Sonntag, 25. Mai 2008

X-Mess now!

Ich sitze und zocke mal wieder World of Worcraft, seit Stunden, oder länger. Keine Ahnung. Routiniert greife ich neben mich nach der Colaflasche und setze sie an und trinke einen großen Schluck Luft. Wenn ich mich recht erinnere war das die letzten vier mal auch schon so.
Es hilft nichts. In meinem Zimmer hat es gefühlte 40°C und ich verdurste. Außerdem brauche ich das Coffein. Ich gehe in die Küche um eine neue Flasche aus dem Kühlschrank zu holen.
„Moin Helmut.“
„..“
Helmut ist nicht da. Nur ein Zettel auf dem Steht, dass er sich für zwei Wochen mit einem Mettbrötchen nach Norwegen verzogen hat, weil es ihm hier zu warm ist. Von meiner Cola steht da allerdings nichts. Nicht nur auf dem Zettel nicht auch nicht im Kühlschrank. Irgendwer hat meine letzte Cola getrunken! Ich hasse meine Mittbewohner, aber heute ist es definitiv zu warm für Rache. Ich notiere mir gedanklich ein Reagenzglas mit Mentos so in eine Flasche zu kleben, dass sie rein fällt sobald man die Flasche öffnet, und diese in den Kühlschrank zu stellen. Aber das hat noch Zeit. Jetzt muss erst einmal die Cola ersetzt werden. Und wenn ich schon mal in einen Supermarkt gehe, kann ich auch gleich noch Pizzen, Chips, Kekse und Mentos mit nehmen. Ich ziehe mir Sandalen über und latsche zum Supermarkt meines Vertrauens. Beziehungsweise zu dem um die Ecke.

Ich werfe alles nötige in einen Korb und bewege mich zur Kasse. Zwischen zwei Regalen habe ich plötzlich das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Langsam gehe ich zurück und schaue mich aufmerksam um, um zu sehen was meinen Argwohn erweckt hat.
Da ist es.
Lebkuchen.
Kann es sein, dass ich irgendwie drei Monate länger vor WoW saß als gedacht? Ich meine wäre ja nicht das erste mal, dass so etwas passiert. Und das wir im Winter knappe 30°C im Schatten haben ist nun auch nicht gerade ungewöhnlich. Das wirklich schlimme an den drei Monaten ist aber, dass ich Unreal Tournament 3 verpasst habe. Und den Semesterbegin, aber was ist hier wohl wichtiger.
Ich gehe zur Kasse, dort sitzt eine junge Frau mit schwarzen Haaren, Pickeln und einem PGB (Pavarotti-Gedächtnis-Bauch).
„Sagen sie welches Datum haben wir heute?“ frage ich sie, während sie meinen Einkauf über den Scanner zieht.
„Den 31. August. 2007“
Hätte ich mir eigentlich auch denken könne, ist wohl auch der Grund warum vor und hinter mir Jugendliche Stangen von Zigaretten kaufen, ab morgen dürfen sie ja nicht mehr.
Auf jeden Fall bin ich erleichtert. Unreal Tournament 3 liegt noch vor mir. Und jetzt wo der Schock überstanden ist, wird mir auch wieder bewusst das ich ja in Deutschland bin. Dem Land wo ein Monat zwischen Osterhasen und Weihnachtsmann liegt, jedenfalls wenn man in die Supermärkte schaut.
„Wieso?“ will die Kassendame wissen.
Und mir wird gerade bewusst, dass ich diesen Umstand hasse. Wir haben Ende August und im Laden gibt es Lebkuchen und Weihnachtsmänner. Bei tropischen Temperaturen. Sonne, Strand und Christbaumkugeln. Zum kotzen. Wobei es wohl ganz lustig wäre die Splitter von einer Wagenladung Christbaumkugeln am Strand zu verteilen. Jedenfalls wenn man bei einem kühlen Bier in der Strandbar sitzt und den Familien mit den kleinen Bratzen und ihren Sandburgen beim fluchen zusieht.
„Ach, hab gedacht ich hätte drei Monate vor dem PC verpennt.“Antworte ich wahrheitsgemäß und bezahle.
„Einen schönen Tag noch.“ wünscht sie mir und grinst über beide Zahnlücken.
„Ein Frohes Fest.“ wünsch ich ihr und gehe. Sie schaut mir verwirrt nach. Aber wenn sie schon den ganzen Advents und Weihnachtskram verkauft, dann kann ich ihr auch frohe Weihnachten wünschen.

Ich gehe nach Hause. Jedes Jahr habe ich diesen Kram über mich ergehen lassen, dieses mal nicht. Es reicht schon wenn ich diese widerliche Weihnachtszeit den ganzen Dezember über ertragen muss, da will ich wenigstens im September, Oktober und November meine Ruhe haben. Sie haben es nicht anders gewollt. X-Mess now!

Am nächsten Tag gehe ich wieder in den Supermarkt, im Weihnachtsmannkostüm.
„Guck mal Mamma, der Weihnachtsmann.“
Jupp, genau. Und zwar wie im Fernsehen.
„Wie heißt du denn Kleine?“ Frage ich das Mädchen was hingebungsvoll in der Nase bohrt während die Mutter die Preise des Klopapiers vergleicht.
„Nnnn Nadin-Saskia“
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Nadin?“
„Nadin-Saskia!“ Ach ja, stimmt die Mutter von Welt gibt ihrem Kind einen Doppelnamen.
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Nadin-Saskia?“
„Nnnn, ein Ponny, und einen Auto?“
„Aber du bist doch noch zu Jung zum Autofahren.“ sage ich freundlich.
„Nnnnn Ja. Aber das Ponny nicht.“
„Was machen sie da mit meinem Kind!!“ Oh die Mutter hat sich für das billige Sandpapier-Klopapier entschieden.
„Ich bin der Weihnachtsmann, ich frag sie was sie sich wünscht.“
„Wir haben September!“ Recht hat sie ja.
„Hier nehmen sie einen Schokoladenweihnachtsmann.“
„Geschenkt?“
„Natürlich geschenkt, ist doch bald Weihnachten. Und passen sie auf ihre Autoschlüssel auf.“
„Wieso?“
„Könnte sein, dass ihr Ponny sie klaut.“
Sie geht und nimmt den ihr gebotenen Weihnachtsmann mit.

Der nächste Junge tritt mir gegen das Schienbein und rennt weg. Kann man ihm natürlich nicht verübeln. Ich werfe ihm eine halb Lieter Flasche Cola hinterher. Die trifft zwar nicht platzt aber herrlich und versaut das weiße Kostüm der Mutter. Ich verdrücke mich vor der schreienden Mutter in die Spielzeugabteilung.
Da treffe ich den kleinen Karl-Kevin. Der ist noch nicht in der Schule und hat deswegen wohl noch nicht begriffen was seine Eltern ihm mit dem Namen angetan haben. Aber der Schulhof wird das wohl richten, geh ich mal von aus.
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Karl-Kevin?“
„Aber es ist doch noch gar nicht Weihnachten.“
„Natürlich, sonst wäre ich doch nicht hier.“
„Dann will ich ein Fahrrad.“
Naja Fahrräder stehen hier auch rum. Also mal suchen, den Pappa lassen wir derweil beim Bier. Wenig später sitzt der kleine Karl-Kevin auf dem kleinsten Fahrrad das ich finden konnte, welches ihm nur ein bisschen zu groß ist. Und noch ein wenig später bin ich mir sicher, dass er mich belogen hat, als er sagte, dass er fahren kann. Dieser Lüge ist sich wohl auch ein Rentner und das Regal mit den Chips bewusst. Ich gehe in Richtung Kühlregal als der Pappa des kleinen Karl-Kevin seinen K-K aus dem Regal sammelt und dem schimpfenden Rentner seinen Einkaufswagen wieder einräumt den der k K-K mit ins Regal genommen hat.
„Aber der Weihnachtsmann hat gesagt...“
„Den Weihnachtsmann gibt’s gar nicht!!“ brüllt der Vater den kleinen an. Dieser beginnt zu heulen. Ich gehe lieber.

Zwischen den Würsten treffe ich auf zwei Angestellte des Geschäftes.
„Frohe Weihnachten“ begrüße ich sie.
„Wir sollen dich zum Geschäftsführer bringen.“ sagt der pickligere von Beiden.
„Aber das geht doch nicht“ antworte ich.
„Wieso?“ die beiden sind noch verwirrter.
„Weil ich euch dann mit einer Wurst verprügeln muss.“ ich greife nach einer langes Salami und schwinge sie drohend über meinem Kopf. Zwei gebrochene Salamis später sitze ich im Aufenthaltsraum der Angestellten, bewacht von zwei heldenhaften Mitarbeitern die mich „überwältigt“ haben. Ich hab aufgegeben, weil man mit Würsten nur kleine Prellungen hinbekommt, und ich sowieso mit dem Geschäftsführer sprechen wollte.
„Schade das nur einer Mitarbeiter des Monats werden kann.“ frotzle ich die Beiden an die sich ihrerseits mit Salami bewaffnet haben, und hinter mir stehen. Antworten tun sie mir nicht.

Der Geschäftsführer betritt den Raum.
„Ho! Ho! Ho! Und Frohe Weihnachten“ grüße ich ihn voller Freude.
„Was soll das hier?“
„Was?“
„Na der ganze Weihnachtsmannblödsinn!“
„Wieso?“
„Was wieso?“
„Na, sie haben mich doch angestellt.“
„Hab ich nicht!“
„Aber, dass ist es was ich der Presse erzählen werde.“
„Na und?“
„Und was werden dann ihre alten katholischen Kunden sagen.“
Er versteht was ich ihm sagen will.
„Verschwinden sie.“
„Aber gerne doch.“
„Und nehmen sie die Lebkuchen aus dem Sortiment.“
„RAUS HIER!“
„Ok.“ ich gehe.
„Und lassen sie das Kostüm hier.“
„Gerne doch.“ Ich lasse den Mantel fallen und lege den Bart ab. Dann drehe ich mich um und gehe zu Tür.
„HALT“
„Was denn noch?“
„Sie können doch nicht...“
„Wieso?“
„Na sie sind... nackt.“
„Ja?“ natürlich, dass ist Sau warm unter so einem Mantel und das bei den Temperaturen.
„Ziehen sie sich was an!“
Ich greife nach dem Mantel.
„NEIN!“
„Wieso denn nicht?“
„Hier nehmen sie das!“
Er gibt mir eine der Uniformen, der Kram den die Angestellten hier tragen müssen, ist zwar nicht gerade schick, eigentlich sieht es eher aus wie etwas das Moshammers Töhle auf Koks unterm Baum produziert hat, aber ich ziehe es trotzdem an.
Draußen winke ich den beiden von vorhin fröhlich zu, die beiden haben immer noch die Salamis in der Hand. Hinter mir kommt der Geschäftsführer, noch immer vor Wut schäumend.
„Und euch allen ein frohes Fest!!“ rufe ich in die Runde und gehe. Alle schauen mich an.
„Was glotzt ihr denn so blöde!“ brüllt der Geschäftsführer hinter mir.
„Und ihr bringt die Salamis zurück.“ Die beiden ziehen geknickt ab, ich auch.

Zu Hause schnappe ich mir mein Handy, schalte die Nummerübermittlung aus und rufe den Leiter vom Universitätschor an und stelle mich als Filialleiter des Marktes vor.
„Ah, Hallo.“
„Ja ich brauche einen Chor für einen Werbefilm hier im Laden.“
„Und da dachten sie an uns?“
„Ja, gibt 500 Euro.“ Ich weiß doch wie knapp der Uni-Chor ist.
„Toll.“
„Oh und ich brauche Weihnachtslieder.“
„Ja kein Problem.“ Weiß ich. Miranda schimpft schon seit Anfang des Sommersemesters, dass sie nur Jingel-Bells singen. Die wird sich sowieso freuen wegen dem Auftritt. Oder sie wird mich killen, aber der Zweck heiligt die Mittel. Und ein riesen Spaß auf kosten eines Supermarkts und dessen Kunden ist doch ein prima Zweck.
„Gut, und können sie alle im Weihnachtsmann Kostüm kommen?“
„Ja, natürlich.“ Ich weiß auch wie der Chorleiter auf dämliche Verkleidungen steht.
„Und die Damen in kurzen Mänteln?“
„So kurz sie wollen.“ Außerdem ist er ein dämlicher Lustgreiß.
„Gut, nächsten Samstag?“
„Kein Problem.“
„Danke.“
So habe ich auch noch eine Woche Zeit um den Rest zu organisieren. Plan „X-Mess Now“ kann beginnen.

Am besagten Samstag gehe ich zur Ladenöffnungszeit in meinen lieblings Supermarkt. Als Kleidung hab ich wieder ein Weihnachtsmannkostüm gewählt wobei ich dafür sorge mit einem der Supermarkteigenen Namensschilder als Mitarbeiter durch zu gehen.
Zuerst begutachte ich die Arbeit der vergangenen Nacht. Natürlich musste ich in den Laden einbrechen um genügend Zeit zur Vorbereitung zu haben. Dafür sehen die 14 Tannenbäume die in voller Pracht geschmückt sind echt festlich aus und sorgen dafür, dass man alles außer dem Weg zur Kasse findet. Auch die Girlanden, Sterne und Zweige sehen reizend aus. In der Kühlabteilung ist es mir gelungen die Klimaanlage soweit runter zu drehen, dass Wasser auf dem Fußboden gefriert. Und die Eisschicht ist auch schon ganz ordentlich. Ich lege Schlittschuhe aus.
Während sich die Angestellten und die ersten Kunden wundern, gehe ich zum Eingang um den Chor abzupassen.
Nachdem ich den Chor gute 25 Minuten bei Laune gehalten habe, und die skeptischen Blicke von Miranda ertragen musste, ist auch der Chorleiter endlich da. Ich führe sie zu eine Bühne die ich aus und anstelle der Wäsche-Regale errichtet habe. Ich erkläre dem Chorleiter, er solle doch so tun als wäre nichts und zeige ihm meine versteckte Kamera.
„Das ist eine Kamera?“
„Natürlich“
„Das sieht aus wie ein Bund Socken.“
„Aber hat ein Bund Socken einen Stromanschluss?“
„Stimmt.“
„Tarnung ist eben alles.“
„Ja, da haben sie wohl recht.“

Der Chor geht sich im Aufenthaltsraum der Angestellten umziehen und Miranda passt mich ab.
„Du hast uns den Kram hier eingebrockt!“
„Japp.“
„Warum?“
„Um dem Filialleiter zu beweisen wie toll die Weihnachtszeit ist.“
„Du hasst die Weihnachtszeit.“
„Und er wird es auch bald.“
„Und die Klamotten?“
„Welche Klamotten?“
Miranda hält mir einen gürtelförmigen roten Rock mit weißem Plüsch unter die Nase.
„Was ist das?“
„Mein Kostüm.“
„Alles?“
„Nein.“ sie hält mir einen BH in ähnlicher Aufmachung dazu.
„Müssen das alle tragen?“
„Ja.“
„Auch die dicke Inge aus dem Alt?“
„Ja.“
„Uhhh.“

Ich gehe, und bin froh, dass ich Miranda nicht gestehen musste, dass ich natürlich daran schuld bin. Außerdem werde ich mich so wenig wie möglich in der Nähe des Chores aufhalten. Ok, Miranda wird tatsächlich den Anblick wert sein. Aber sagen wir es so, wenn man auf 8 Pixeln die Grafik von GTA IV hat und auf dem Rest die von GTA I, dann fällt die GTA IV Grafik zwar definitiv ins Auge, der Gesamteindruck ist aber trotzdem Mist.

Außerdem muss ich zum Wareneingang bevor noch jemand meinen Laster weg schickt.
„Bin ich hier richtig?“ fragt mich ein älterer LKW-Fahrer.
„Das kommt drauf an was sie für mich haben.“
„Naja, ich dachte das währ hier ein Zoo.“
„Hm, wir haben hier einen Haufen Affen, wenn sie das meinen.“
„Naja, öhm. Aber...“
„Sie haben hier eine Lieferung und ich soll sie entgegen nehmen, also ich weiß nicht wo da das Problem ist.“
In dem Moment steht der Filialleiter hinter mir. Ich schlucke lasse mir aber nichts anmerken.

„Gibt es hier ein Problem?“ schaltet er sich ein.
„Er will die Ware nicht auspacken.“ melde ich zügig, und drehe mich von ihm weg.
„Aha! Was ist denn das Problem?“ fragt er den Fahrer forsch.
„Also ich hab hier.. und ich ähm, denke nicht, dass.. öhm“ dieser ist sichtlich verunsichert.
„Also nun laden sie gefälligst ab!“
„Aber, das sind...“
„Papperlapap.“ ohja, er ist einer zu dem das Wort passt.
„Und sie helfen ihm, aber gerne.“
„Ok,“ der Fahrer hat aufgegeben. „dann unterschreiben sie bitte hier.“
Der Filialleiter tut es ohne zu lesen, sonst hätte er wohl gestutzt und sich gefragt was er mit sechs Rentieren soll. Aber eine Chance hat er jetzt sowieso nicht mehr, denn ich habe es bis zum Laster geschafft und die Türe geöffnet. Rudi und seine Freunde untersuchen freudig das Lager.
„Was ist denn das hier?“ brüllt der Filialleiter, als er sieht was die Lieferung ist, und das sie sich ganz alleine auslädt.
„Ihre Bestellung.“ sage ich ihm ins Gesicht und grinse ihn an.
„SIE!“
„Jupp.“
„SIE, Sie werden...!“
„die Tür zum Laden aufmachen und langsam gehen.“
„Nein.... SIE...“
„Ok, dann halt nicht..“
Ich reiße vor seinen Augen eine Schale mit eingeschweißten Karotten aus, und halte das größte Stück Gemüse welches ich darin finde einem Rentier unter die Nase. Dieses findet den Geruch wohl lecker.
„Sehen sie sind ganz nett die Tiere.“
„Aber...“ er weiß nicht was er sagen soll. Ich gehe derweil in den Laden. Die Rentiere folgen zwar nicht mir, aber den Karotten..
„HALT!! bleiben sie stehen!!“ brüllt er mir nach und verschreckt die armen Tiere, die sowieso total durcheinander sind.
„Froher Weihnachten“ rufe ich und gehe, gefolgt von einem halben Dutzend Rentiere.

Draußen in den Gängen des Ladens sehe ich verdutzte Kunden, einen überforderten Angestellten, und sechs neugierige Rentiere die vorsichtig den Laden erkunden. Ich zähle langsam bis zehn. Bei neun kommt mir aus dem Lager ein wutschnaubender Filialleiter entgegen. Ich rufe laut „ZEHN“ und renne weg. Gefolgt von einem wütenden Filialleiter der sich zwischen einem köttelnden und einem nicht köttelnden Rentier durchdrängen muss.
Aber er ist im Gegensatz zu mir gut in Form. Egal bei ner Runde Quake hätte er keine Chance. Und hier auch nicht wirklich, schließlich kenne ich das Level. Und so hat er auch, wie erwartet, deutliche Probleme sich au die veränderten Bodenverhältnisse im Kühlbereich zu gewöhnen.
So sitze ich auf der Käsetheke und bewerfe den am Boden liegenden Ladenhüter mit Babybell bis er wieder Halt gefunden hat. Als er langsam, und wirklich grimmig, auf mich zu schlittert laufe ich über die Käsetheke und springe hinter der Eisfläche auf den Boden. Mein Verfolger schlittert gestützt auf die Käsetheke hinter mir her. Ich warte geduldig um sofort das Weite zu suchen, sobald er wieder aufgeschlossen hat.
Vorbei an einigen Tannenbäumen und mit einer kurzen Pause weil der Jäger den Sprung über drei tief hängende Girlanden nicht geschafft hat, geht es direkt zur Bühne, auf der sich gerade der Chor formiert. Ich verschwinde im Gewimmel der singenden Weihnachtsmänner- und Frauen. Er such mich und wühlt sich langsam durch die Menge.
„Hier her!“ rufe ich. Er dreht sich ruckartig um, um mit voller Wucht gegen Inge zu prallen. Inge ist wirklich kein schöner Anblick. Der kurze Rock der bei Miranda wirklich gut aussieht verschwindet bei ihr fast vollständig unter dem Bauch. Der rot-weihnachtliche Plüsch-BH leistet Schwerstarbeit. Der Filialleiter geht zu Boden.
Leider kann ich nicht höhren was er genau sagt, aber es muss wohl irgend ein Schimpfwort bezogen auf Inges Körperfülle sein, sonst rastet sie nämlich nicht so aus. Die anderen Mädel helfen kräftig mit. Ich greife nach einer Tüte Chips und schaue weg. Ist echt kein schöner Anblick, nicht nur Inge, auch in seiner Haut möchte ich nicht stecken.
Letztendlich kann er sich retten. Was daran liegt, dass Inge ihren BH im Getümmel verloren hat und nun alle versuchen ihre Blöße zu bedecken.

Der Filialleiter sieht irgendwie etwas abgerissen aus. Sein Hemd ist zerrissen, und seine Hose scheint nur noch vom Gürtel gehalten zu werden. Außerdem sieht er nicht gerade glücklich aus. Gar nicht glücklich. Um genauer zu sein sieht er ziemlich wütend aus. Als würde ihm der Kopf platzen. Er geht langsam und brodelnd auf mich zu.
„SIE!!....SIIIEEEHHH!!!“
„Sie, da ein Rentier.“ er dreht sich um, ich werfe ihm die Chips an den Hinterkopf und ergreife wieder die Flucht. Aber langsam geht mir das Tom & Jerry spielen auf den Keks. Ich flüchte auf das Dach.

Dort wartet Heinrich auf mich. Dieser ist allerdings im Moment nicht so extrem gut auf mich zu sprechen. Was definitiv daran liegt, dass ich ihm gesagt habe er darf mit einer Kanone vom Dach des Supermarktes auf den Parkplatz feuern, dass es sich dabei um eine Schneekanone handelt hab ich wohl vergessen.
„Halt drauf.“ brülle ich ihm zu, als ich zu ihm renne.
„Wo drauf?“
„Auf ihn.“ Ich deute auf den Filialleiter, der gerade das Dach betritt. Heinrich lässt sich das nicht zwei mal sagen. Kurz darauf steht auf dem Dach ein Schneemann. Schade eigentlich, dass ich keine Karotte mehr habe, die haben alle die Rentiere bekommen. Egal.
Ich schaue mir an, was Heinrich derweil mit der Schneekanone auf dem Parkplatz angerichtet hat. Nur der Parkplatz ist nicht mehr da. Jeweils sehe ich ihn nicht. Was ich sehe ist eine Ansammlung von kleinen Rodelbergen, die zum Teil bis an das Dach auf dem wir stehen heran reichen. Schick.
Außerdem sehe ich zwei kleine grüne Männchen die sich mühsam aus einem komplett zugeschneiten VW-Transporter quälen und dann langsam größer werden.
Von hinter mir höre ich ein leises Stöhnen. Stimmt da war noch was. Ich schnappe mir die Schaufel die ich in weiser Vorraussicht für solche Zwecke gleich zur Schneekanone dazu gepackt habe, und beginne den Filialleiter auszugraben.

„Ne Karotte?“ frage ich das bibbernde Männchen, dessen Kopf nun wieder ganz aus dem Schnee ragt.
„Ne.ne..ne..ne...nein.“
„Hab auch keine mehr.“
Ich ziehe ihn aus dem Schneehaufen. Er sieht ziemlich blau aus.
„K..k...k....k...kalt.“
Recht hat er. Der künstliche Schnee schmilzt zwar erstaunlich langsam, bei 25°C aber er kühlt doch schon etwas, wenn man unter ihm begraben wird. Ich ziehe meinen Weihnachtsmann Mantel aus, und geben ihn ihm.
„D...d...d...dd..danke.“
„Ach kein Problem, ich hab ja was drunter.“ Ja, war zwar warm, aber ich dachte, dass es sich lohnen würde die hässliche Uniform der hiesigen Angestellten darunter zu ziehen. Und so scheint es auch zu sein, auf jeden Fall schauen mich die beiden kleinen grünen Männchen, die nun gar nicht mehr so klein sind, freundlicher an als den rot-gewandeten Filialleiter.

„Was ist hier los? Wer hat den Wahnsinn hier zu verantworten?“
Die Polizisten, die mühsam eine Schneewehe herrauf geklettert sind und nun auch auf dem Dach stehen, kommen direkt zum Punkt.
„Er!/Er!“ antworten der nicht Verantwortliche und ich gleichzeitig.
„Nein Er!/Ne, Er!“
„Aber../Er hat..“
„So, Einer nach dem Anderen.“ unterbricht uns einer der Polizisten.
„Er kam hier an, und hat den ganzen Kram angerichtet.“ fängt der Filialleiter sofort an.
„Wer hat hier denn das Weihnachtsmannkostüm an?“ meine ich ruhig.
„Aber das ist seiner!“
„Klar doch.“ meint einer der Polizisten, „kommen sie mal mit.“ Die beiden nehmen den armen Weihnachtsmann mit.
„Aber er hat... nicht ich! Er!... Aber! NEIN! NEEIINN! Es..“
Langsam wird es zur Normalität, dass Leute in meiner Gegenwart von der Polizei abgeführt werden. Immerhin war es diesesmal nicht die GSG9.

Ich verdrücke mich dann auch lieber, bevor Miranda noch merkt, dass ich an ihrer Kostümierung schuld bin.
„STEHEN BLEIBEN!“
Zu spät. Miranda hat mich doch erwischt. Ich dreh mich langsam zu ihr um. Sie sieht ziemlich angezogen aus, im Gegensatz zum Auftritt des Chores. Allerdings sieht sie auch in etwa so wütend aus wie der Filialleiter den ich zum Glück nicht mehr sehen muss.
„DU!!!“ Und sie klingt auch nicht gut.
Ich sehe ihre Hand auf mich zu kommen, reagiere aber zu spät. Miranda klebt mir eine, dreht sich um und geht.
Ok, irgendwie habe ich den verdient.
Naja, frohe Weihnachten euch allen.

Dienstag, 13. Mai 2008

Emos, Kaffeevollautomaten und Atomkraftwerke

In Erinnerung an Krümmel.

„Was machen wir denn heute Abend?“ fragt Jack mich. Ich stehe auf dem Balkon und rauche, er hat sich bei mir für ein paar Tage einquartiert. Naja, nicht direkt bei mir, sondern in dem Zimmer neben mir, dass seit zwei Wochen mal wieder frei ist. Der letzte Mieter faselte irgendwas von Spiderman will sein Unterschlupf wieder haben und Dr. Robotnik würde ihm Geld für seine Häschen geben, als die Männer ihm die Zwangsjacke anlegten.
Auf jeden Fall ist das Zimmer wieder frei, und ich habe den Schlüssel, außerdem ist es wesentlich sicherer zu wissen wo Jack sich aufhält. Auch wenn er mir immer noch nicht verraten wollte was er eigentlich hier macht.

„Was machen wir heute Abend?“ Jack reißt mich endgültig aus meinen Gedanken, ich schnippe den Stummel in die Tiefe und gehe ins Zimmer wo er nach neuen Rainald Grebe Videos auf YouTube sucht.
„Das selbe was wir jeden Abend machen...“ antworte ich.
„Wir versuchen die Weltherrschaft an uns zu reißen?“ vollendet Jack meinen Satz. „Och nicht schon wieder.“
„Ok was hältst du von „Emos trösten“?“
„Emos trösten?“ Jack schaut mich fragend an.
„Ist so eine Arte neue Trendsportart.“
„Warum tröstest du große Laufvögel. Und wo?“
„Nicht Emus, Emos!“
„Emos?“ Er versteht es nicht. Dabei kennt doch jeder die schwarz gekleideten Typen die auf den Sofas ihrer Eltern liegen boysetsfire hören und wirklich trübsinnige Gedanken denken. Die den ganzen Tag auf ihrer furchtbar, vor Kummer schweren, Seele kauen und dann Abends sich in die Independent Disco schleppen. Ich meine. Wenn selbst gemachte seelische Qualen Fahrrad fahren könnten wären die Typen schneller als Rassmussen, egal was er sich spritzt. Nun ja Jack, steht wohl gerade auf dem Schlauch.
„Du weißt schon, Emos, stehen so auf Partys rum und schauen betrübt an die Wand.“
„..“
„Schwarze Haare ins Gesicht gegelt und sonst auch recht dunkel gekleidet.“
„..“
„Die Typen denen sie im Supermarkt keine Rasierklingen verkaufen.“
„Ach die.“
„Bei denen sich der Elektriker weigert eine Steckdose im Badezimmer zu installieren.“
„Ja schon klar.“
„Die Typen bei denen man immer den Drang verspürt ihnen ein Hundewelpen zu schenken.“
„Meinst du nicht dass du den Witz etwas zu sehr auswalzt.“
„Die Typen die bei den Pfadfindern nicht genommen werden, weil keiner ihnen den Galgenknoten beibringen will.“
„Ja, Ja, ich habs ja verstanden.“
„Die Typen denen der Ausbilder beim Bund immer drei mal erklärt, dass sie bitte nur auf das Pappziel schießen sollen.“
„Es Reicht!“
„Gut, also Emos trösten?“
„Klar wie sind die Spielregeln?“
„Du gehst in eine Disco mit Independent-Tag und versuchst dort Emos zum lachen zu bringen. Jeder der Lacht bringt einen Punkt, wenn du einen dazu bringst eine von diesen roten Pappnasen“, ich zeige auf eine bereitstehende Schachtel, „aufzusetzen, gibt das fünf extra Punkte.“
„Klingt lustig.“
„Nein ist eher Sozialarbeit, lustig währe es ihnen stumpfe Rasierklingen, angeschnittene Seile und Pistolen mit Platzpatronen zu verkaufen.“

Wir machen uns fertig, stecken die Nasen ein und wollen los gehen.
„Wie bekommt man einen Emo vom Baum runter?“ frage ich Jack.
„Man erschießt die Katze.“ antwortet Jack.
„Nein,“ antworte ich, „man...“ In dem Moment fällt mein Blick auf den Kalender. Ich stoppe abrupt.
„Mist!“
„Mit Mist?“
„Nein wir können nicht Emos trösten ich muss an die Uni.“
„Wieso das so plötzlich?“ recht hat er, ich war die ganze Woche noch nicht an der Uni.
„Morgen ist TÜV-Tag in den Geisteswissenschaftlichen Fakultäten“
„Und das heißt?“
„Erkläre ich dir unterwegs, wir müssen an die Uni bevor die Nachtschicht des Sicherheitsdienstes ihren Dienst antritt.“
Wenig später sind wir an der Uni. Jeder von uns trägt einen Kasten Bier, die wir noch schnell an der Tankstelle gekauft haben. Als wir am Aufenthaltsraum des Sicherheitsdienstes ankommen treffen wir auf Ernst, der gerade seine erste Runde beginnen will.“
„Moin“
„Tach, hab mir schon gedacht, dass du kommst.“
„Ja, bin etwas spät dran.“
„Stell das Bier in den Kühlschrank, der Zentralschlüssel hängt am Brett.“
„Gut, danke, brauchst du irgendwas?“
„Ne neue Stereoanlage wäre nicht schlecht.“
„Hast du da was näheres im Auge?“
„Ja, im Kaffeezimmer der Germanisten steht ein sehr interessantes Objekt.“
„Ich seh was ich da machen kann, noch Zeit für ein Bier“
„Nein muss mich ran halten.“
„Ernst, wie bekommt man einen Emo vom Baum runter?“
„Jetzt nicht, in 5 Minuten gehen die Mädels vom Tennisunterricht im Sportzentrum duschen. Das kann ich nicht verpassen.“ Er zieht ab.
„Na dann halt nicht.“ meine ich.

„Wir sollten anfangen.“ deute ich Jack zum losgehen und nehme mir den Schlüssel.
„Was ist hier eigentlich los.“
„Mein Freund Ernst vom Sicherheitsdienst hat gerade meinen Emo-Witz abgewürgt, und vorher haben wir ihn bestochen, damit er uns den Zentralschlüssel für die Uni überlässt.
„Und was machen wir damit?“
„Zeig ich dir.“
Wir gehen in die Physik und dort zur Elektronikwerkstatt. Aus deren Lager hole ich einen Satz unterschiedlichster Stromkabel.
„Stromkabel?“
„Ja, aber nicht irgendwelche Stromkabel.“
„Sondern?“
„Stromkabel mit gekappter Masseleitung.“
„Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Also wir gehen jetzt in die Büros und Kaffeezimmer der Geisties und tauschen dort die Stromkabel der interessanten Geräten aus. Morgen geht dann der TÜV durch die Räume und überprüft alle Geräte, und wird bei allen, bei denen die Masse nicht geht den Stecker vom Kabel schneiden und es erstmal stilllegen. Wir gehen dann am Nachmittag durch und sammeln alles ein, was der TÜV stillgelegt hat.“
„Nicht schlecht, nicht schlecht.“
„Danke.“
„Aber werden dir die Geisties den Kram einfach so raus rücken?“
„Ja, glaub mir es sind Geisties.“

Beladen mit den Kabeln und Schraubenziehern gehen wir also in die Räume der Geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Dort arbeiten wir uns nach und nach durch dir elektrischen Geräte.
„Nimm nur neue und gute Technik und nicht zu viel, sonst fällt es auf.“
„OK“
„Hab hier 'nen Brandneuen Dell Laptop.“
Ich werfe ihm ein passendes Kabel zu.
Ein paar Laptops und die gewünschte Stereoanlage später stehen wir im Flur und überlegen was wir noch brauchen.
„Einen Kaffeevollautomaten.“ meine ich schließlich. Jack schaut mich an, seine Augen beginnen glasig zu werden bei dem Gedanken jeden Morgen den perfekten Kaffee aus frisch gemahlenen Kaffeebohnen trinken zu können, eventuell mit frischem Milchschaum und das alles ohne irgendwelche lästige Arbeit einfach nur auf einen Knopfdruck.
„Oh ja..“ meint er schließlich.
„Lass mal schauen was wir finden.“
„Da hinten war eine Senseo.“
„Ne, willst du diese blöden Kaffeepads kaufen? Und schmecken tut der auch nicht wirklich gut.“
Wir durchsuchen die einzelnen Kaffeeküchen und finden drei Maschinen die in die engere Auswahl kommen.
„Nehmen wir sie alle?“ fragt Jack.
„Nein das wäre zu auffällig,“ meine ich. „Wir sollten ausprobieren welche den besten Kaffee macht, und dann nur zwei nehmen.“
„Eine für dich eine für mich.“
„Genau.“
Gesagt, getan. Da alle Geräte das Stromkabel fest am Gerät haben, sitze ich drei Kaffee später mit einem Schraubenzieher da und vernichte die Masseleitung im Stecker einer AEG.
„Fertig?“ fragt Jack als er den Raum betritt.
„Jupp und du?“
„Auch.“
„Hast du alles wieder aufgeräumt?“
„Natürlich.“
„Dann sollten wir gehen.“

Leider hat das alles recht lange gedauert, so dass wir jetzt keine Zeit mehr haben uns um die Emos zu kümmern. Aber um diese Zeit mitten in der Nacht sind die nicht mehr auf den Partys um mit Weltuntergangsblick die Wand zu bearbeiten. Jetzt sind die Wahrscheinlich schon gut auf und unter den Autobahnbrücken verteilt. Sie fahren gerade nach hause und ich hoffe doch stark mit dem Fahrrad. (Um dort ihren Eltern auf das Sofa und den Geist zu gehen.)

„Wann sammeln wir morgen eigentlich unsere Beute ein?“ unterbricht mich Jack wieder mal beim Rauchen.
„So ab 14 Uhr, würde ich sagen, dann müsste der TÜV durch sein.“
„Gut passt mir perfekt.“
„Wieso noch was vor?“
„Ja muss morgen früh ins KKW.“
Das ist also der Grund warum er hier ist.
„Und was willst du da?“
„Hab ein Vorstellungsgespräch.“
„Im Kernkraftwerk? Als Brennstab?“
„Nein als Systemadmin.“
Oh man Jack als SysAd im KKW das wird der Super-Gau, wahrscheinlich sogar Wort wörtlich.
„Da komm ich mit.“ beschließe ich.
„Kann ich dich daran hindern?“
„Nur wenn du vorher eine Runde im Klärwerk schwimmen gehen willst.“
Auch wenn das Klärwerk noch nicht wieder fertig aufgebaut ist versteht Jack meine Drohung.

So stehen wir am nächsten Morgen kurz vor Acht am Tor des örtlichen KKW's.
„Ich bin zum Bewerbungsgespräch eingeladen.“ begrüßt Jack den Mann am Tor. Dieser gibt ihm einen Besucherausweis und lässt ihn passieren. Bei mir wird es nicht so einfach.
„Was wollen sie?“
„Ich bin wegen dem Bewerbungsgespräch hier.“ sage ich und will schon anfangen zu erklären, dass mein Name nicht auf der Liste steht weil die Auserirdischen mich letzte Woche entführt haben. Aber der Wachmann nickt nur und drückt mir einen Besucherausweis in die Hand.
„Ich steh auf der Besucherliste.“ meine ich verwundert zu Jack.
„Ja, ich hab mir schon gedacht, dass du mit kommen wirst. Und ich wollte dir nicht den Spaß versauen.“
„Gut wir sehen uns dann zum Mittag in der Kantine. Ich nehme mal an, dass du nach deinem Bewerbungsgespräch nicht gleich wieder gehen willst, oder?“
„Nein wozu habe ich denn einen Ausweis der mich berechtigt in sämtliche Sicherheitszonen zu gehen.“ Er deutet auf den Ausweis, der ihn tatsächlich dazu berechtigt. Während meiner mich nicht einmal auf die Toilette lassen wird.
„Mistkerl.“
„Danke, ich hab mir gedacht, wenn ich schon im System bin um deine Ankunft einzutragen, kann ich auch gleich noch meinen Status aufbessern.“
„Wir sehen uns um halb 12 im Zentralen Kontrollraum und wenn ich es nicht schaffe zahle ich das Mittagessen.“
„Abgemacht.“
„Wenn ich es schaffe, zahlst du!“
„Auch in Ordnung.“
Er grinst, und ich weiß, dass ich mir da eine ziemlich große Aufgabe zugemutet habe.

Ich gehe zurück zum Wachmann.
„Sagen sie, wissen sie wie man einen Emo vom Baum runter bekommt?“
„Man holt GreenPeace?“
„Emo, nicht Emu. Ach egal. Sagen sie ich kann den Aufenthaltsraum vom Putzpersonal nicht finden..“
„Was wollen sie den da?“
„Ich bin doch wegen dem Bewerbungsgespräch hier.“
„Ach so ich dachte sie bewerben sich auch als Computer-Futzie.“
„Nein Technik verwirrt mich immer.“
„Ja mich auch, sie müssen da hinten in das kleine Nebengebäude.“
Ich gehe wie mir gewiesen. Die Tür steht offen, aber es ist niemand da. Schnell schaue ich mich um und finde eine Uniform dir mir passt, und einen Ausweis des Putzpersonals. Perfekt. Die einzigen die in einem Gebäude außer dem Chef überall hin dürfen ist das Putzpersonal. Ich zieh mich um und bewege mich schon mal in Richtung Kontrollraum. Auf dem Weg treffe ich auf Jack, der sich im Flur gerade mit einer irrsinnig wichtig aussehenden Frau unterhält. Ich winke ihm, und er schaut mir verdutzt hinterher.
Den Kontrollraum finde ich problemlos, er ist sogar ausgeschildert. Ich ziehe die Magnetkarte des Putzpersonals durch den Kartenleser und die Tür öffnet sich, nicht. Ich versuche es nochmal, aber es geht nicht. Mist. Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche und ich schauen nach was Jack denn so zu sagen hat. Natürlich ist es tatsächlich eine SMS von Jack.
„Putzpersonal darf seit heute nicht mehr in den Kontrollraum. Lol. Und heute darf sowieso nur ich, ich nehm dann die Schweinshaxe.“

Er ist gut. Wäre aber auch zu einfach gewesen. Also schaue ich mich erst einmal um schließlich ist man nicht jeden Tag in einem Kernkraftwerk und da ich mich letztes Semester mit diesen Anlagen näher beschäftigt habe kann ich sogar einige der Geräte zuordnen.
Der Unterschied zwischen dem Transformatorenhaus und dem Reaktor ist ja noch für einen Laien zu sehen. Aber um den Unterschied zwischen dem normalen Stromnetz und der extra gesicherten Stromversorgung für den Kontrollraum zu erkennen braucht man schon ein geschulteres Auge. Eben so muss man wissen, dass dieses Netz im Notfall aus Akkus gespeist wird, damit keine Lücke entsteht in der es keine Stromversorgung gibt wie es bei Dieselgeneratoren der Fall wäre.
Außerdem sollte man wissen, dass man mit einem großen Spannungsstoß diese Akkus grillen kann.

Also fahre ich meinen Putzwagen zu dem Raum in dem eben jene Akkus liegen. Dieser Raum ist wirklich praktisch eingerichtet, er liegt voller Akkus, außerdem ist hinter der Außenwand das Transformatorenhaus welches ich durch das geöffnete(!) Fenster sehen kann. Wie leichtsinnig.
Ich packe zwei der Akkus auf meinen Wagen, womit dieser extrem schwer wird. Dann gehe ich raus zum Transformatorenhaus. Dort wird es noch besser, in einer Kammer liegen 10 Meter Starkstromkabel einfach so herum, ich nehme sie mir und klemme sie an den Trafo die andere Seite werfe ich durch das Fenster in den Raum mit den Akkus.
Zurück gehen, anschließen, dabei zusehen wie die Akkus langsam schwarz werden und stinken.
Anschließend nehme ich mir einen herrenlosen Gabelstapler und fahre ihn in die Stromkabel was zuverlässig die Hauptstromversorgung ausknipst. Die Leute hier sollten echt was für ihre Sicherheit tun, eigentlich ist das kein Zustand.

Ich steige aus dem Gabelstapler und schaue mir zufrieden mein Werk an. Sogar das Transformatorenhaus beginnt zu brennen. Und vom Reaktor her kann ich leise Sirenen hören. Ich nehme mir meinen Putzwagen und fahre gemütlich zum Kontrollraum während um mich herum Leute panisch irgendwelche Dinge tun. Nur die Tür zum Kontrollraum bleibt verschlossen.
Durch die bruchsichere Scheibe in der Tür kann ich Jack sehen. Er versucht die Rechner wieder zum laufen zu bringen. Nutzlos ohne Strom.
„Was den los.“ frage ich mit meinem besten russischen Akzent die Frau die vorhin schon so wichtig aussah, und im Moment eher panisch Aussieht.
„Die Computer gehen nicht. Wir können die Anlage nicht steuern.“
„Da, wird es plodieren?“
„Plodieren?!?! Wir werden alle sterben.!!!“
„Oh, Sie wissen, wie man kriegen Emo von Baum?“
„Ich muss meiner Familie Bescheid sagen“ sie stürmt von dannen. Ich hätte gedacht, dass die Leute hier in solchen Dingen geschult werden. Egal, mein Handy klingelt.

„Weist du wie man einen Emo dazu bringt...“
„Lass das,“ unterbricht mich Jack, „ich weiß, dass du daran Schuld bist.“
„Ja.“
„Mach es wieder ganz.“
„Naja, dazu müsst ich in den Kontrollraum.“ Ich schaue auf die Uhr es ist kurz vor halb zwölf.
„Niemals.“
„Dann werden wir alle sterben. Und das nur weil die Computer nicht hochfahren.“
„Ok, Ok du hast gewonnen.“
„Dann mach die Tür auf.“
Endlich im Kontrollraum klemme ich in Windeseile die mitgebrachten Akkus an den Hauptcomputer welcher auch prompt hochfährt.
„Die reichen keine 5 Minuten du solltest also besser sofort die ganze Anlage runter fahren.“ bemerke ich trocken. Er tut es. Wir gehen essen.

Rechtzeitig, so gegen 14 Uhr sind wir wieder in der Uni. Ohne große Probleme rücken die betroffenen ihre Laptops raus, nachdem wir ihnen erklärt haben, dass die vom TÜV stillgelegt wurden, und sie die unmöglich weiter betreiben können, wir die aber gerne für sie entsorgen.

Am Ende stehen wir vor dem letzten Kaffeevollautomaten, dieser wird energisch von der Sekretärin verteidigt.
„..Es ist mir egal, dass der TÜV sagt, dass die Maschine nicht betrieben werden darf, sie funktioniert und ich gebe sie nicht weg.“
Die Coffeinsucht spricht ihr aus den Augen.
„Aber das Massekabel ist defekt.“
„Die ist doch noch ganz neu.“
„Noch ganz neu, mit defektem Massekabel. Wissen sie denn nicht was mit einem defekten Massekabel alles passieren kann, haben sie denn keine Ahnung was sie anrichten?“ rege ich mich künstlich auf.
„Nein, ich weiß doch..“
„Erkläre es ihr Jack.“
„Meinst du wir können..“ Jack weiß nicht was er sagen soll und versucht auszuweichen.
„Wir müssen unterbreche ich ihn, es geht um die Sicherheit von uns allen.“
„Dann mach du es.“ gibt Jack mir den Ball zurück, aber ich bin vorbereitet.
„Wir sagen es niemandem, weil das Wissen in den falschen Händen schreckliches bewirken kann. Sehen sie die Masseleitung leitet den verbrauchten Strom zurück ins Atomkraftwerk.“
„Ich dachte, die hätte was mit dem Gewicht des Stromes zu tun.“ fällt sie mir ins Wort.
„Nein der Name ist Tarnung.“ fahre ich fort. „Der Strom wird dort wieder aufbereitet. Dies ist sehr umweltschonend hat aber einen Nachteil, wenn nicht genügend Strom zurück kommt, fehlt es im Kraftwerk. Das Kraftwerk versucht den Strom wieder auf zu laden findet aber nicht genug Strom. Also stopft es den überflüssigen Strom einfach irgendwo hin. Und das ist nicht gut“
„Sie meinen wenn mein Strom nicht zurück kommt..“
„Wenn zu viel Strom nicht zurück kommt, dann kann das Kraftwerk explodieren.“
„Aber mir hat nie jemand gesagt.“
„Wenn die Terroristen wüssten, dass man mit defekten Massekabeln unserer Kraftwerke sprengen kann, dann gebe es Deutschland nicht mehr.“ sage ich pathetisch.
„Aber es muss doch Puffer geben, ich meine falls mal irgendwas..“
„Die gibt es aber manchmal..“
Wie bestellt kommt eine ihrer Kolleginnen in den Raum gestürzt.
„Hasst du schon gehört im Kraftwerk brennt es!!“
„Oh mein Gott“ sage ich geschockt.
„Oh, ich wusste ja nicht... Nehmen sie sie mit, bitte nehmen sie sie mit!“ Sie schaut mich flehend an.
„Sagen sie wissen sie wie man einen Emo vom Baum runter bekommt?“ frage ich sie ernst.
„...“ Sie sagt nichts und schaut mich nur ängstlich an.
„Gehen sie und schauen sie sich die Katastrophe im Fernsehen an.“ meine ich. „Wir kümmern uns hier um alles.“
Sie geht „Gehen sie!“ rufe ich ihr nach, dass manische Lachen kann ich mir noch gerade so verkneifen.
Wir packen ein und gehen.

„Jack?“
„Ja?“
„Lust auf einen Kaffee?“
„Ja.“
„Und Jack?“
„Ja?“
„Weißt du wie man einen Emo vom Baum herunter holt?“
„Nein.“
„Man...“