Montag, 11. Februar 2008

Nachprüfungstag (2)

Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass ich noch ein Prüfung zu bestehen habe. Da dieses schon der zweite Anlauf ist, ist es wirklich wichtig. Was mich wiederum dazu nötigt mich gewissenhaft vorzubereiten.

Da ich die Nacht nur wenige Stunden geschlafen habe, beginne ich eben diesen Prüfungstag mit einer großen Tasse Kaffee. Das Konzert gestern Abend war aber auch grandios, und nach so einem Konzert kann ich doch nicht die Aftershow-Party verpassen. Also lieber noch einen zweiten Kaffee, hilft auch gegen den Kater.
Wenn ich mich recht erinnere habe ich als Termin 11Uhr in den Kalender des Profs eingetragen, und muss deswegen heute wirklich frühzeitig an der Uni sein.
Auf dem Hinweg kaufe ich noch schnell zwei Kästen Bier, um gerade noch rechtzeitig meine Ausdrücke aus dem Farblaserdrucker zu ziehen.
Pünktlich, fünf Minuten vor Elf, stelle ich die beiden Kästen im Büro der Sekretärin meines Professors ab.
Das die letzte Sekretärin aus unglücklichen Umständen gefeuert wurde hatte wirklich große Vorteile. Schließlich ist ihr Ersatz gutaussehend, freundlich, jung, ledig und hat ebenfalls große Vorteile.
Da ich noch Zeit habe flirte ich ein wenig mit ihr, und klaue rein aus Vorsicht den Bleistiftanspitzer.
„Ah, da sind sie ja endlich.“
Begrüßt mein Prof mich als ER zehn Minuten nach Elf endlich kommt, im Schlepptau den obligatorischen Beisitzer.
„Moin“
„Und was soll das Bier?“ fragt er mit einem blick auf mein Mitbringsel.
„Ist die Frage prüfungsrelevant?“
Er hält es für einen Witz und lacht tatsächlich. Wenn er meint.
„Und ich dachte schon sie wollten mich bestechen! Ha, Ha, Ha..“
„Einen Prüfer bestechen, ich bitte Sie das hab ich doch nicht nötig.“
„Na, das sah mir aber beim ersten Versuch ganz anders aus.“ Aua, der hat gesessen. Aber da er mein Prüfer ist, und es sowieso viel zu früh für Verletzungen durch lange Tackernadeln ist, stelle ich den Tacker wieder auf dem Tisch ab.
Wir gehen rüber in sein Büro wo er die Prüfung auch gleich mit einer Frage zur relativistischen Matrixgeometrie stellt. Ich sage ihm das ich davon keine Ahnung habe.
„Na, da hätten sie sich wohl besser vorbereiten müssen“ Wie ich solche Sprüche hasse Ich hätte doch den Tacker mitnehmen sollen. Aber er hat recht, ich habe wohl nicht genug gelernt für solche Fragen.
Ich bitte ihm um eine weitere Frage, zu der ich die Antwort allerdings auch nicht kenne. Dieses mal setzte ich aber trotzdem zu einer erklärenden Zeichnung an.

Für alle von euch die noch nie in so einer mündlichen Prüfung gesessen haben, möchte ich diese Situation mal kurz beschreiben. Man wird von seinem Professor in eine dunkle Ecke eines beliebigen Zimmers gedrängt. Dieses Zimmer ist entweder voll gestopft mit uralten Ordnern und Büchern, den lehren Pfandflaschen der letzten drei Jahre (säuberlich gestapelt), dazu verstaubte Stühle und alte Rechnerteile. Sollte dieses nicht der Fall sein, ist der Raum so kahl wie die Glatze eines Jung-Faschos an einem Sommertag 1993 in Rostock.
Dort sitzt man dann eingeengt auf einem harten Holzstuhl. Rechts von einem sitzt der Professor der einen mit bestialischen Fragen durchbohrt. Höhnisch grinsend wenn man mal nicht gleich die richtige Antwort parat hat. Auf der anderen Seite der Beisitzer der alles ausführlich mitprotokolliert keine Miene verzieht, und die ganze Zeit mir den Füßen wippt um einen noch nervöser zu machen. Ins Gesicht scheint einem der stärkste Scheinwerfer den die Uni zu bieten hat. Und in der Ecke summt der Wechselstromgenerator der diesen betreibt.
So wird man dann endlos mit den brutalsten Fragen gequält die ein Mensch sich erdenken kann. Gezwungen sein Hirn durch Mund und Finger hinaus zu drücken erklärt man dann das Gefragte, und mahlt mit verstümmelten Bleistiften Skizzen auf Rückseiten von alten Fehldrucken.

Und genau dabei habe ich gerade eben einen Bleistift abgebrochen. Der Prüfer reicht mir lächelnd einen für solche Zwecke bereitliegenden Ersatzstift. Ich drücke so stark auf, dass nicht nur das Papier reißt sondern auch der Bleistift splittert. Nachdem ich auch den dritten Bleistift, und zwei Kugelschreiber auf diese Weise zerstört habe, wird der Beisitzer zum anspitzen geschickt.

„Was ist denn los mit ihnen?“ Will er nun wissen wo er mit mir allein im Zimmer ist.
„Ich habe heute etwas sehr schockierendes gesehen“ Antworte ich bedrückt.
„Was denn?“ Er sollte seine Neugierde zügeln, denke ich mir als ich ihm das Foto reiche, was ich vorhin noch gerade rechtzeitig aus dem Drucker holen konnte.
Er betrachtet es stumm, hinter seiner Stirn scheint es gehörig zu arbeiten.
„Aber jetzt bin ich ruhiger, und kann hoffentlich ihre Fragen alle beantworten“ sage ich als der Beisitzer den Raum wieder betritt.
Die restliche Fragen der Prüfung sind wirklich nett, und ich gehen mit einer 1.0 aus dem Raum.

Jedenfalls würde ich das wenn mich mein Prof nicht festhalten würde.
„Sagen sie das Foto“
„Ja?“ Er scheint etwas nervös zu sein.
„Sie werden doch nicht..“
„Das Foto was sie und ihre neue Sekretärin in sehr intimen Posen zeigt an unseren Rektor schicken?“
„Ähm, genau“
„Keine Angst, das wollte der Sicherheitsdienst mit dem kompletten Video der Überwachungskamera machen.“
„Ähm...“
„Aber ich soll ihnen sagen, dass das Paket noch nicht raus ist und sich die Herren auf Bargeld freuen.“
„Und sie, ich meine sind wir mit der Eins quitt?“
„Nun ja, beinahe“
„ähm“
„Sehen sie die vom Sicherheitsdienst wussten nicht wie extrem eifersüchtig ihre Frau ist“
„Sie haben doch nicht etwa meiner Frau?“
„Nein, wo denken sie hin.“
„Puh“
„Wo sie doch gerade heute ihren 27 Hochzeitstag vergessen haben, wollt ich ihnen das nicht antun“
„WAS? Verdammt, ich bin verloren. Sie wird mich fertig machen. Sie wird sich scheiden lassen, alles wird an das Licht kommen.“

Ich kann einfach keine erwachsenen Männer heulen sehen.
„Aber, aber. Das muss doch gar nicht sein. Sie haben doch den Hochzeitstag gar nicht wirklich vergessen.“
„Hab ich das?“ Er hört auf zu schluchzen.
„Auch wenn sie das gemeinsame Essen mit ihrer Frau wegen meiner Prüfung verpasst haben“
Er beginnt wieder zu wimmern.
„Aber dafür haben sie ja einen singenden Blumenboten ins Restaurant geschickt der sie entschuldigt.“
„Habe ich?“ Er wischt sich die Tränen ab.
„Nein!“ Er verliert wieder die Fassung.
„Aber ich.“ Und beende endgültig seine Heulorgie.
„Das haben sie für mich getan?“
„Ja, und vergessen sie nicht die Reservierung für einen Tisch im teuersten Restaurant der Stadt für heute Abend.“
„Oh. Sie sind meine Rettung“
Wenn man bedenkt, dass ich den Eintrag im Kalender bearbeitet, auf anraten der Sekretärin die Kamera in dem Lagerraum ausgerichtet und dem Sicherheitsdienst gesagt habe sie sollten sich die Bänder genauer anschauen, würde ich das zwar nicht sagen. Aber bitte.
„Nun, sie werden verstehen, dass ich meine Auslagen hatte.“
„Äh, ja DANKE?“ Da er es nicht versteht muss ich direkt sein.
„Ähm, nein GELD!“
400 Euro Später verabschiede ich mich von ihm.
„Ach ja und vergessen sie nicht den Leuten von der Sicherheit etwas zukommen zu lassen“
„Oh, ja mach ich sofort“
„Gut die sitzen im Keller, und könnten sie mir einen Gefallen tun?“
„Ja natürlich“ Er ist mir tatsächlich dankbar, versteh einer die Menschen.
„Dann nehmen sie doch bitte die beiden Bierkästen mit, die hab ich den netten Menschen da versprochen.
Er schaut mich an, als hätte ich ihn überstrapaziert. Aber er nimmt die Kästen mit als er geht.

„Was werden sie mit ihrer Kopie des Videos machen?“ frage ich die Sekretärin bevor ich gehe.
„Ach, nichts.“ Ich schaue sie fragend an.
„Ich denke ich werde ihn für eine vorgetäuschte Abtreibung bezahlen lassen.“
Die Frau hat echtes Potential.

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