Sonntag, 10. Februar 2008

Ein PC braucht Rettung.

Es klopft.
So wie es aussieht war ich in der letzten Zeit zu nett. Auf jeden Fall trauen sich definitiv zu viele Leute bei mir zu klopfen. Da ich unmöglich gezielte Gegenmaßnahmen einleiten kann ohne zu wissen wer da steht, öffne ich notgedrungen die Tür.
Draußen steht Michael. „Könntest du..“
Ich schlage die Tür zu. Wenn Michael irgendetwas von mir will, dann weil er mit seinem Rechner nicht klar kommt. Was drei einfache Gründe hat.
Erstens kümmere ich mich um unser kleines Netzwerk, welches dafür sorgt, dass zehn Menschen die Weiten des Internets über einen DSL-Anschluss genießen können. Zweitens, bin ich der einzige hier der einen Laptop von einem Waffeleisen unterscheiden kann. Und drittens, ist er ein kompletter Technikdepp.
Leider hat er nicht nur keinerlei Verstand für die Schönheiten der modernen Errungenschaften, nein er ist auch hartnäckig.

Es klopft.

Ich öffne die Tür, um sie Michael ein weiteres mal vor der Nase zu zuschlagen. Mal sehen wie lange ich dieses Spiel fortsetzen kann.
Schließlich bringt er tatsächlich einen Fuß in die Tür.
„Sag mal!.. AAHHHRRGG“ beginnt er, und endet in einem Schrei als ich seinen Fuß in der Tür einklemme.
„Oh, hab dich nicht gesehen“, unterbreche ich sein Geschrei.
„Acht mal?!“ Regt er sich auf. Auf einem Bein hüpfend sieht er irgendwie niedlich aus. Etwa so niedlich wie eine überfahrende Katze.
„Ja, scheint so.“ Er glotzt mich verständnislos an. Vielleicht sollte ich seine Ähnlichkeit mit der überfahrenden Katze erhöhen. Aber da ich heute meinen sozialen Tag habe frage ich was er will.

„Ja, ich hab da einen neuen Komputer und möchte mit dem ins Internet.“ Mann kann das K in Computer bei ihm tatsächlich hören. Aus reiner Vorsicht frage ich ihn was er sich hat andrehen lassen.
„Oh ich hab mich extra schlau gemacht.“ Er hat also im Kiosk eine PC-Zeitung gesehen.
„Und da hab ich gelesen was gerade Aktuell ist und hab das Neueste und Beste gekauft. Quad Core 3Gigaherz Arbeitsspeicher und ne extrem teure Grafikdings.“ Wow, er hat fast drei Fachwörter benutzt. Aber immerhin hat er meine Neugier soweit geweckt, dass ich wissen will was er da wirklich hat.
Ein kurzer Blick in seine Systemeinstellungen löst meinen internen Panikbutton aus.

Hier muss ein PC gerettet werden. Ich sitze vor einem Computer der die wohl besten und teuersten Komponenten beherbergt die gerade für Geld zu kaufen sind. Und dieser wird den Rest seinen Lebens damit fristen Internet Explorer und MS-Word auszuführen. Glaubt mir ich weiß, dass es so ist. Ich weiß was Michael auf seinem Rechner so macht. Wozu gibt es Trojaner.
Nein dieser PC muss vor einem Leben in ewiger Langeweile gerettet werden. Dieser PC braucht etwas, dass er bei Michael nie bekommen wird, aktuelle Spiele.
Dieser PC muss zu mir.

Während ich ihm erkläre, dass das mit dem Netzwerkanschluss wohl etwas dauern wird. Lasse ich einen Benchmarktest laufen. Welcher wieder meinen Panikbutton auslöst. Diesmal nicht aus dem selbstlosem Grund einen PC retten zu müssen. Diesmal aus dem Gefühl heraus, dass jemand ordentlich Kasse gemacht hat, und dieser jemand nicht ich war. Grund ist, dass der PC Leistungsmerkmale eines altersschwachen Pentium3 hat. Ein Blick ins Bios zeigt mir, dass meine erste Vermutung stimmt, der wahre Inhalt ist nur Dreck. Außerdem zeigt er, dass der Täter keine Ahnung hatte, sonst könnte ich das nicht im Bios nachlesen.
„Sag mal Michael. wieviel Gigahertz hat dein CPU?“
„Öhm..“
„Schau in die Rechnug!“
„Ah da stehts, 2,6“
„Hm wohl eher ein halben?“
„wie?“
„Wieviel Gigabyte Ram?“
„Ähh.. vier“
„Oder eher einen halben“
„Ich versteh dich nicht..“
„Man hat dich beschissen!“
„...“
„Hier steht was du wirklich hast, der Typ im Laden hat dir alten Mist verkauft.“
Langsam erkläre ich ihm was das Bios ist, und wo da steht welche Komponenten sein PC hat, und das der Verkäufer ihm altertümliche Museumsausstattung statt Rechentechnik verkauft hat. Eigentlich eine geniale Idee, aber nicht mit mir.
„Also da in dem Bios steht, dass ich nur 512Megabyte Ram habe. Aber ist das nicht mehr als 2 Gigabyte?“ Eine kurze Erklärung, eine in der Schreibtischschublade eingeklemmte Hand, und einen langen Schmerzensschrei später, hat auch er den unterschied zwischen Mega und Giga verstanden.
Was aber die Diskussionen um seine Qualitäts Hardware nicht beendet.
„Soll ich aufschrauben und es dir zeigen?“ frage ich schließlich entnervt.
„Nein bloß nicht, dann erlischt die Garantie.“
Tatsächlich kleben über allen Schrauben Garantiesiegel. Gar nicht schlecht eingefädelt, aber an das Bios hätte er denken sollen, Stümper.
„Ok, wir gehen jetzt sofort gemeinsam zu dem Laden in dem du das Ding gekauft hast, und klären das auf.“ Gesagt, getan.

Wenig später stehen wir vor einem Verkäufer mittleren Alters, dem wohl schon jetzt dämmert was ihm gleich widerfahren wird.
„Haben sie ihm diesen Computer verkauft?“ frage ich ihn mit freundlichem Ton.
„Nein“
„Ihr Name steht auf der Rechnung.“
„Ok, dann war ichs wohl doch“ Stümper, unterschreibt auch noch die Rechnung mit seinem eigenen Namen.
„Gut, schrauben sie ihn auf“ er ergibt sich in sein Schicksal.
„Zeigen sie mir die vier Gigabyte DDR-Ram“ er deutet auf ein Bauteil.
„Sei meinen den der so aus sieht, wie 512Mb SD?“
„Ähm ja, dass ist eine Sicherheitsmaßnahme damit er nicht geklaut wird.“ Netter Versuch aber nicht mit mir.
„So wie der Pentium 3?“
„Das ist ein Pentium Core 2 Quad Q6700 mit 2.6GHz“
„Der nur so aussieht, wie ein P3, ja klar. Und können sie mir die technische Umsetzung erklären? Wo der P3 doch eine ganz andere Größe hat als der Core 2?“
„Ähm, nein kann ich nicht, weil...“
„Weil es gar nicht geht!!“
„Michael, bitte geh, ich will nicht, dass du das hier mit ansehen musst. Könnte hässlich werden.“
Er geht tatsächlich, zur Sicherheit verdrücke ich mich mit dem Verkäufer in den Lagerraum.

„Ok, wir wissen beide, dass sie ihn beschissen haben, die Frage ist nur, was wir mit diesem Wissen machen“
„Ich geben ihnen natürlich den kompletten bestellten PC.“
„Mit Wasserkühlung“
„Ok, auch das.“
„Gut dann sind wir uns einig, bleibt nur noch die Frage was wir ihm geben“ ich deute zur Tür.
„Wie meinen?“ Der Verkäufer scheint nicht ganz mitbekommen zu haben, was ich ihm sagen will. Also kläre ich das Missverständnis auf.
„Sie meinen doch nicht etwa, dass ER den Rechner bekommen soll?!?“
„Sie meinen, für Sie?“
„Wir wissen beide, dass so ein Gerät an ihm komplett verschenkt währe?“
„Ähm, aber ich kann doch nicht.“
„Den Pentium übertakten und den Ram verdoppeln damit die Krücke etwas schneller läuft. Ihm das Ding wieder geben und mich mit dem versprochenem Schmuckstück ziehen lassen? Ohne dass für sie weiter Konsequenzen entstehen?“
„Ach wenn sie das so sagen“
„Genau, und fälschen sie dieses mal das Bios, damit nicht aus Zufall jemand dahinter kommt.“
„Oh, äh so haben sie?“
„Ja“
„Hm, aber das kann ich nicht“
Er zeigt gute Ansätze versagt aber in der Ausführung.
Für ein paar kleine Zusatzleistungen, die mich wohl über die nächsten Monate bringen werden, verspreche ich ihm das für ihn zu machen. Auch in Zukunft bei ähnlichen Fällen.

Zwei Stunden später sitze ich bei Half-Life 2 auf maximaler Grafik vor meinem ebenfalls neuen 21Zoll TFT-Monitor. Da klopft es.
Ich unterbreche mein Spiel und öffne die Tür. Davor steht Michael, er schiebt sofort einen Fuß in die Tür.
„Ähm, ich wollte mich nur nochmal bedanken“
„Ja, Ehrensache“ Man muss auch mal nett zu jemandem sein.
„Und, wo mein PC jetzt wieder da ist, könntest du das mit dem Internet“
„Ja, klar.“ Ich schlage die Tür zu, schließe ab, und spiele weiter.

Als es wieder klopft, drehe ich den Sound lauter. Das nervige Klopfen verstummt allmählich.
Es sind doch die einfachsten Lösungen die am meisten Spaß machen.

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