brandschützer.
„Und war das nicht auch die Zeit, wo sie hinterher neue DVD's hatten?“ frage ich den Vater, der mich verständnislos anschaut.
„Die, die ziemlich genau dreißig Euro gekostet haben“
„Ah ja stimmt“ er hat verstanden und hält die Hand auf.
Der BWL'er schaut zu uns rüber.
„Das ist eine riesen Sauerei hier“
„Ja“ meine ich, „mach bitte die Tür zu“
Nach kurzem wühlen drückt er unserem neureichen Brandschützer 30€ in die Hand.
„Und wie soll ich nun die Tür aufhalten?“ auf die Idee sollte er eigentlich selbst kommen.
„Lass einfach den Karton in der Tür stehen.“
„Auf die Idee hätte ich auch selbst kommen können.“
Sag ich ja.
„Aber so, dass man noch durch kommt.“ weise ich ihn auf seinen Fehler hin. Er stellt den Karton so hin, dass man die Tür noch passieren kann. Und geht wieder.

Wenig später ist auch der Rest der kleinen Familie wieder auf dem Weg nach unten. Da wir nun erstmal ungestört sind fragt Fred.
„Ratte oder Leim?“
„Lass mich mal nachschauen.“ Ich öffne den Karton und entscheide mich für:
„Leim“
Fred schnappt sich die Flasche, ich hebe den Karton an. Dann leimen wir ihn gründlich am Fußboden fest und ich bearbeite mit einem Messer die Seiten des Kartons.
„Was war das jetzt?“ fragt der Vater.
„Ganz einfach, wenn da Kleinteile drin sind die weg rollen können. Kleben wir den Karton auf den Boden, und schneiden die Seiten so auf, dass er beim Hochheben nur die Seiten in der Hand hat, und sein Zeug sich nett verteilt. Wenn Bücher drin sind, tun wir eine tote Ratte rein.“
„Ah.“
„Wir kriegen noch zwanzig Euro von dir?“
„Wie?“ er überlegt kurz. „Oh ja klar.“
„Wie heißt du eigentlich?“
„Manfred“

Da kommt auch schon Robert mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Federbett im Arm die Treppen herauf.
Er trägt seine Sachen in sein Zimmer. Auf dem Rückweg fragt er uns ob er ein Bier bekommt wenn er fertig ist. „Mal sehen“ antworte ich.

Als nächstes kommt der Rest von Manfreds Familie. Frauchen trägt einen großen zwanzig Zoll Röhren Monitor und ihre Handtasche, Bubberle den Rest vom PC.
Aus reiner Menschenfreundlichkeit springe ich auf.
„Darf ich ihnen den Monitor abnehmen?“
„Oh vielen Dank.“
„Siehst du der Junge Mann ist wirklich nett, du FAULES STÜCK!!“ höre ich sie noch zetern als ich in das Zimmer einbiege welches Bubberlie bald bewohnen wird. Ich platziere den extra vorbereiteten Magneten unten am Monitor und verdrücke mich wieder zu meinem Bier.
Während Bubberle sein Zeug ins Zimmer trägt, lausche ich gespannt dem Ehekrach.
„Du warst noch nie zu was zu gebrauchen!“
„Na und? Ich verdiene wenigstens Geld.“
„Du und dein lausiger Job. Aber helfen tust du nicht, ich muss mit Bubberle alles ganz alleine machen.“
„Ja, dann mach doch und geh mir nicht auf den Keks“
„Wenn du schon so unnütz hier rumsitzt dann kannst du wenigstens auf meine Handtasche aufpassen.“ spricht sie, stellt die große geblümte Tasche ab und verschwindet im Treppenhaus. Bubberle trottet hinterher.

„Na wenigstens ist die Tasche nicht rosa.“ Sage ich, als ich mich setze und nach einem Bier suche.
„Ne rosa ist die andere, die hätte aber nicht zu ihrem Outfit gepasst“ lässt Mannfred den Sarkasmus tropfen. „Warum bist du eigentlich so freundlich zu der Schlam..“
„He nicht solche Wörter, unterbreche ich ihn. (Das lesen auch Kinder.) Und ich bin immer freundlich wenn ich die Möglichkeit habe einen starken Magneten unter einem Röhrenmonitor zu platzieren.“
„Du hast doch nicht etwa?“
„Doch.“
„Warum eigentlich?“
„Warum nicht?“
Er überlegt kurz, aber auch ihm fällt kein Grund ein warum ich es nicht hätte machen sollen.
Am oberen Ende der Treppe erscheint der BWL'er mit zwei Koffern.
„Ist es nicht irgendwie kindisch?“
„Ja, und?“
„Hm..“ Er nimmt die Tasche seiner Frau auf die Knie, damit die beiden Koffer mit dem zugehörigen Träger durch passen. .
„Und fühlen die anderen sich nicht beleidigt?“
„Ja kommt vor.“
In der nun herrschenden Stille öffne ich endlich das Bier.
Der BWL'er kommt zurück, und Robert schafft eine Laptoptasche und einen großen Karton in sein Zimmer.

„Ihr spielt also jedem solche Streiche?“
„Nein,“ antwortet Fred, „er spielt jedem solche Streiche ich trinke nur Bier.“
„Ach so.“
Da steht auch schon Robert wieder vor uns. Wir unterbrechen unser Gespräch um ihn fragend an zu schauen.
„Äh, ich bin fertig und hab gehofft ich könnt ein Bier?“
„Na klar doch“ Ich drücke ihm ein Flasche in die Hand.
„Ihm auch?“ fragt Manfred mich
„Moment,“ antworte ich ihm.
„Du musst es aber auf Ex trinken“ unterbreche ich Robert der gerade ansetzen wollte.
„Wieso?“
„Ist so Brauch hier. In Bayern heißt es, dass man an jedem neuen Ort das erste Bier auf Ex trinken soll. Bringt wohl Glück oder so.“
„Hab ich noch nie was von gehört.“
Fred und Manfred bestätigen meine Geschichte.
„Na dann“ Robert schafft es tatsächlich das Bier mit zwei Zügen zu trinken und schaut uns jetzt aus leicht glasigen Augen an.
„Aber du wolltest gerade wissen ob wir auch ihm etwas antun würden.“
„Ja schon..“ bestätigt Manfred.
„Nun sein Bier gerade hatte keine 4,9 Prozent so wie deines... eher 49.“
„Ah ja.“
Robert scheint wirklich etwas mitgenommen zu sein, sieht so aus als würde er so große Mengen an reinem Alkohol nicht vertragen. Er lehnt sich an eine Wand und ist für den Moment still. Wir betrachten gespannt seine Gesichtszüge und versuchen zu erkennen ob er sich übergeben muss oder nicht.

Wie bestellt für dieses Schauspiel kommt Manfreds Frau die Treppe hinauf, in jeder Hand einen Koffer. Sie schreitet an uns vorbei ohne uns eines Blickes zu würdigen nur um direkt auf Robert zu treffen. Dieser versucht gerade die Seite des Flures zu wechseln und stößt mit ihr zusammen.
„Sei doch vorsichtig.“ herrscht sie ihn an.
„Oh entschuldi..“ Der Rest seines Satzes wird vom Alkohol der einen Ausgang sucht unterbrochen. Die ganze Sauerei landet zum Großteil in ihrem Dekolleté. Sie lässt die Koffer fallen und fängt an zu schreien, er verzieht sich lieber in seinen Raum. Weder Manfred noch Fred, noch ich können das Lachen unterdrücken.
Rot vor Wut und mit Brei im Ausschnitt stapft sie auf uns zu.
„DU“ Sie zeigt mit erhobenem Zeigefinger auf ihren Mann als würde sie ihn erschießen wollen.
„DU.. DU.. ACH..“ Sie stapft in Richtung Bad.
Bubberle der sich das alles aus sicherer Entfernung angesehen hat beschließt lieber wieder runter zu gehen.

Wir lachen noch immer als der BWL'er mit einem weiteren Karton erscheint. Er schaut uns verdutzt an geht dann weiter. Und macht einen großen Bogen um das Erbrochene (oder sollte ich sagen Jörgs nächste warme Mahlzeit?).
Wenig später taucht er wieder auf um den Karton zu holen der die Tür offen hält.
Er setzt an und kann ihn nicht anheben. Er zieht stärker. Wie geplant löst sich der Boden der Kiste und der Inhalt verteilt sich auf dem Boden.
Vor uns liegen ein paar einzelne Stifte, ein Stapel Zeitungen deren Inhalt eindeutig nicht jugendfrei ist, und zwei Dildos. Und eben jene beide Gegenstände, die ihm wohl besonders peinlich sind, rollen auf die Treppe zu.
Wir beobachten gespannt was passieren wird.

Er lässt die Reste vom Karton fallen und sprintet den Spielzeugen hinterher. Nur leider sind diese schneller und rollen die Treppe runter. Er rennt hinterher. Einen Augenblick später sind alle Beteiligten nicht mehr zu sehen. Zum Glück hält die Pornosammlung die Tür weiter offen, so dass wir wenigstens noch hören können was vor sich geht. Und so wie es sich anhört hat er es geschafft seine Gegenstände ein zu holen.
Und ein hoher spitzer weiblicher Schrei aus dem unter uns liegenden Stockwerk beweist uns, dass eines der Mädels, die dort Wohnen, ihn bemerkt hat. „DU PERVERSES SCHWEIN!!“ KLATSCH. „VERSCHWINDE!!“ Er kommt die Treppe hoch gerannt in jeder Hand ein großes Sexspielzeug. Hinter ihm taucht das Gesicht von Steffi auf. Steffi ist eine kräftig gebaute Emanze, die ihre Interessen auch mit Schlägen vertritt. Und so wie seine linke Wange aussieht hat sie ihn erwischt.
„LASS DICH HIER NIE WIEDER BLICKEN!!“ schreit sie ihm noch hinterher.

Er sammelt verschämt seine Sachen ein und verschwindet. Wir kommen aus dem Lachen gar nicht mehr raus.

Schließlich beschließt Mannfred doch mal nach seiner Frau zu schauen.
„'Tschuldigung, aber ich muss dann mal, war echt lustig mit euch.“
„Jupp, und tschüss.“
„Ach und vergiss deine Tasche nicht“ ruft Fred ihm hinterher. Er kommt und holt sie ab. Nach ein paar Schritten dreht er sich noch ein mal um.
„Sag mal..“
„Ja?“
„Du sagtest doch du hättest eine tote Ratte?“
„Ja?“
„Darf ich die haben?“
„Und sie in die Tasche deiner Frau stecken?“
„Genau.“
„Aber gerne doch.“

Es ist doch schön wieder Spaß in eine Ehe bringen zu können. Auch wenn der Spaß hier wohl recht einseitig ist.

Montag, 18. Februar 2008

Zwei Brüder ein Opfer

Nach einer sehr aufreibenden Fahrt komme ich tatsächlich bei meiner lieben Familie an. Natürlich nicht ohne die für die Bahn übliche halbe Stunde Verspätung. Am Bahnhof holt mich mein männlicher Generatori ab, um mich mittels einer vierrädrigen pferdelosen Kutsche zu unserem kleinen Häuschen in meinem ebenso kleinen Heimatdorf zu fahren.
„Und was gibt’s neues?“, frage ich um eine gepflegte Konversation einzuleiten.
„Ach, Jack ist gerade da...“
WAS?!?! Mist! Er hat es geschafft. Das ist nicht gut, gar nicht gut. Jack ist mein zwei Jahre älterer Bruder, aber das ist nicht schlimm. Auch nicht schlimm ist, dass zwischen uns, seit wir laufen können ein Wettbewerb läuft, in dem es darum geht dafür zu sorgen, dass dem anderen irgendetwas seltsames zustößt. So bleibt wenn wir beide zusammen sind ganz bestimmt einer mit dem Fuß im Kanalschacht hängen. Oder es bekommt jemand einen Stromschlag, oder ertrinkt beinahe in der Dusche, die sich zufällig bis zur Oberkante der Duschkabine mit Wasser füllt wobei die Tür sich nicht öffnen lässt. Oder der Rasenmäher explodiert. Solche Zufälle halt.
Und genau da ist das Problem. Er weiß das ich komme, ich nicht. Er ist vorbereitet, ich nicht.

Mein Vater erzählt weiter, ich höre ihm nicht mehr zu sondern überlege fieberhaft was ich noch auf die Schnelle improvisieren könnte um nicht ganz ins Hintertreffen zu geraten.
„Ich muss noch ein paar Dinge einkaufen, die ich unbedingt brauche damit ich auch zu Hause weiter arbeiten kann.“ Meine ich zu meinem Fahrer und garantiere damit, dass er keine Fragen stellen wird und den Kram auch bezahlt.
Also fülle ich an der Tankstelle eine Bierflasche mit Benzin (die Leute reagieren so toll, wenn man an der Kasse 0,5l Super bezahlt), besorge Abführmittel (kann man immer gebrauchen) und Kondome (Meine sind mir irgendwie ausgegangen) in der Apotheke, und dazu ein paar Batterien, Kabel, ein gebrauchtes Handy, Handschellen, und ein Katzenbaby.

Nun wenigstens etwas vorbereitet erreichen wir das altbekannte Elternhaus. Mein alter Herr fährt das Auto in die Garage, und ich trage meine Taschen zur Eingangstür. Während ich klingel wundere ich mich über den weißen Opel Kombi auf dem Hof. Jack wird sich doch wohl nicht so eine Schüssel zugelegt haben. Da öffnet sich auch schon die Tür und vor mir steht ein mir unbekannter dicklicher Mann mittleren Alters in einer grauen Kordhose und gelben Flanellhemd.
Ich schaue ihm ins Gesicht, beschließe dass ich hier falsch sein muss und schlag die Tür wieder zu. Einen Augenblick später kommt mein Vater um die Ecke, ich halte ihn auf.
„Wir sind hier falsch!“
„Hä?“
„Da ist ein seltsames Individuum, welches mir die Tür geöffnet hat.“ bringe ich ihn ins Bilde.
„Das ist Stefan, Avelins neuer Freund. Hab ich dir doch schon im Auto erzählt, dass er da ist.“
Ich hätte doch länger zu hören sollen. Avelin ist übrigens meine Schwester, sie heißt eigentlich Birgit lässt sich aber von allen Avelin nennen. Ich habe ihr vor vier Monaten zusammen mit meinem Bruder einen Keuschheitsgürtel zum 18ten Geburtstag geschenkt. Wir waren uns beide einig, dass sie ihn gebrauchen kann. Seit sie ihn einmal angezogen hat und feststellte, dass der Schlüssel nicht passt spricht sie kein Wort mehr mit mir. Nun ja, mit Hilfe eines fähigen Schlossers wird sie ihn inzwischen sicherlich aufbekommen haben.

Ich öffne also mutig die Tür, um dieses mal meinen Bruder anzutreffen. Besser. Wir begrüßen uns mit einer obligatorischen Bruderumarmung, um uns hinterher in ein stilles Eckchen zu verkriechen um den Zettel, welchen der jeweils andere am Rücken befestigt hat, zu entfernen. Ich finde einen mit einem Java Quellcode der, wenn kompiliert, endlos Emails an das gesamte Adressbuch schickt, mit der Aufforderung mich beim Umzug nach Bosnien zu unterstützen. Er lacht über einen C++ Quellcode, der erstmal die aktuellen Preise für eine Penisverlängerung aus dem Internet abruft, danach alle Windows Fehlermeldungen auf „Sie sind nicht ausreichend bestückt um dieses Programm auszuführen“ umschreibt und schließlich in einer Endlosschleife den Cash füllt und so den PC zum Absturz bringt.
Wie in den guten alten Zeiten.

Selbstverständlich begrüße ich auch den Rest der Anwesenden. Natürlich nicht ohne das übliche schön-dich-kennen-zu-lernen-Geschwafel von Stefan im Keim mit einem gezielten Tritt in seine Familienjuwelen zu unterbinden.
„Oh, das tut mir leid nach dem langem Sitzen im Zug machen die Gelenke noch nicht was sie sollen, diese Züge sind einfach viel zu eng.“ Entschuldige ich mich.
„Schon OK“ erwidert er mit einer auffallend hohen Stimme.
Der Rest des Vormittags verläuft ruhig, bis auf eine Explosion im Flur die meine Hausschuhe zerlegt hat, kurz bevor ich sie anziehen wollte, und eine spontane Entzündung des Briefkastens als mein Bruder die Post holen wollte (was lustiger weise auch sein T-Shirt in Mitleidenschaft gezogen hat).

Zum Mittag sitzt dann die gesamte Familie, mit dem einzelnem Anhang Stefan, um den Esstisch.
Peinlich genau achte ich darauf Teller und Bestecke zu benutzen bei denen Jack nicht rechnet, dass ich sie nehme. Außerdem fülle ich mir alles was ich esse selbst auf. Jack macht es ebenso. Meine Eltern sind diese Show gewohnt. Vielleicht wegen unsere gegenseitigen Vorsicht, aber auf jeden Fall bleibt das Essen aus dieser Sicht her ruhig. Die Ruhe zerreißt das zu erwartende Gespräch mit Stefan, welcher natürlich diverse Dinge über die Brüder seiner Angebeteten wissen muss. Man hätte denken können, dass sie ihn gewarnt hat keine dummen Fragen zu stellen.
„Und was studierst du?“
„Physik“ Antworte ich mit vollem Mund.
„Ach Physik... Das hab ich in der Schule immer gehasst“
Wie ich diese Antwort verabscheue. Ich binde doch einem McD-Sklaven auch nicht auf die Nase, dass ich Hackkuh in labbrigen Brötchen als Kind nicht mochte. Die angespannte Stille am Tisch beweist mir, dass alle anderen um meine Verachtung gegenüber dieses Satzes wissen.
„Ja so geht es vielen“ halte ich mich zurück.
„Aber wo du doch vom Fach bist, wusstest du das die Indianer schon die Quantenmechanik kannten?“ Oh nein, so einer ist das, jetzt kann ich mir den Rest des Tages von ihm Schwachsinn über Dinge anhören von denen er keine Ahnung hat.
„Klar, aber wusstest du, dass Gespräche über dieses Thema im gefährlichen Maße Gehirnzellen vernichten?“
„Wie?“
„Du weißt doch sicher, dass Gehirnzellen bei bestimmten Aufgaben dauerhaft vernichtet werden. So verliert man beim Sprechen über Geschlechtsverkehr 3 Zellen pro Minute, bei Fachgesprächen über Autos fünf, und beim Diskussionen zwischen Physikern und Ungebildeten über die Quantenmechanik sollen schon einige ihren Kopf verloren haben“ Ich funkle ihn gereizt an. Avelin versteht was ich damit sagen wollte und versucht das Gespräch auf Hündchen zu lenken. Aber er bleibt hartnäckig.
„Also das mit dem Verlust von Gehirnzellen hab ich auch schon gehört,..“ So ein Klugscheißer. „Aber, dass es bei dem Thema so extrem ist wusste ich gar nicht.“
„Doch, doch. Besonders wenn Motorsägen im Raum sind.“
„Oh..“
„Und es kommt sogar noch schlimmer. Bei Gesprächen über Computer werden es sogar noch mehr.“
„Ich wusste schon immer, dass diese Dinger nichts gutes Bringen. Zum Glück habe ich keinen, und was haben die Teile uns auch je gutes gebracht? Frage ich dich.“
Ich kaue besser weiter. Jack wird auch auffallend still.
„Eben, nichts“, fährt er fort „die gesamte Technik ist ein Schritt in die falsche Richtung. In meiner Diskussionsgruppe zum Thema „Technik und Fortschritt“ ist es gängige Meinung, dass gerade die Technik in den Städten völlig überzogen ist, und man ohne Elektrizität in Großstädten besser leben könnte“
Der Typ meint das ernst.
„Ja und dann erst die moderne Fahrzeugtechnik“ Mal schauen zu welchen Aussagen ich ihn noch treiben kann.
„Der Ottomotor ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung gewesen, die Umweltverschmutzung kommt doch nur von unseren Fahrzeugen.“ Jack verschluckt sich, alle anderen schauen vorsichtshalber an die Decke.
„Was ja auch am modernen KAT liegt“ werfe ich ein. Jack kann vor lachen kaum noch essen.
„Ja, ganz meine Rede, deswegen hat mein Opel ja auch keinen. Diese Dinge haben den Treibhauseffekt potenziert. Und schuld daran ist nur die Gentechnik.“ Die Erklärung überrascht sogar mich, im Moment frage ich mich ob er mich veralbern will. Seine weiteren Ausführungen überzeugen mich davon, dass er es tatsächlich ernst meint.

Ich melde mich freiwillig das Kompott zu holen. Jack kommt natürlich mit. In der Küche mische ich, so das Jack es nicht sieht, Abführmittel in eine der Schalen. Natürlich weiß ich, dass er es trotzdem gesehen hat. Genauso wie ich gesehen habe, dass er auf einen der Griffe der Löffel ein wirklich hervorragendes Juckpulver gestreut hat. Das Zeug ist in der gesamten EU verboten. Wer den Löffel bekommt wird sich den Rest des Tages kratzen.
Um so erstaunter ist er, dass ich die präparierte Schale nicht vor ihn sondern vor Stefan stelle. Er schaut mich kurz verdutzt an. Ich nicke ihm zu und er legt den Löffel ebenso zu ihm.

Zur allgemeinen Mittagsruhe beschließe auch ich es mir vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Natürlich läuft zu dieser Tageszeit nur Schund, aber schließlich finde ich auf Eurosport Fußball. So freue ich mich, bei schonender Belastung, Entspannung zu finden. Stefan setzt sich zu mir. Ich ignoriere ihn in der begründeten Hoffnung, dass er bald aufs Klo muss.
„Willst du das sehen?“
„Ja“
„Schade“
Da ich weiß, dass mir die Antwort nicht gefallen würde frage ich ihn nicht.
„Ich würde nämlich gerne was anderes sehen.“
Ich nehme ihn mental entgültig in meine Ignorelist auf.
„Da kommt nämlich auf RTL so eine Gerichtssendung, und die würde ich gerne sehen.“
Er erwartet doch nicht etwa, dass er darauf tatsächlich eine Reaktion bekommt. Diese Gerichtsshows sind der stumpfste Blödsinn der momentan im Fernsehen läuft. Als ob ich mir schlechte amateurhafte Schauspieler ansehen will, die sich die Augen ausheulen weil sie dafür verklagt werden, dass sie die Scheune von dem puffbesitzendem Bauern abgefackelt haben, wobei eine preisgekrönte Kuh zu Barbecue verarbeitet wurde, und das alles nur weil er 1985 beim Kekswichsen in der DDR verloren hat. Bevor ich das mache bringe ich mich lieber um. Oder noch besser ihn.

„Weist du ich schau die so gerne, weil ich doch früher selbst zwei Semester Jura studiert habe, und das ist so praxisnah.“
Ich überlege ob ich ihm die Fernbedienung quer in den Hals rammen sollte. Als ob die Dinge irgendetwas mit der Realität zu tun hätten. Immerhin kann ich jetzt etwas über ihn heraus finden.
„Und dann hast du aufgehört?“ Er beginnt sich leidenschaftlich zu kratzen.
„Ja ich fand es nicht so fordernd wie mein Medizinstudium zuvor, und Theologie hat mich schon immer fasziniert.“
„Also machst du Theo?“
Nachdem er begriffen hat was ich mit Theo meine, meint er.:
„Nein, nein ich bin über Lehramt Englisch zur Philosophie gekommen, und das ist ganz toll.“
Also das Juckpulver wirkt definitiv, jetzt erwarte ich nur noch das Abführmittel.
„Und wie lange bist du schon in der Philosophie?“
„Schon drei Semester, und ich mach es auf jeden Fall weiter.“
Er verkneift das Gesicht, was ich als ein Zeichen dafür deute, dass ich bald meine Ruhe haben werde.
„Na dann kannst du ja endlich mit dem Taxi fahren anfangen.. Meinst du nicht, dass du aufs Klo solltest?“
Ein lautes Gurgeln aus seinem unteren Bereich bestätigt meine Vermutung. Und kaum einen Augenblick später bin ich ihn los.

Doch die Tür fällt nicht einmal zu bevor Jack herein kommt.
„Ein wunder, dass du es so lange mit dem Kerl in einem Raum aushältst.“
„Ja, das Wissen, dass er bald aufs Klo muss hat mich am Leben gehalten. Ich hoffe du hast..“
„Das Klopapier mit Juckpulver eingestreut? Ja hab ich.“
„Gut das wird sich perfekt mit dem Chilipulver mischen.“
Jack setzt sich zu mir und meint:
„Du bist noch immer ein genauso großer Bastard wie früher.“
„Japp, du auch. Aber um mir das zu sagen bist du nicht hier her gekommen.“
„Nein, es geht um Stefan.“
„Er ist ein Depp, aber es ist nichts neues, dass Avelin mit solchen Typen ankommt.“
„Er versteht einfach nicht, dass er hier unerwünscht ist.“
„Wie hast du denn versucht es ihm mitzuteilen?“
„Ach, dass übliche, LSD in seiner Wasserflasche, vier gleichzeitig platzende Reifen an seinem gammeligen Opel, Farbe im Haarwaschmittel..“
„Las mich raten, es hat eine Woche gebraucht bis er sich das erste mal mit der Farbe die Haare gewaschen hat?“
„Acht Tage. Ich hab ihm sogar im Traum eine Nachricht seiner Eltern zukommen lassen, dass sie sterben werden und so.“
„Der Trick mit dem Hanf, den Schauspielern, der alten Zahnbürste und der Lasershow?“
„Ja genau der.“
„Hm, der Typ ist zäh das muss man ihm lassen. Und genau lassen könnten wir das ganze auch, schließlich sind wir ja nicht daran Schuld, dass er ein Depp ist und hier rumhängt.“
„Ähm, doch sind wir.“
„Wie bitte?“
„Er ist der Sohn von dem Schlosser der Avelins Geburtstagsgeschenk wieder geöffnet hat.“
„OK, wenn das so ist arbeiten wir zusammen.“
„Waffenstillstand?“
„Bis der gemeinsame Feind bezwungen ist? Nein, ich hab da eine bessere Idee“
„Und die währe.“
„Ein Wettbewerb, jede Aktion gegen ihn bringt einen Punkt, wer die Aktion startet die ihn endgültig fliehen lässt bekommt noch mal fünf Punkte.“
„Ok, Einsatz ein Kasten Bier?“
„Ja.“
„Abgemacht!“

Am nächsten Morgen läutet ein lauter Knall aus dem Flur den Wettkampf ein. Schnell wird mir klar, dass Jack den Trick mit den explodierenden Latschen wieder verwertet hat. Es sei ihm gegönnt, obwohl es früher nie sein Stil war Dinge zu wiederholen.
Während Jack Stefan erklärt das es in seinen Schuhen wohl zu einer Gasexplosion gekommen ist warte ich auf meinen ersten Auftritt.
Stefan kommt auch promt noch immer leicht geschockt ins Wohnzimmer. Ich liege auf dem Sofa und schaue fern.
„Stefan kannst du mir bitte mal eben mein Handy rüber geben?“
„Ähm... Klar doch“
„Es ist da hinten am Ladekabel.“
Er greift nach meinem nagelneuem gebrauchtem Handy, was den Fernseher flackern lässt und schließlich ausstellt. Nach dem Stromschlag liegt Stefan auf dem Boden. Ich löse seine Hand vom Handy, und damit auch von den Drähten die ihm die 220Volt verpasst haben. Danach drehe ich die Sicherung wieder rein.

Eins zu eins.
Jack kommt zu mir ins Wohnzimmer.
„Willst du ihm nicht helfen?“
„Ne, dem geht’s gut, warum wieder die explodierenden Schuhe?“
„Den Sprengstoff gab es im Angebot“
„Ach so.“ Stefan wacht auf und erhebt sich.
„Stefan, wo bleibt mein Telefon?“
Wieder muss ich aufstehen und die Sicherung rein drücken.

„Zwei zu eins“
„Du benutzt ja auch das selbe.“
„Ja aber ich setze darauf, dass er so blöd ist und nicht aus seinen Fehlern lernt.“
„Oder auf eine kurzzeitige Amnesie durch den Stromschlag.“
„Ja“
Stefan ist wieder so weit.
„Geht es dir gut?“ frage ich ihn.
„Ja allellelless in O-O-Ordnung.“
„Gut dann gib mir bitte mein Handy.“
Drei zu eins, und Jack geht die Sicherung wechseln. Ich lasse Stefan vom Haken indem ich die Drähte abschneide, so dass sie ihm nicht mehr schaden. Er erwacht wieder und zieht sich mühsam hoch.
Diesmal bringt er mir unaufgefordert mein Handy.
„Danke jetzt brauche ich es nicht mehr.“, wimmle ich ihn ab. Er schleppt sich mühsam in die Küche. Einen Augenblick später verkündet ein lautes Scheppern das drei zu zwei. Ich schaue Jack fragend an.
„Ihm wird wohl beim versuch ein Glas zu bekommen der Stapel Kochtöpfe auf den Kopf gefallen sein, der seit gestern Abend auf dem Schrank steht.“
Stefan schleppt sich zu uns.
„Wo finde ich K-K-Kopfschmerztabletten?“
„In der Abstellkammer“ antwortet Jack wahrheitsgemäß.
„Da ist ein Schränkchen mit Medikamenten“ bestätige ich.
Die fallenden Koffer sind mein Punkt, der sinneserweiternde Asperinersatz Jacks. Während Stefan begeistert blaue Hasen durch die Küche jagt steht es vier zu drei für mich.

So gegen 11Uhr benimmt sich Stefan wieder normal. Er sieht zwar ab und zu grell gelbe Spinnen, aber das ist sein Problem. Auf jeden Fall schickt Jack ihn Kaffee kochen, und wir folgen Stefan in die Küche. Da ich die Kaffeemaschine nicht präpariert habe wird es wohl Jack getan haben. Also betrachte ich aus sicherer Entfernung das Schauspiel.
Stefan füllt die Maschine mit Wasser, und schüttet Kaffeepulver in den Filter. Das Anschalten bestraft die Maschine mit einer braunen Wolke aus Kaffee. Während sich der Staub legt notiere ich den vierten Punkt für Jack.
Stefan füllt derweil den Filter erneut mit Kaffee. Als er die Maschine diesmal anschaltet, rächt diese sich mit einem heißen Wasserstrahl.
„Schick, die verschiedenen Eigenschaften des Schalters.“ ich notiere Jacks fünften Punkt.
Während Stefan sich beim Versuch seine durch die Kaffeemaschine verursachten Verbrennungen zu Kühlen erneut verbrennt notiere ich den nächsten Punkt für Jack, der wohl das Kalte mit dem warmen Wasser vertauscht, und den Boiler auf „kochen“ gestellt hat.
Jack gibt dem schreiendem Stefan den Tip er soll es doch mit der Kühlsalbe versuchen, die er zufällig dabei hat. Die Salbe kühlt tatsächlich, und hilft auch gegen die Verbrennungen. Nur das Juckpulver darin bringt Jack seinen Punkt Nummer 7.

Nach einer kleinen Weile hat sich Stefan wieder halbwegs im Griff, und füllt die Maschine erneut mit Wasser. Der nächste Druck auf den Schalter, Stefan hat vorsichtshalber Deckung genommen um nicht wieder von einem Schwall Wasser getroffen zu werden, verabreicht ihm einen elektrischen Schlag. Ich gehe und Stelle die Sicherung wieder her. Außerdem steht es nun 8 zu 4 für Jack.

Als ich mit einem Wischlappen und einem Eimer für die Sauerei wieder in die Küche komme, hat Stefan sich schon wieder erholt. Zäh ist er, dass muss man ihm lassen.
„Dann kannst du ja die Sauerei die du hier angerichtet hast gleich sauber machen.“ Meine ich in einem Tonfall den ein Verschlafender Bundeswehr Offizier mit Geltungssucht beim Morgenapell nicht besser hätte treffen können.
Jack und ich verlassen die Küche, hinter uns flucht Stefan der wohl gerade den Sekundenkleber am Lappen bemerkt hat. 8 zu 5.

Auf bitten meiner Mutter bleibt das Mittagessen Unfallfrei. Nur beim kochen erscheint es Stefan zwischendurch, als würde meine Mutter ein Katzenbaby heuten und braten. Das schließe ich jedenfalls aus seinen Schreien als er die Küche verlässt. Leider geht der Punkt an Jack, auch wenn es mein Kätzchen war. Langsam wird es Zeit für den Abschluß.

Der Schlüssel ist, wenn ich den Spinner los werden will, Avelin.
„Sag mal ihr habt doch heute vier Monatiges Jubiläum?“
„Echt?“ Natürlich hab ich keine Ahnung.
„Soweit ich weiß ja.“
„Hm, naja das wird ihm egal sein, was sind schon vier Monate.“
„Echt, für einen Philosophen ist das die Magische Zahl. Aristoteles hat alle seine Beziehungen nach exakt 4 Monaten beendet, ebenso Schopenhauer.“
„Oh, du meinst, dass es bei ihm genau so ist?“
„Klar, hast du nicht bemerkt wie Abwesend er schon den ganzen Tag ist?“
Natürlich hat sie das, ist ja auch nicht schwer.
„Und was mach ich da?“
„Du musst ihm was schenken.“
„Und was?“
„Zum Beispiel ein Kätzchen.“
„Klar er mag Tiere, aber wo bekomme ich eins.“
„Ich hab gehört, dass bei Klausens welche verkauft werden.“
„Oh danke!!“
„Und vergiss die Karte nicht.“
„Karte?“
„Ja klar da muss schon eine Grußkarte dazu.“
„Stimmt am besten hänge ich sie dem Kätzchen um den Hals.“

Kaum eine Stunde später, bekomme ich das Kätzchen in die Finger und sprühe das Tier und die Karte mit Farbe ein die unter Schwarzlicht rot wird.
Als ich Stefan sehe sage ich ihm, dass Avelin ihm eine Überraschung in seinem Auto vorbereitet hat. Ich folge ihm nach draußen, Jack kommt aus begründeter Neugierde mit.
„Wo ist es denn?“fragt Stefan mich neugierig.
„Das hat sie nicht gesagt. Setze dich doch einfach mal rein.“
„Gute Idee.“
Er setzt sich ins Auto, ich gebe Jack ein Paar Ohrenschützer. Nachdem ich meine Aufgesetzt habe und Jack kontrolliert hat ob seine auch in Ordnung sind, tut er es mir gleich.
Stefan hat währenddessen ein Stück rotes Geschenkband gefunden, dass aus seinem Handschuhfach hängt. Natürlich öffnet er sofort das Fach.
Ein leises „KLICK“ eröffnet eine Folge aus 45 lauten „RUMS“. In seinem verrotteten Opel explodiert vom Kofferraum beginnend die Innenverkleidung. Jede Explosion hinterlässt eine kleine Beule im Blech. Plastiksplitter füllen den Innenraum. Stefan hechtet aus seinem Auto. Hektisch atmend liegt er auf dem Boden. In dem Moment kommt Avelin um die Ecke gerannt, sie wird den Krach wohl gehört haben. Sie hält das Kätzchen am Genick in der Hand. Um den Hals hängt eine mit Blumen verzierte Karte. Ich leuchte ihr mit einer Schwarzlichtlampe ins Gesicht.
Jack, Stefan und ich betrachten mein Werk. Das Kätzchen leuchtet im perfekten Blutrot, und sieht wie Abgestochen aus. Auch Avelin hat die Farbe in Flecken auf ihrem gesamten Körper (interessanter Weise besonders viel davon in ihrem Schritt). Am besten gefällt mir der große Schriftzug „Stirb zu Arsch“ auf der Karte.
Stefan scheint das nicht so zu gefallen. Ihm stockt der Atem und er starrt mit aufgerissenen Augen Avelin an. Langsam beginnen seine Stimmbänder auf das was seine Augen sehen zu reagieren. Er schreit, springt auf und rennt weg.
Avelin schaut uns verdutzt an.
„Ich weiß das ihr daran Schuld seid“ brüllt sie uns an.
„Japp.“ meine ich.
„Japp.“ bestätigt Jack.
Avelin zieht grummelnd ab.
„Nette Farbe.“
„Danke eigenes Rezept“ entgegne ich.
„Und das Auto?“
„Ich hab eine Aufnahme in Zeitlupe davon.“
Jack nickt anerkennend.
„Und es war der Rest von deinem Sprengstoff.“ Sage ich beiläufig während ich ins Haus gehe.
„Arschloch“ zischt mein Bruder.
Ich weiche an der Eingangstür der gespannten Bärenfalle aus, und lasse Jack mit seiner Wut und seiner Niederlage allein.

Am Abend sitzen wir mit ein paar Freunden und drei Kästen Bier vor dem Fernsehen.
„Beeindruckende Explosionskette.“ Lobt mich einer meiner ältesten Kumpels.
„Danke.“ Ich öffne das nächste Bier aus meinem Kasten, und genieße meinen Sieg.


Sonntag, 17. Februar 2008

STUNDFÜCK I

Hab zufällig was ausgegraben. Der Zettel lag in einem Stapel Zeug und war auf vergilpten PApier mit der Schreibmaschine getippt. Das Ding ist eine echte Bereicherung für jeden Vortrag. (die kursiven Kommentare sind von mir)


Wie man beim Formulieren unschlagbar wird

Jahrelang hat sich ein Beamter durch das etymologische Dickicht geschlagen, bis er auf eine bombensichere Methode stieß. Frustrierung in Befriedigung (formuliermäßig) zu wandeln. Das „Automatische Schnell-formulier-System“ stützt sich auf eine Liste von 30 sorgfältig ausgesuchten Schlüsselwörtern.:


     Spalte 1               Spalte 2                    Spalte 3

0   konzentrierte       Führungs-                  -struktur
1   integrierte           Organisations-           -flexibilität
2   permanente         Identifikations-          -ebene
3   systematisierte     Drittgenerations-      -tendenz
4   progressive          Koalitions-                -programmierung
5   funktionelle          Fluktuations-            -konzeption
6   orientierte           Übergangs-               -phase
7   synchrone            Wachstums-              -potenz
8   qualifizierte         Aktions-                   -problematik
9   ambivalente         Interpretations-        -kontingenz



Die Handhabung ist einfach: Denken sie sich eine beliebige Zahl mit drei Stellen und suchen Sie die entsprechenden Wörter in jeder Spalte auf! (ihr könnt euch auch von euren zuhöhrern welche sagen lassen, um den Spaß zu erhöhen) Die Nummer 257 ergibt z.B. „permanente Fluktuationspotenz“ ein Ausdruck, der praktisch jedem Bericht eine entschiedene, von Fachwissen geprägte Autorität verleiht. Keiner wird im entferntesten wissen, wovon Sie reden, (keiner wird ihnen zuhöhren) aber entscheidend ist, dass niemand wagen wird, es zuzugeben.

Freitag, 15. Februar 2008

Im Zug

Ich bin auf dem Klo um mich zu beruhigen. So eine Zugtoilette ist sehr beruhigend, jedenfalls wenn man es mit Klopapier vollstopft und zuschaut wie es mit jeder weiteren Spülung vollläuft. Und schließlich wie der Rheinfall aus der Schüssel auf den Boden fließt. Mit der nötigen inneren Ruhe und nassen Schuhen, gehe ich zurück in mein Abteil. Dort sitzt der Grund warum ich mich beruhigen musste.

Als ich mich kurz nach dem Zustieg auf meinem reservierten Sitzplatz niedergelassen habe war mir sofort klar, dass die Fahrt ansträngend werden würde. Mit mir in dem sechs Personen Abteil sitzt eine ältere Frau, zwei dicke Herren und eine junge Brünette, die der einzige Lichtschein in diesem trüben nichtraucher Abteil ist. Und sie alle fahren ebenso wie ich bis Hamburg. Dies bedeutet, dass der Raum zu voll ist, und zwar die gesamte Strecke. In diesen Abteilen ist es möglich die Sitze so weit vor zu ziehen, dass gegenüberliegende Sitze zusammen stoßen und so eine Liegefläche bilden. Diese Fläche ist natürlich für drei Menschen gerade groß genug, bei vieren wird es eng, und bei fünfen unmöglich.

Aber mit dem Umstand die Nacht über sitzen zu müssen kann ich leben, nicht leben kann ich mit der älteren Frau neben mir. Diese versucht nämlich seit geschlagenen zwei Stunden mir ein Gespräch über die Errungenschaften der afrikanischen Ureinwohner auf dem Gebiet des Balletts aufzudrängen. Das schlimmer daran ist, dass ich selbst mit daran Schuld bin. Schließlich habe ich ihr erzählt, dass ich modernes Ballett studiere. Schon vor Jahren habe ich gelernt, dass ich auf Fragen nach dem was ich so machen würde nie die Wahrheit sagen sollte. Damals habe ich wahrheitsgemäß auf so eine Frage geantwortet mit dem Ergebnis, dass ich mich mitten in der Nacht drei Stunden lang anhören musste, dass die Indianer schon alle Prinzipien der Quantenmechanik kannten. Bei der nächsten Nachtfahrt beantwortete ich die Frage damit, dass ich ein Sonnenstudio besitzen würde. Auf die Frage warum ich dann selbst so blass wäre sagte ich damals, dass ich ja wisse wie gefährlich der Kram sei, und ich mich dem doch nicht aussetzen würde. Darauf folgten dann zwei Stunden Diskussion über die schädliche Wirkung der Mikrowelle auf die Ozonschicht.

Nun ja, dieses mal halt Afrikaner und Ballett. Mist.
„..und die Afrikaner haben durch die Entwicklung der Figur des sterbenden Schwans ihre freiheitlichen Bestrebungen verstärkt, und könnten sie sich ein Ballett ohne diese großartige Figur vorstellen?“
„Ja besonders die frühen Werke des Bela B. wären ohne die Einflüsse des afroamerikanischen Tanzes nicht denkbar gewesen.“
„Ja gerade bei Bela Bartok ist diese Entwicklung deutlich.“
„Oh Entschuldigung ich sprach nicht von Bela Bartok, sondern von Bela B dem Berliner Punkmusiker.“ Bei dem Wort Punk dreht sie sich verächtlich weg.
Es folgt eine Rede über die Schwarzen die mit ihrer Wertvorstellung das Judentum beeinflusst haben. Ich höre nicht zu, sondern überlege fieberhaft wie ich diese Person loswerden könnte, am besten auch die anderen.

Ich schaue mich um und stelle fest, dass die beiden Kerle schlafen Das Mädchen schaut entnervt aus dem Fenster. In dem Moment hält der Zug in Würzburg, und kurze Zeit später steht eine Frau in der Tür die die andere Frau fröhlich begrüßt. Nicht nur, dass das Abteil jetzt komplett voll ist, auch haben wir zwei ältere Weiber die bis Hamburg durchgehend quatschen werden. Keine Frage es muss etwas passieren.

Der Umstand der zu kleinen Gepäckablagen kommt mir zu Hilfe. Die Neue mit zwei großen Hartschalenkoffern bemerkt ziemlich schnell, dass sie diese nirgends unterbringen kann.
„Können wir da nicht noch den Rucksack“ KRACKS „Oder da“ KRMPF „Aua mein Kopf“ KRITZ
Darum beschließt sie richtiger Weise, dass diese auf den Gang müssen.
„Schade dann stell ich sie halt raus.“
„Darf ich ihnen die Koffer wegräumen.“ biete ich mich als echter Gentleman an, dafür ernte ich einen verachtenden Blick von der jungen Brünetten.
„Aber gerne“
„Wo sollen die denn genau hin?“
„Ach einfach raus.“
„Ok“ Ich stelle schnell noch die Koffer nach draußen, da fährt der Zug auch schon weiter.

Nun sitzen wir tatsächlich wie die Bierflaschen im Sixpack, und zwei der Flaschen quatschen unentwegt über ihre Kinder die ja so viel erreicht haben. „Ach und mein Bernd ist auch schon wieder aus dem Gefängnis raus.“ „Ach ja Michi hat ja nun Lebenslänglich bekommen, dabei war das mit der Bombe unter dem Auto seiner Ex-Freundin wirklich ein Versehen“ „Ja sowas passiert ja beinahe täglich.“
Immerhin hat das ganze den Vorteil das einer der Männer nun das Abteil Richtung Bordrestaurant verlässt. Ich gehe prophylaktisch hinterher. Natürlich nur um zügig zurück in das Abteil zu gehen und sein Gepäck zu versorgen.
Ich erkläre den anderen, dass der Mann einen anderen Sitzplatz gefunden hätte, und ich ihm seine Sachen nachtragen soll. Dann stelle ich seine Koffer in das nächste Klo und durchsuche sie nach einer Fahrkarte, er hat sie mitgenommen. Naja, es geht auch so. Ich suche einen Schaffner.

„Ich hab da was gesehen, dass ist unglaublich!“ begrüße ich den Zugbegleiter.
„Wah?“ eindeutig ein Sprachgenie, aber egal.
„Da hat jemand sein Gepäck auf einer der Toiletten unter gestellt.“
„Und?“
„Ich mein wenn da schon die Klamotten stehen dann frag ich mich wo der Besitzer wohl ist.“
„Wohl im Zug.“ Er kapiert es nicht.
„Vielleicht fährt er auch ohne Fahrschein auf dem Klo mit?“
„Aber wieso sollte?“ Der Typ ist wirklich zu schwer von Begriff.
„Weil er sonst ca 120€ für die Fahrt berappen müsste?“
Man hört den Groschen deutlich fallen.
„Aber warum auf dem Klo“ Fragt sich nur wohin er gefallen ist.
Nachdem er irgendwann begriffen hat warum jemand die Zugzeche auf dem Klo prellen sollte, begleitet er mich zum Örtchen.
Dort kommt uns auch mein, schon bald Ex-, Mitfahrer entgegen. Perfektes Timing.

„Das ist er“ rufe ich und der Schaffner hält das Opfer auch sofort an.
„Was bin ich“
„Der Schwarzfahrer“
„Aber ich fahre nicht schwarz“
„Und was machen dann ihre Koffer auf dem Klo?“
Er schaut auf das Örtchen und erkennt natürlich sein Gepäck.
„Ja das sind meine Taschen.“
„Genau, und was machen die hier?“ langsam kommt der Schaffner auf Touren.
„Das weiß ich auch nicht.“
„Den Fahrschein bitte.“
Der Mann kramt in der Gesäßtasche nach seinem Portmonee, als er es draußen hat stolpere ich ganz zufällig, und reiße ihn um. Wir beide landen im Abschnitt zwischen den Wagons. Wo seine Geldbörse ganz aus versehen zwischen die Lamellen rutscht und so den Zug verlässt.
Ich entschuldige mich, dass ich wegen des plötzliche Bremsens des Zuges gefallen bin. Natürlich kann sich niemand an das Bremsen erinnern, aber der Schaffner will erstmal die Fahrkarte sehen.
Die weiteren Erklärungen, ich hätte ihm das Portmonee mit Papieren und Fahrkarte aus der Hand geschlagen, lenken den Verdacht nur noch mehr auf ihn. Und da er sich standhaft weigert seine Personalien vor zu legen, wird er schließlich von einem weiteren Zugbegleiter in Gewahrsam genommen.

Zurück im Abteil muss ich berichten, dass der Arme wohl ohne Fahrkarte gefahren ist und nicht zurück kommen wird.
Das fahrkartenlose Fahren eines Mitbürgers veranlasst natürlich alle nicht schlafenden Fahrgäste nach ihren Karten zu suchen. Bis auf das junge Mädchen, die lächelt mich kühl an. Die beiden anderen Frauen durchsuchen aufgeregt ihre Taschen nach ihren Tickets.
Wobei die Neue natürlich feststellt, dass ihre Karte wohl im Koffer ist.
Und selbstverständlich muss sie ihre Karte jetzt sofort haben.
„Sagen sie wo, haben sie denn meine Taschen hingestellt?“
„Raus“
„Auf den Flur?“
„Äh nein.“
„Ins Gepäckabteil?“
„Sowas gibt es hier nicht mal“
„Nun sagen mir schon wo meine Koffer stehen!“
„Würzburg“
„Was?“
„Wenn sie es genauer brauchen, Gleis 7“
„Sie haben..“
In dem Moment bremst der Zug mit voller Kraft ab, was wenigstens alle anderen weckt.
Einen Atemzug später stehen drei schwer bewaffnete Polizisten vor unserem Abteil. Die gerade Zugestiegene wird brutal raus gezerrt und auf dem Boden liegend mit Handschellen versehen. Natürlich verlangt ihre Freundin nach Auskunft.
Einer der Beamten erklärt uns, dass ihre Taschen auf dem Würzburger Bahnhof einen Bombenalarm ausgelöst hätten.
„Wie Bombenalarm“ fragt ihre Freundin während die Beschuldigte abgeführt wird.
„Das erklärt natürlich auch das Gespräch über Sprengstoff was die Beiden vorhin geführt haben“ werfe ich ein.
Der Mann in grün wird sofort hellhörig.
„Wie bitte?“
„Ja die beiden haben vorhin darüber gesprochen, dass sowas ja wirklich alle Tage vor käme.“
Die Brünette bestätigt es lächelnd, der Mann gibt an geschlafen zu haben.
Nachdem beide Frauen abgeführt wurden, setzen wir die Fahrt mit einer guten Stunde Verspätung fort.

Das Abteil ist nun mit drei Personen sehr gemütlich, und ich liege neben dem brünetten Mädchen. Unser wirklich netter Plausch wird vom Schaffner unterbrochen.
„So nach der ganzen Aufregung, möchte ich nun mal die restlichen Fahrkarten sehen.“
Ich gebe ihm meine Karte und Janette (japp, so heißt die kleine) fällt spontan in Tiefschlaf. Wehrend er auch noch meine BahnCard sehen will, sucht der letzte verbliebene Mann seine Fahrkarte.
Der Schaffner, der inzwischen sein Pflichtbewusstsein gefunden hat, bittet mich meine kleine Freundin zu wecken. Ich beuge mich über sie.
„Die Fahrkarte“
„Hab ich nicht“
War ja klar. Ich setzte mich hin und schaue mich um. Diese Angewohnheit die noch nie Probleme beseitigt hat bringt mir heute tatsächlich mal was.

Während der Mann immer noch in seinem Gepäck wühlt, ziehe ich die Lösung meiner Probleme aus seiner hinteren Hosentasche. Ich gebe das gerade gewonnene Ticket dem Schaffner, welcher brav stempelt danach wende ich mich wieder meiner neuen Bekanntschaft zu.
„Woher hast du die Karte“ raunt sie mir zu.
„Das ist seine“ flüstere ich zurück.
Dafür bekomme ich eine spontan Umarmung.
Hinter dem Schaffner, welcher den doch sehr überraschten Schwarzfahrer raus führt, schließe ich die Tür, und ziehe die Gardienen zu.

Der Rest der Fahrt verspricht sehr gemütlich zu werden.

Mittwoch, 13. Februar 2008

Fahrkarte

Da immer noch Semesterferien sind, oder besser gesagt vorlesungsfreie Zeit, will ich mal eben auf einen mehrwöchigen Besuch zu meinen lieben Erzeugern fahren. Nachdem ich keinen dieser tollen vierrädrigen Benzinschlucker besitze, muss ich wohl oder übel die Deutschen Bahn nutzen. Die hat wenigstens mehr als vier Räder, macht aber dafür auch genau so viel mehr Mist, wie sie Räder hat. Eine besondere Freude ist die sieben Stunden Zugfahrt immer, schreiende Kinder, nörgelnde Rentner, besoffene Wehrdienstleistene und noch so viele andere nette Menschen, die alle wegen der einen oder anderen Geisteskrankheit weg gesperrt gehören.

Vor jeder dieser Fahrten steht der Erwerb einer Fahrkarte. Diesmal habe ich mich, um den Spaß zu erhöhen, für die Wahl eines Nachtzugs entschieden. Außerdem hat man so die Chance, dass wenigstens 50% der, ach so netten, Geistesgestörten schlafen und dabei so schnarchen, dass man selbst keine Ruhe findet.

Um dieses Ereignis einzuleiten muss zuerst eine Fahrkarte her. Als Mensch der von Technik allgemein Ahnung hat entscheide ich mich natürlich für den Fahrkartenautomaten, welcher zwar nicht mit Windows läuft, aber trotzdem nicht funktioniert. Der Automat nebenan funktioniert zwar, reagiert aber so langsam, dass ich nach jeder Berührung des Touchscreans genug Zeit habe einen Kaffee zu kaufen, ihn wegen Kälte zu reklamieren und den Neuen, nach dem Trinken, auf das versiffte Bahnhofsklo zu tragen.

Nach etwa einem Drittel der Menüpunkte habe ich keine Lust mehr auf die Entdeckung der Langsamkeit und gehe zum Schalter. Natürlich ist es keine gute Idee eine Fahrkarte am Fahrkartenschalter zu kaufen, zum einem wird es garantiert noch länger dauern als am Automaten Außerdem lassen die, meist weniger schönen, Bahnangestellten an jeglicher Freundlichkeit fehlen.
So werde ich, wie erwartet, mit einem freundlichen „Gehen sie an den Automaten“ begrüßt.
Natürlich reagiere ich auf diese Nettigkeit mit einem eben so freundlichen:
„Geben sie mir einfach ne Karte nach Hamburg für den Zug, Freitag Nacht.“
„Gehen sie an den Automaten.“
„Sie sind doch da um mir eine Fahrkarte zu verkaufen, oder?“
„Ja“
„Dann machen sie das auch“
„Nein“
Gut, ich ziehe den Stecker ihres Monitors, und gehe zum ebenfalls freien Schalter nebenan.
„Ich hätte gerne eine Karte...“
„Geh'n s'e an den Automaten“
Stecker raus, und weiter zum nächsten Schalter.
„Ich hätte gerne ei..“
„Gahn's zu..“
Der nächste Stecker, der nächste Schalter.
Als ich beim letzten Schalter angelangt bin fällt der Frau vom zweiten Schalter auf, dass irgendwas bei ihrem PC nicht stimmt. Ich hätte gedacht, dass es länger als drei Minuten dauert, bis einer der Frauen merkt, dass ihr Bildschirm schwarz ist. Was natürlich dazu führt, dass die drei anderen auch merken, wie schwarz ihr eigener Bildschirm gerade ist.

Unbeirrt des drohenden Hühnerstallzustandes bitte ich die Frau am letzten Schalter freundlich um die besagte Fahrkarte. Freundlich bin ich zum einen, weil ich ja noch eine Fahrkarte haben möchte, und zum anderen weil die junge Frau noch Auszubildende ist, und relativ gutaussehend. So wie es aussieht ist sie noch ziemlich am Anfang ihrer Ausbildung. Jedenfalls hat sie noch nicht gelernt mich anzupflaumen. Sie hakt die Zugverbindung und das Datum mit einer unglaublichen Geschwindigkeit in die Tastatur, mit einem Tastenanschlag pro Minute. Dabei hockt sie mit der Nase zwei Zentimeter über der Tastatur und spricht laut mit welche Taste sie drückt . In den nächsten Ausbildungsjahren wird sie sicherlich ihre Sitzhaltung enorm verbessern können, und ihre Tippgeschwindigkeit wird sich wohl auf die für die Bahn üblichen drei Anschläge pro Minute, erhöhen, und das dann sogar leise.
„R.......e......“

„Aber eben ging das doch noch..“ „und jetzt ist alles ganz schwarz“ „vielleicht muss man mal dagegen klopfen“ KLONK „ne hat nichts gebracht“ „vielleicht etwas stärker?“ KLONK KRITZK „ne auch nich“ „Ich frag mal den Chef“
Wie geahnt gackern die Frauen wie Hühner auf der Stange nach erfolgreicher Eiablage.
„Hamburg, war das?“ Holt mich meine Fahrkartensachbearbeiterin zum eigentlichen Problem zurück.
„Ja Hamburg“
„H.......a...............m....“

Nebenan versucht eine der Frauen ihren Chef zu erreichen, während sich die anderen Drei aufgeregt über die gestrige Folge irgendeiner Telenovela unterhalten.
Für alle die des aktuellen Fernsehfachvokabulars nicht mächtig sind, eine Telenovela ist nichts anderes als die gute alte Seifenoper-Schmachtfetzen-Hirnmater, wie sie schon seit Jahren auf allen Kanälen läuft. Normalerweise geht es darum, dass die mies geschauspielerte Figur A ein vollkommen abstruses Problem mit der genauso mies geschauspielerten Figur B hat, mit C schläft und dann in Folge 376 Figur A heiratet. Zwischendurch gab es dann noch beliebig viele andere Figuren die mit belanglosem Kram Sendezeit verbrauchen, und Hirnzellen vernichten. Meiner Meinung nach sollte im Fernsehen permanent ein Zähler mitlaufen, welcher einem sagt wie viele Gehirnzellen bei dem letzten Satz in die ewige Denkpause gegangen sind.
„Und Kevin will ja nun tatsächlich Birgit heiraten..“ „Wo die sich doch früher immer wegen des Dackels so gestritten haben“ „War das nicht Marianne?“ „Nein das war doch die Sache mit dem Toaster und dem U-Boot“ „Wo Kai dann..“ „Was Lesande dazu wohl sagen wird“ „Ach das wird wieder spannend“

„....g.“ Oh, sie hat Hamburg fertig.
„Wann möchten sie fahren?“
„Mit dem Nachtzug, Samstag um 0.19Uhr“
„Hm, Samstag....“ Sie schiebt die Maus mit beiden Händen Vorsichtig zu dem zu klickendem Ziel, hält dann mit einer Hand die Maus fest, um mit der anderen Hand auf die linke Maustaste zu drücken. KLICK. In der Hälfte der Fälle scheint das System zu funktionieren.
Währenddessen ist der Chef aufgetaucht und schaut sich das unmögliche Technische Mysterium an, welches gleich vier der fünf besetzten Schalter betroffen hat.
„Sie müssen nur die Maus bewegen.“ Er kennt das Prinzip eines Bildschirmschoners, er muss ein echter Fachmann sein.
„Aber das hilft nicht“
„Drücken sie eine Taste.“
„Welche?“
„Irgend eine.“
„Die hier?“
„Ja!!“
„Geht auch nicht.“

Inzwischen hat meine Kartensklavin es geschafft den Zug zu finden.
„Haben sie eine Bahncard?“
„Ja“ schieb, schieb, schieb klick.
„Sie müssen reservieren“
„Ja, Sitzplatz, Nichtraucher, Abteil“
„Möchten sie Raucher oder Nichtraucher?“ Habe ich nicht gerade?.. ach egal.
„Nicht rauchen, brennen ist besser?“ Sie schaut mich verständnislos an.
Nebenan schüttelt der Chef jede Tastatur, ohne jegliche Wirkung.
„Was haben sie den gemacht, als es nicht mehr ging?“
„Nichts“
„Ah verstehe.“ Sogar er ist es gewohnt, dass die vier nichts machen.
„Ähm..“ Die leicht überforderte Kartengebeperson vor mir meldet sich wieder.
„Raucher oder..“
„Nichtraucher.“
„Und möchten sie einen Sitzplatz, Lige...“
„Sitzplatz“ wenn ich ihr jetzt sagen würde, dass ich lieber eine weibliche Liege reservieren würde, und was die denn so an Aufpreis kosten wenn diese große primäre Merkmale hat, dann würde ich sie sicher wieder überfordern. Und ich will ja heute noch meine Fahrkarte haben.
„Abteil oder Großraum?“ Langsam nervt es, aber auf diese Frage gibt es nur eine vernünftige Antwort.
„Ja.“

Während sie grübelt was sie mit der Antwort anfangen soll, schaue ich mir an wie der Chef versucht die Problem zu lösen, welche die vier Frauen mutwillig verursacht haben. Natürlich sind die vier daran Schuld, sie haben mich schließlich dazu gezwungen eine solch milde Strafe zu verhängen. Er jedenfalls beschließt jetzt den Bahneigenen Techniker anzurufen und bis der kommt in die Mittagspause zu gehen.
„Schön, dann können wir ja auch gehen..“ „Oh, ja da gibt es diesen tollen neuen Italiener..“ „Aber das ist nicht gut für meine Figur“ „Und dann hat doch Marianne tatsächlich mit Kevin..“ „Nein, ihr bleibt alle hier an euren Plätzen. Die Kunden müssen auch in Krisenzeiten königlich versorgt werden.“
Der Standpunkt des Chefs stammt ohne Zweifel aus einem Managementbuch für Kurzentschlossene. Und der Inhalt seiner kurzen ergreifenden Ansage ist bei der Bahn zutiefst illusorisch, und so absurd, dass nicht einmal ich darüber wirklich lachen kann.

„Ähm, also Großraum“ Zieht meine Fahrkartenbeschaffungsagentin die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Nein“
„Aha“ Pause,
„Also“ noch längere Pause.
„dann“ gleich muss es kommen.
„...“ Wohl doch nicht.
„Abteil“
„Genau.“ Das war schwer, aber jetzt ist es ja fast geschafft.
„Möchten sie mit Karte zahlen?“ Ich lege ihr meine Karte auf den Tisch.
„Oder bar?“ ich deute wiederholt auf die Karte.
Eigentlich sollte sie jetzt einen Geldbetrag von meiner Kreditkarte abbuchen mit dem sich eine russische Großfamilie einen Monat lang ernähren kann. Aber stattdessen blickt sie sinnentleert in die andere Ecke des Raumes. Dort steht der gerade eingetroffene Techniker, ein junger Mann mit ansetzendem Haarverlust, der seinerseits zu uns herüber starrt. Ich winke. Keinerlei Reaktion von ihm oder ihr. Ich trommle „Love is in the air“ auf dem Tisch, die entrückte Bahnfrau vor mir beginnt zu wippen und leise zu pfeifen. Er starrt weiterhin durch den Raum.
Leider wird diese vorbildlich schnulzige Szene von dem vordersten Fahrkartenverkaufsweib unterbrochen, die den Techniker zur Arbeit auffordert.
Als, noch leicht verwirrter, echter Profi versucht dieser natürlich zuerst alles das, was beim Chef vorhin auch schon nicht funktioniert hat. Dann testet er ob der Monitor eingeschaltet ist. Jetzt wundert er sich warum es trotzdem nicht geht und beschließt erstmal eine Pause zu machen. Natürlich nicht ohne zwischendurch verschmitzt zu der jungen Frau rüber zu schielen die gerade versucht den immer noch fälligen Betrag von meiner Karte zu buchen.

„und dann hat doch Kevin...WO WOLLEN SIE DEN HIN??!“ wird der Techniker unterbrochen der schon vor einer Weile das Gehen durch leichtes Schweben ersetzt hat. „Ein Kaffee..“ „Und was ist mit den Rechnern?“ „Die können später“ „Wie können hier nicht arbeiten und SIE gehen Kaffee trinken?!“ „Aber,..“ „Nichts da sie bleiben hier“ Die Aufregung ist durchaus verständlich, schließlich können die vier ja auch nicht Aufhören bevor ihre Rechner nicht laufen. Der Arme tut mir wirklich leid. Nicht nur, dass er aus seiner Kaffeepause gerufen wird (er hatte garantiert gerade Pause) dann muss er auch noch zwischen vier Hühnern auf der Stange sitzen und sich hirnzerreibenes Gelaber anhören. Und zu allem Übel wird er dadurch noch abgehalten die Prinzessin, die er gerade für sich entdeckt hat, zu retten.
„Vielen Dank, und gute Reise mit der Deutschen Bahn.“ Sie hat es tatsächlich geschafft mir meine Fahrkarte zu verkaufen, und versucht mich nun mit der patentierten Bahn-Standardfloskel los zu werden. Ich küre sie zur Fahrkartenverkaufsheldin des Tages.

„Ich werde es in vollen Zügen genießen.“ Antworte ich ihr und warte ob sie den Witz versteht.
Sie versteht ihn nicht, was zum Teil daran liegen dürfte, dass sie mir nicht zuhört sondern verzückt auf den Hintern des Technikers schaut, welcher gerade unter dem Tisch nach den Rechnern sucht.
Ich gehe den Techniker aus seiner Misere befreien. Inzwischen ist auch der Chef wieder zurück, und während er sich Brokkoli aus den Zähnen kratzt, meckern die vier Frauen auf die Technik, und das ja nichts funktioniert, und das im Fernsehen das ja alles besser ist und was er den für ein Techniker sei der nicht einmal so einen einfachen Monitor reparieren könne. Bla.. Bla.. Bla..

Als der Techniker wieder unter dem Tisch hervorkommt, stelle ich sicher, dass ich seine volle Aufmerksamkeit habe. Ich muss ihm dafür kräftig auf den Fuß treten damit er die Augen von seiner bevorzugten Doppel X-Chromosom Trägerin löst.
Ich raune ihm zu, er solle doch mal die Stecker checken.
„Wieso die Stecker?“
„Weil die raus gezogen sind.“
Ein Blick zeigt ihm, dass es stimmt was ich sage.
Er steckt die Stecker rein und natürlich funktioniert alles wieder sofort.
„Und was war es nun“ fragt der Chef.
„Die Stecker waren nicht drin“
„Und dann geht nichts mehr?“
„Genau“ beantwortet er mit erstaunlicher Gelassenheit die unnütze Frage.
„Wer zieht den sowas raus?“
Da ich sowieso noch hinter dem Techniker stehe, meine ich, dass es vielleicht jemand gewesen sein könnte der auf kosten der Bahn einen arbeitsfreien Tag haben wollte.
„Aber wer sollte den das sein?“
Da der Techniker wenigstens verstanden hat was ich damit sagen wollte, zeigt er stumm auf die Vier hinter den nun wieder flimmernden Monitoren.
Während der Chef sich aufregt, dass es ja wohl nicht sein könne, dass Angestellte ihr Arbeitsgerät sabotieren um nicht arbeiten zu müssen, fixiert der Techniker sein bevorzugtes Objekt im Raum.
„Dagegen war ihre Kollegin, sehr hilfsbereit.“ Verweise ich auf die eben jenes Objekt, welches mir zuvor die Karte vertickt hat.
„Gut, als Belohnung für gute Arbeit bekommen sie den restlichen Tag frei und ihre arbeitsscheuen sabotierenden Kolleginnen werden die Schicht bis 21Uhr fortführen.“ Entscheidet der Chef in einem Anflug von Weisheit.

„Aber, dann verpassen wir ja Alles neue, alles Leute!“ Während ich mich frage ob es Leute gibt, die diese Sendung mit den Anfangbuchstaben abkürzen, tönt der Chef dazwischen.
„Sie können froh sein, dass sie noch Arbeit haben.“
Ich schiebe derweil den Techniker vorsichtig zu dem Schalter hinüber, an dem die bessere Bahnbedienstete zusammen packt.
„Hätten sie nicht Lust mit uns noch einen Kaffee trinken zu gehen“ Ich schiebe den Techniker vor, welcher wie ein Honigkuchenpferd lächelt.
Die beiden blicken sich wieder einmal Wortlos an.
„K..A..F..F..E..E!“ buchstabiere ich dazwischen.
Beide nicken und begleiten mich ins nächste Cafe wo ich mich wegen einem wichtigem Termin verabschiede.

Währe mit den beiden für mich sicher langweilig geworden. Für mich, für die beiden wohl nicht.


Dienstag, 12. Februar 2008

Nachbarn

Wieder trägt jemand lehre Kartons durch den Flur. Gleich wird er seinen Kram darin verstauen und dann dieses Stockwerk und seine Bewohner für immer verlassen. Und wieder ist es mein Nachbar.
Und wie immer bei solchen Gelegenheiten stehe ich im Flur und schaue zu wie mein Ex-Nachbar seine Sachen in Kartons auf den Flur stellt.

„Sag mal Gerald, warum ziehst du eigentlich aus? Du warst doch grad erst 13 Tage da?“
„Ja... ähm.... mir gefällt's hier halt nicht.“
Er schaut sich angsterfüllt um. Sowieso waren aus seinem Zimmer quasi seit der ersten Nacht angsterfüllte Schreie zu hören. War richtig unheimlich.
Für ihn.
„Es liegt wohl an uns?“
„Nein, nein, es ist eher ER“ Und er deutet in sein Zimmer.
„Wer?“
„Na, ER eben. “ Gerald wirkt besorgt. Eine Taube landet auf dem Balkon, und er zuckt zusammen.
„Du siehst doch Gespenster“
„JA! Ich mein nein, ER schreibt dinge an die Wände, und ich hör IHN tuscheln.“
„Du spinnst doch“
„Doch, es glaubt mir nur keiner aber ER ist da!!“
„Zeig mal.“ ich betrete das Zimmer und verkünde stolz, dass hier nichts ist.
„Du musst es Dunkel machen, im Licht kommt ER nicht“, antwortet Gerald verängstigt von der Tür. Ich verdunkele die Fenster, alles bleibt still. Gerald betritt vorsichtig den Raum.
„Und wo schreibt ER nun was an die Wände?“
„Ge...genau hinter dir.“ Ich drehe mich um und sehe nichts.
Plötzlich rennt Gerald schreiend aus dem Raum. Wieder einer, der fluchtartig dieses Wohnheim verlässt, 15 allein aus dem Zimmer neben mir in den letzten 24 Monaten. Und wieder einer der offensichtlich Geisteskrank ist.

Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Nachbar hier. Er hieß Christian trug ausschließlich Flanellhemden und lebte knapp 3 Wochen neben mir. Es war damals eine seltsame Sache.
Ich saß in der Küche. Er kam herein und verwickelte mich in ein Gespräch über Computer. Damals war ich noch jung und unerfahren. So bemerkte ich erst als er mir sein Problem schilderte, dass er keine Ahnung hatte. So ging seine Uhr im PC falsch und zwar jedes mal, bei jedem Systemstart. Ich hab ihm damals nur so zum Spaß gesagt, dass es an den resonanten Interferenzen seines PC-Gehäuses mit der Zimmergröße liege. Es würden sich nämlich stehende Wellen aufbauen, die die Einstellungen der PC-Uhr stören. Er hat es mir geglaubt. Rein aus jugendlichem Leichtsinn hab ich damals gesagt, dass er seinen Rechner 4cm unter die Decke hängen könnte. Was das Problem kurzzeitig beheben würde. Nur um zu probieren wie weit ich gehen könnte, sagte ich ihm, dass sich das Ganze aber über Kurz oder Lang auf alle anderen Uhren im Raum ausbreiten wird.
Das letzte Argument habe ich mit dem Verstellen seiner Uhren in den darauffolgenden Wochen bestärkt. Er musste das Zimmer damals verlassen als er versuchte fünf Millimeter von all seinen Wänden ab zutragen um, wie er sagte, die bösen Interferenzen zu zerstören.

An den Zweiten kann ich mich kaum noch erinnern. Ich glaube er kam damals zu mir weil sein Radioempfang so schlecht war, und was er da machen könne. Ich glaube ich habe ihm damals, unter Beeinträchtigung eines starken Katers der aus einem enormen Absinthrausch resultierte, folgendes geraten. Er solle doch in den Stadtpark gehen und das den Bäumen erzählen anstatt mich hier zu belabern. Die würde nämlich mit ihren Ästen das Signal einfangen. Und er solle den doch sagen sie sollen sein Signal wieder raus rücken. Schließlich weiß doch jeder, dass Bäume fühlende Wesen sind und Volksmusik lieben. Ich hingegen konnte seinen Krach damals überhaupt nicht ertragen, was wohl auch der Grund war, warum ich seine Antenne befreit habe.
Er wurde damals in die Klapse gesteckt weil er im Stadtpark die Bäume angeschrien hat. Es gibt seltsame Leute.

Irgendwie entwickelte sich das Ganze dann zu einem Hobby. Jedenfalls ist es diesem Hobby zu verdanken, dass neben mir in ziemlich genau 24 Monaten, eben genau jene 15 Leute ein und auszogen.

Am unkreativsten war ich wohl bei Harald damals. Harald war einer der typischen BWL-studierenden Krawatten-und-rosa-Polohemd-Träger, der dazu auch noch immer so komisch roch. In etwa so wie ein vermodernder Biber. Was wohl an dem vermodernden Biber lag, den irgendwer hinter die Verkleidung seiner Heizung getan hat.

Spaß gemacht hat auch Uli. Uli studierte Germanistik im ersten Semester und war so auf dem besten Weg zum Arbeitslosen. Er hatte seltsamer Weise extreme Probleme mit Mücken. Er hatte permanent Unmengen an Mücken im Zimmer, 400 um genau zu sein. Er hat ganze drei Wochen lang die Viecher erschlagen und damit eine ansehnliche Tupfentapete produziert. Ich gab ihm damals den Tip er solle sich mit Schweineblut einreiben damit ihm die Tiere nicht mehr auf den Pelz rücken. Der Hausmeister hat ihn schließlich raus geworfen nachdem Uli mehrfach andere Mitbewohner verschreckt hat weil er schreiend und blutverschmiert durchs Haus lief.

Interessant war Reiner. Ein alternder Philosophie und Kunst Lehramtsstudent. Halbglatze, dicke Brille und grüne Wollsocken, seltsamer Typ. Bei ihm hab ich mit unterschwelligen Informationen in Liedern experimentiert. Ich hab ihm damals in jede einzelne seiner Mp3's Sachen wie „Blutwurst, den ganzen Tag Blutwurst“, sowie Ausschnitte aus Werbungen für Möbelhändler codiert. Er lebt inzwischen streng veganisch in einem Zelt mitten im Schwarzwald. Dazu hat ihm sein Therapeut geraten, nachdem er in einem Ikea mit einem Klappstuhl Amok lief und vier Verkäufern böse die Finger klemmte, und das nur weil es in der Kantine dort keine Blutwurst gab.
Bei Harald, einem Weiberheld ohne Erfolg bei Frauen, war ich mir nicht sicher was seinen Auszug mit anschließendem Anstaltaufenthalt auslöste. Er hielt sich, als er abgeholt wurde, für einen tibetanischen Sumpfgorilla mit Sonnenallergie. Und ich bin mir nicht sicher ob es am LSD in seinem Trinkwasser oder den Magic Mushrooms in der Zahnpasta lag. Wahrscheinlich an beidem.

So viele kamen, und genausoviele gingen auch wieder. Und so freue ich mich, dass nun auch Gerald geht um sein Leben in einer anderen Wohnung weiter zu führen.

Ich betrachte voller Stolz nochmal mein Kunstwerk, die Worte „Wir kommen!, wir kommen!! wir kriegen auch DICH!!“ in unter Schwarzlicht leuchtender Farbe haben ihm wohl den Rest gegeben. Ich schalte mit der Fernbedienung meine Schwarzlichtlampe sowie den kleinen Lautsprecher aus, und entferne beides aus ihren Verstecken.

Etwas später kommt Gerald zurück um seine Sachen zu holen. Er wirft den Rest in die Kartons. Als er sie anhebt fällt der Boden raus und alles verteilt sich auf dem Fußboden. „DU ENTKOMMST UNS NICHT!“ grollt eine dumpfe Stimme durch den Raum.
„NEIN!!, nein nein neeiiiinnnn“ Gerald flieht.

Normalerweise würde ich jetzt Geralds Sachen nach Wertvollem untersuchen. Wie gesagt, normalerweise, denn mein eigener Lautsprecher ist deaktiviert und abgebaut.

Und es gibt Dinge mit den ich es mir nicht verscherzen will.