Sonntag, 31. August 2008

Poolparty

Ich wache auf. Der Grund dafür ist zweifelsohne, dass etwas fehlt. Der gewohnt harte Druck des Collegeblockes ist es nicht. Auch nicht der Geschmack von Bleistiftenden im Mund. Und erst recht nicht der Schmerz von eingeklemmten Knien an der vorderen Sitzreihe. Was fehlt ist das konstante Gemurmel des Vorlesenden. Es muss also Vorlesungsende sein, oder Pause, oder irgendwas anderes. Auf jeden Fall ein guter Grund um zu gehen. Schließlich ist zu viel Schlaf ungesund.

Ziel meines Aufbruches ist der PC-Pool und die Cafeteria, in umgekehrter Reihenfolge.Mit einem Kaffee in der Hand betrete ich kurz darauf den Windows PC-Pool dieser ist gestopft voll. Natürlich hätte ich auch in den Linux-Pool neben an gehen können, dieser ist nahezu leer und hat die besseren PC's, aber irgendwie habe ich in letzter Zeit die DAU's vermisst, und die findet man halt nur unter Windows. Ich würde in diesem Punkt sogar so weit gehen zu sagen, dass der DAU von Windows standardmäßig unterstützt wird. Fehlt eigentlich nur der Hinweis beim Systemstart: „Neuer DAU gefunden, möchten sie diesen installieren?“ Aber das würde ihn dann wohlüberfordern.
Auf jeden Fall muss meine erste Aufgabe hier jetzt sein, einen der Nutzer von seinem Rechner zu entfernen um selbst einen Platz zu bekommen. Der wohl kürzeste Weg hierzu führt über ein Netzwerkkabel, welches ich aus der Dose ziehe. Es dauert keine dreißig Sekunden bis der Benutzer des PC's festgestellt hat, dass weder das Internet noch die Uniserver noch irgendwas anderes zu erreichen ist. Aus Angst er hat was kaputt gemacht, geht er zügig und ohne sich umzudrehen seiner Wege. Ich habe derweil seinen Rechner ergattert, und verbinde auch das Netzwerk wieder vorschriftsgemäß.

Auf dem Weg durchs Netz finde ich neben einem Haufen Kram der schon so alt wie der Salat in der Mensa ist, eine pdf mit dem vielsagenden Titel „Das Monster aus der Spätvorstellung – Trailer“. Ich hab schon viel von diesem Rollenspielsystem gehört und es wird Zeit mal den Trailer zu lesen. Während ich noch runter lade, wird es Mittag. Dies ist in dreierlei Hinsicht schlecht. Zum Ersten gibt’s in der Mensa heute nur Mist, zum Zweiten werde ich trotzdem hingehen da ich dort Fred treffen soll, und zum Dritten kann ich so die Datei nicht mehr lesen.
So entscheide ich mich die Datei noch schnell mittels des Pool-Druckers auf Papier zu bannen.

Jeder der schon einmal versucht hat etwas in einem PC-Pool an einer Universität auszudrucken weiß, dass dies natürlich totaler Blödsinn ist. Niemand kann dort irgendetwas drucken. Entweder ist kein Papier da, oder kein Toner, oder es gibt Biologen die ihr Skript, welches aus großformatigen Bildern besteht und den Druckerspeicher überlastet drucken müssen. Da meine Uni Studiengebühren erhebt, hat sie natürlich das Geld um Toner und Papier zu kaufen. (Ja klar..) Aber es ist tatsächlich beides da, sonst könnten die Biologen ja nicht drucken. Denn das tun sie, die Schlange der Druckaufträge ist so lang wie die Fehlerliste von Vista und die Blätter rauschen mit minimaler Geschwindigkeit aus dem Drucker, da dieser nach jedem Blatt das nächste Bild nachladen muss. Das mit dem Drucken kann ich wohl vergessen. Ach mal schaun. Der Schalter zum Abbrechen der Druckaufträge ist deaktiviert, damit kann ich also nichts anfangen. Aber zum Glück wird gerade das Papier leer. Ich lehne mich an den Tisch und schaue mir vergnügt an wie eine Biologin versucht neues Papier einzulegen. Zuerst versucht sie Papier in das deaktivierte hintere Einzugfach zu legen, anstatt in die untere Schublade. Als sie dann das Papier einzeln in die Ausgabe schieben will helfe ich ihr, bevor der Drucker noch explodiert oder so. Aber die Idee gefällt mir.

Ich gehe in den Campuseigenenen Supermarkt und kaufe mir Feuerzeugbenzin. Damit Tränke ich ein Blatt Papier. Dieses kommt in das Papierfach unter drei normale Seite. Ich will ja nicht daneben stehen.
Vom anderen Ende des Raumes beobachte ich wie der Drucker die präparierte Seite über die heiße Walze zieht. Wenig später kommt die Feuerwehr.

„Aber ich hab doch nur das Skript zum Pahrungsverhalten der Quallen ausgedruckt.“ heult ein völlig verstörter Biologe.
„Waren wohl Feuerquallen dabei.“ werfe ich ein, da ich sowieso gerade daneben stehe. Für den schlechten Witz ernte ich ein müdes Lächeln des Feuerwehrmanns.
Inzwischen ist auch der Dekan da um sich anzusehen was hier los ist.
„Ja, so wie es aussieht, war der Drucker nicht entsprechend der Brandschutzbestimmungen aufgestellt.“
„Oh.“ antwortet der Dekan.
„Wir sollten auch alle anderen Drucker überprüfen...“
„Oh.“
„..und Kopierer.“
„Verdammt.“
„Und am besten jetzt sofort.“
Ich hau ab um vor ihnen an den Geräten zu sein. Schließlich müssen noch Papierstapel, Decken und brennbare Flüssigkeiten neben den Kopierern deponiert werden. Mein Mittagessen fällt damit zwar aus, aber das ist wichtiger. Fred wird es schon verstehen.

Knapp eine Stunde später belausche ich aus dem Lüftungsschacht ein Gespräch im Büro des Dekans. Kurz gefasst regt sich der Kerl von der Feuerwehr darüber auf wie schlampig hier mit dem Brandschutz umgegangen wird. Und das lauter als Kahn nach einem Gegentor durch einen Drittligisten. Leider bellt er Bayrisch und ich verstehe kein Wort. Aber es kann nur den Inhalt haben, dass er seeeehr aufgebracht ist. Ich krieche durch die Lüftungsschächte zum Linux-Pool. Den Pc-Pool der nicht heute schon zweimal ausgebrannt ist. Ja richtig, zwei mal. Ich wusste nicht wohin mit dem restlichen Feuerzeugbenzin und hab es in das Netzteil eines abgeschalteten PC,s gefüllt. Irgendwer muss den wohl angeschaltet haben.

Zwar riecht es im Linux-Pool ebenfalls nach Qualm, der wohl rüber gezogen ist, aber es sind Rechner frei. Ich öffne den Luftschacht und betrete den Raum auf ungewöhnliche Wiese, aus einem Loch in der Decke, was aber niemanden stört. Der nächste PC beschert mir in einer ganzen Stunde Arbeit, eine Werbebroschüre und eine Internetseite. Ich gehe am Briefkasten vorbei und sende die Broschüre an den Dekan. Die Saat ist gesät, jetzt warte ich auf die Ernte.

Aber erstmal muss ich meine Tasche aus dem Hörsaal holen, dort liegt diese seit einigen Stunden, und ich will meine Kram doch wieder haben. Der Hörsaal ist allerdings zu. Mist. So wie es aussieht bleibt mir nichts übrig als zu meinem Prof zu gehen. Die Luftschächte sind im Hörsaal zu eng für mich.
„Moin.“
„Ach ich hab schon gedacht das sie kommen.“ Mein Prof ist mir schlagartig unsympathisch geworden.
„Ja, ich hab meine Tasche im Hörsaal liegen lassen.“
„Als sie zur Pause gegangen sind, nachdem sie den gesamten ersten Teil meiner Vorlesung geschlafen haben?“
„Ja, genau.“
Er greift unter seinen Schreibtisch und wirft mir meine Tasche zu.
„Wenn sie sich weiter so in meiner Veranstalltung verhalten werden sie nicht weit in ihrem Studium kommen.“
„Ach, ich bin schon recht weit gekommen, der Rest wird wohl nicht so ein Problem werden.“
„Die Einstellung wird ihnen nicht helfen.“
„Mag sein, ich muss heute noch einiges erledigen. Kann ich gehen?“
„Noch Übungsblätter zu lösen?“
„Nein, der Getränkeshop macht um 18Uhr zu, und mein Bier ist alle.“
Ich gehe und ärgere mich, dass ich den Schein brauche, ich sollte mir keine Blöße mehr in seinen Vorlesungen geben.

Zwei Tage später sitze ich in seiner Vorlesung und in meine Tasche vibriert mein Handy, ein Blick auf mein Display sagt mir, dass es wichtig ist. Ich gehe ran.
„Firma Brandsicherheit Krasemann was kann ich für sie tun?“ Alle schauen mich an und es wird verschämend still.
„Entschuldigung, ist der Dekan.“ meine ich wahrheitsgemäß und verlasse den Raum. Alle lachen, nur der Prof ist wohl noch schlechter auf mich zu sprechen als je zuvor. Erstmal egal.
„Ja natürlich kann ich ihnen ihre Drucker und Kopierer brandsicher machen.“ beantworte ich die Frage des Dekans am Telefon.
„Ich kann in 10 Minuten bei ihnen sein.“ beantworte ich die nächste Frage. Dann lege ich auf.

Schnell noch einen Anzug und einen falschen Schnurbart aus meinem Spint geholt und ab zum Dekan.
„Was können sie denn machen?“
„Das kommt auf die Gegebenheiten an.“
„Achso.“
„Dann schauen wir uns doch mal die betreffenden Geräte an und sehen was sich machen lässt.“
Er zeigt mir was ich so angestellt habe, und ich nicke und brumme angsterregend.
Schließlich mache ich meinen Gedanken Luft.
„Da haben wir einiges zu tun?“
„Einiges?“
„Eine ganze Menge sogar.“
„Oh..“
„Sehen, sie, wir haben in der Nähe der Geräte brennbare Stoffe wie Pflanzen, Holzböden, Teppiche, Tapeten und was nicht alles.“
„Das kann natürlich nicht sein.“
„Ganz genau.“
„Und was machen wir da?“
„Das ist doch ganz klar. Wir müssen alle diese Dinge durch unbrennbares Metall ersetzen.“
„Das heißt also..“
„Genau wir machen ein Stahlpodest unter die Geräte, stellen sie frei in den Raum, und bauen einen individuellen Feuerübergriffsschutz.“
„Feuerübergriffsschutz.“
„Genau, ein ausbrechendes Feuer, kann unkontrolliert über mehrere Meter Entfernung auf Gegenstände übergreifen.“
„Ja, natürlich.“
„Deswegen bauen wir ein System, dass bei Ausbrechen eines Feuers, dieses Abschirmt.“
„Und wie funktioniert sowas?“
„Mit einem Rauchmelder natürlich.“
„Nein, das Abschirmen.“
„Wir bauen wahlweise Stahlkästen die über das Gerät gestülpt werden, oder Decken die automatisch darüber geworfen werden. Natürlich wird auch die Feuerwehr alarmiert.“
„Ist das wirklich nötig?“
„Was haben sie gegen die Feuerwehr?“
„Nichts, ich meine diese Decken und Kästen.“
„Also wenn sie hier in einem Gebäude je wieder einen Kopierer betreiben wollen, sollten sie die nötigen Maßnahmen schon treffen.“
„..“
„Aber sie können die Dinger natürlich auch alle draußen auf die Wiese stellen.“
„Was kostet sowas?“
„Ich schicke ihnen einen Kostenvoranschlag.“

In den nächsten Tagen habe ich eine Menge zu tun. Die Bauarbeiten überlasse ich natürlich denn örtlichen Handwerkern, aber vorher muss ich die Pläne machen. Und genau dabei erwischt mich der Prof bei dem ich sowieso gerade unbeliebt bin. Klar ich sollte nicht unbedingt in seiner Vorlesung mit dem Laptop die technischen Zeichnungen für die Handwerker anfertigen, aber soll ich das etwa am Abend in der Kneipe machen?.
„Sie schreiben mit dem Notebook mit?“
„Naja, wie man es nimmt.“ Ich versuche alle Anwendungen zu killen, was dazu führt, dass Windows sich frisst. War ja klar, und nur meine Faulheit ist daran schuld. Ich sollte endlich mal ein Linux drauf machen.
„Das sieht aber nicht nach einer Mitschirft aus.“
„Nicht?“
„Nein.“
„Ist auch gerade abgestürzt.“
„Was machen sie da?!?“ Er wird laut.
„LaTeX“
„Ja klar, sieht aber nicht so aus.“
„Sag ja ist abgestürzt.“ Zum Glück hab ich lustige Überschneidungen von mehreren Fenstern, leider tut sich nix, und dadurch verliere ich eine halbe Stunde Arbeit.
„Sehen sie, dass ist die Formel die sie gerade angeschrieben haben.“ Ich deute auf etwas, dass überhaupt nicht zu erkennen ist.
„Na da müssen sie aber auch ein Schild zu machen, was das sein soll.“ Alle lachen. Er macht weiter mit seiner Vorlesung, und ich denke, dass das eine gute Idee ist. Ich sollte ein Schild an meine Konstruktionen machen.

Ein paar Wochen später ist alles fertig, und ich inspiziere mit dem Dekan die Schutzschilde.
„Also wie sie sehen, haben wir den Fußboden weitläufig mit Stahl ausgelegt, dieses lässt sich bei Bedarf mit den eingebauten Sprinklern befeuchten.“
„Um das Ausbreiten von Feuer zu vermeiden.“ Nein, um eine spiegelglatte Fläche rund um die Kopierer zu erschaffen. Aber das kann ich ihm natürlich nicht sagen.
„Genau. Den Stauraum für Papier haben wir ebenfalls aus Metall gefertigt um es vor Feuer zu schützen.“ und jeden der versucht es aus dem Schrank zu nehmen einen Stromschlag zu verpassen, dass die entsprächende Verkabelung auch angebracht ist, muss er auch nicht wissen.
„Außerdem haben wir neue Unterschränke für alle Geräte eingepasst, die bei der Entzündbarkeit ganz andere Maßstäbe setzen.“
„Aha...“ Indem sie sich auf Knopfdruck, oder nach 500 Kopien selbst entzünden, aber das würde ihn nur beunruhigen.
„...und was ist der große Schrank hinter dem Kopierer?“
„Das ist eine Brandschutzhaube. Diese stülpt sich bei einem Brand über das gesamte Areal und schirmt es luftdicht ab.“
„Ausgelöst wird das ganze durch den Feurmelder da oben?“ stellt der Dekan richtiger Weise fest, außerdem kann man den Mechanismus mit einer Fernbedienung auslösen. Aber ich glaub nicht, dass ihn dieses Detail groß interessiert, da nur ich die Fernbedienung habe.
„Die Ausrüstung genügt absolut allen Brandschutzbestimmungen, das Gebäude ist sicher.“
„Das will ich bei dem Preis aber auch meinen.“ Ich hab nur 5k€ dabei verdient, also war es ganz ok.

Mein aktuelle Reizperson stößt zu uns.
„Guten Tag Herr Dekan.“ Jemanden mit Titel ansprechen, passt zu ihm.
„Ah, hallo.“
„So das war es denn auch schon.“ Ich will mich verabschieden, werde aber ignoriert.
„Ich habe da einen Studenten, der mich zur Weißglut bringt.“ Gut, dass ich nicht gegangen bin, das scheint interessant zu werden.
„Wen denn?“
Er nennt ihm tatsächlich meinen Namen.
„Ja, von dem hab ich auch schon einiges gehört.“ Nun, ja ich war ja auch nicht ganz untätig in der letzten Zeit.
„Er ist unverschämt, und unaufmerksam.“ Er geht kopieren, na ob er sich das gut überlegt hat.

Er schlittert etwas auf der glatten Oberfläche, was ihn aber nicht beeindruckt.
„Ich werde ihn durchfallen lassen, vielleicht lernt er daraus“
„Das haben schon viele versucht.“ antwortet der Dekan wissend.
„Wieso?“
„Sie haben alle davon abgesehen, letzten Endes.“
„Letzten Endes?“
„Es hat immer Probleme gegeben.“
„Probleme?“
„Unfälle und so.“
„Unfälle?“
„Autounfälle, Brände, einige haben auch einfach so ihre Meinung geändert.“
„Das wird mir nicht passieren.“ Er scheint sich da sehr sicher zu sein. Ich betätige die Fernbedienung in meiner Hosentasche. Sirenen ertönen und der Schrank hinter dem Kopierer öffnet sich und klappt über den Kopierer. Zwei von uns Dreien stehen außerhalb, einer nicht.
„Oh mein Gott!“ stöhnt der Dekan.
„So ein Schwelbrand kann sehr schnell entstehen. Faszinierend.“ Ich bleibe ruhig.
„Wir müssen ihn daraus holen.“
„Geht nicht.“
„Was soll das heißen.“
„Wir müssen auf die Feuerwehr warten.“
„Quatsch nun fassen sie mit an.“
Ich deute still auf das angebrachte Schild.
„Oh.“
„Genau.“
Es beginnt von innen zu klopfen.
„Aber wir müssen doch was tun.“
„Sie könnten die Feuerwehr am Rettungstreffpunkt abholen.“
„Oh ja.“ Er läuft los. Ich trete an die Außenwand des Kastens.

„Nun hören sie auf zu klopfen.“
Er erkennt meine Stimme sofort.
„SIEEE.“
„Ich bekomme einen Schein.“
„Niemals!“
„Benotet mit 1.0“
„Ich werde sie verklagen.“
„Die Luft darin reicht bestimmt noch für 15Minuten.“ wende ich ein.
„Das können sie nicht.“
„Und die Feuerwehr braucht 20.“
„Braucht sie nicht.“
„Doch wenn alle Türen verrammelt sind.“
„Sie können doch nicht.!!“
„Unfälle.“ meine ich vielsagend.
„Sie haben gewonnen.“ er gibt erstaunlich schnell auf.
„Sehr gut, ich hole mir dann morgen meinen Schein bei ihnen ab.“
„Lassen sie mich hier endlich raus.“
„Nein, Ich darf die Brandschutzhaube nicht anheben.“ Ich gehe, dann auch mal.