Ich sitze und zocke mal wieder World of Worcraft, seit Stunden, oder länger. Keine Ahnung. Routiniert greife ich neben mich nach der Colaflasche und setze sie an und trinke einen großen Schluck Luft. Wenn ich mich recht erinnere war das die letzten vier mal auch schon so.
Es hilft nichts. In meinem Zimmer hat es gefühlte 40°C und ich verdurste. Außerdem brauche ich das Coffein. Ich gehe in die Küche um eine neue Flasche aus dem Kühlschrank zu holen.
„Moin Helmut.“
„..“
Helmut ist nicht da. Nur ein Zettel auf dem Steht, dass er sich für zwei Wochen mit einem Mettbrötchen nach Norwegen verzogen hat, weil es ihm hier zu warm ist. Von meiner Cola steht da allerdings nichts. Nicht nur auf dem Zettel nicht auch nicht im Kühlschrank. Irgendwer hat meine letzte Cola getrunken! Ich hasse meine Mittbewohner, aber heute ist es definitiv zu warm für Rache. Ich notiere mir gedanklich ein Reagenzglas mit Mentos so in eine Flasche zu kleben, dass sie rein fällt sobald man die Flasche öffnet, und diese in den Kühlschrank zu stellen. Aber das hat noch Zeit. Jetzt muss erst einmal die Cola ersetzt werden. Und wenn ich schon mal in einen Supermarkt gehe, kann ich auch gleich noch Pizzen, Chips, Kekse und Mentos mit nehmen. Ich ziehe mir Sandalen über und latsche zum Supermarkt meines Vertrauens. Beziehungsweise zu dem um die Ecke.
Ich werfe alles nötige in einen Korb und bewege mich zur Kasse. Zwischen zwei Regalen habe ich plötzlich das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Langsam gehe ich zurück und schaue mich aufmerksam um, um zu sehen was meinen Argwohn erweckt hat.
Da ist es.
Lebkuchen.
Kann es sein, dass ich irgendwie drei Monate länger vor WoW saß als gedacht? Ich meine wäre ja nicht das erste mal, dass so etwas passiert. Und das wir im Winter knappe 30°C im Schatten haben ist nun auch nicht gerade ungewöhnlich. Das wirklich schlimme an den drei Monaten ist aber, dass ich Unreal Tournament 3 verpasst habe. Und den Semesterbegin, aber was ist hier wohl wichtiger.
Ich gehe zur Kasse, dort sitzt eine junge Frau mit schwarzen Haaren, Pickeln und einem PGB (Pavarotti-Gedächtnis-Bauch).
„Sagen sie welches Datum haben wir heute?“ frage ich sie, während sie meinen Einkauf über den Scanner zieht.
„Den 31. August. 2007“
Hätte ich mir eigentlich auch denken könne, ist wohl auch der Grund warum vor und hinter mir Jugendliche Stangen von Zigaretten kaufen, ab morgen dürfen sie ja nicht mehr.
Auf jeden Fall bin ich erleichtert. Unreal Tournament 3 liegt noch vor mir. Und jetzt wo der Schock überstanden ist, wird mir auch wieder bewusst das ich ja in Deutschland bin. Dem Land wo ein Monat zwischen Osterhasen und Weihnachtsmann liegt, jedenfalls wenn man in die Supermärkte schaut.
„Wieso?“ will die Kassendame wissen.
Und mir wird gerade bewusst, dass ich diesen Umstand hasse. Wir haben Ende August und im Laden gibt es Lebkuchen und Weihnachtsmänner. Bei tropischen Temperaturen. Sonne, Strand und Christbaumkugeln. Zum kotzen. Wobei es wohl ganz lustig wäre die Splitter von einer Wagenladung Christbaumkugeln am Strand zu verteilen. Jedenfalls wenn man bei einem kühlen Bier in der Strandbar sitzt und den Familien mit den kleinen Bratzen und ihren Sandburgen beim fluchen zusieht.
„Ach, hab gedacht ich hätte drei Monate vor dem PC verpennt.“Antworte ich wahrheitsgemäß und bezahle.
„Einen schönen Tag noch.“ wünscht sie mir und grinst über beide Zahnlücken.
„Ein Frohes Fest.“ wünsch ich ihr und gehe. Sie schaut mir verwirrt nach. Aber wenn sie schon den ganzen Advents und Weihnachtskram verkauft, dann kann ich ihr auch frohe Weihnachten wünschen.
Ich gehe nach Hause. Jedes Jahr habe ich diesen Kram über mich ergehen lassen, dieses mal nicht. Es reicht schon wenn ich diese widerliche Weihnachtszeit den ganzen Dezember über ertragen muss, da will ich wenigstens im September, Oktober und November meine Ruhe haben. Sie haben es nicht anders gewollt. X-Mess now!
Am nächsten Tag gehe ich wieder in den Supermarkt, im Weihnachtsmannkostüm.
„Guck mal Mamma, der Weihnachtsmann.“
Jupp, genau. Und zwar wie im Fernsehen.
„Wie heißt du denn Kleine?“ Frage ich das Mädchen was hingebungsvoll in der Nase bohrt während die Mutter die Preise des Klopapiers vergleicht.
„Nnnn Nadin-Saskia“
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Nadin?“
„Nadin-Saskia!“ Ach ja, stimmt die Mutter von Welt gibt ihrem Kind einen Doppelnamen.
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Nadin-Saskia?“
„Nnnn, ein Ponny, und einen Auto?“
„Aber du bist doch noch zu Jung zum Autofahren.“ sage ich freundlich.
„Nnnnn Ja. Aber das Ponny nicht.“
„Was machen sie da mit meinem Kind!!“ Oh die Mutter hat sich für das billige Sandpapier-Klopapier entschieden.
„Ich bin der Weihnachtsmann, ich frag sie was sie sich wünscht.“
„Wir haben September!“ Recht hat sie ja.
„Hier nehmen sie einen Schokoladenweihnachtsmann.“
„Geschenkt?“
„Natürlich geschenkt, ist doch bald Weihnachten. Und passen sie auf ihre Autoschlüssel auf.“
„Wieso?“
„Könnte sein, dass ihr Ponny sie klaut.“
Sie geht und nimmt den ihr gebotenen Weihnachtsmann mit.
Der nächste Junge tritt mir gegen das Schienbein und rennt weg. Kann man ihm natürlich nicht verübeln. Ich werfe ihm eine halb Lieter Flasche Cola hinterher. Die trifft zwar nicht platzt aber herrlich und versaut das weiße Kostüm der Mutter. Ich verdrücke mich vor der schreienden Mutter in die Spielzeugabteilung.
Da treffe ich den kleinen Karl-Kevin. Der ist noch nicht in der Schule und hat deswegen wohl noch nicht begriffen was seine Eltern ihm mit dem Namen angetan haben. Aber der Schulhof wird das wohl richten, geh ich mal von aus.
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten Karl-Kevin?“
„Aber es ist doch noch gar nicht Weihnachten.“
„Natürlich, sonst wäre ich doch nicht hier.“
„Dann will ich ein Fahrrad.“
Naja Fahrräder stehen hier auch rum. Also mal suchen, den Pappa lassen wir derweil beim Bier. Wenig später sitzt der kleine Karl-Kevin auf dem kleinsten Fahrrad das ich finden konnte, welches ihm nur ein bisschen zu groß ist. Und noch ein wenig später bin ich mir sicher, dass er mich belogen hat, als er sagte, dass er fahren kann. Dieser Lüge ist sich wohl auch ein Rentner und das Regal mit den Chips bewusst. Ich gehe in Richtung Kühlregal als der Pappa des kleinen Karl-Kevin seinen K-K aus dem Regal sammelt und dem schimpfenden Rentner seinen Einkaufswagen wieder einräumt den der k K-K mit ins Regal genommen hat.
„Aber der Weihnachtsmann hat gesagt...“
„Den Weihnachtsmann gibt’s gar nicht!!“ brüllt der Vater den kleinen an. Dieser beginnt zu heulen. Ich gehe lieber.
Zwischen den Würsten treffe ich auf zwei Angestellte des Geschäftes.
„Frohe Weihnachten“ begrüße ich sie.
„Wir sollen dich zum Geschäftsführer bringen.“ sagt der pickligere von Beiden.
„Aber das geht doch nicht“ antworte ich.
„Wieso?“ die beiden sind noch verwirrter.
„Weil ich euch dann mit einer Wurst verprügeln muss.“ ich greife nach einer langes Salami und schwinge sie drohend über meinem Kopf. Zwei gebrochene Salamis später sitze ich im Aufenthaltsraum der Angestellten, bewacht von zwei heldenhaften Mitarbeitern die mich „überwältigt“ haben. Ich hab aufgegeben, weil man mit Würsten nur kleine Prellungen hinbekommt, und ich sowieso mit dem Geschäftsführer sprechen wollte.
„Schade das nur einer Mitarbeiter des Monats werden kann.“ frotzle ich die Beiden an die sich ihrerseits mit Salami bewaffnet haben, und hinter mir stehen. Antworten tun sie mir nicht.
Der Geschäftsführer betritt den Raum.
„Ho! Ho! Ho! Und Frohe Weihnachten“ grüße ich ihn voller Freude.
„Was soll das hier?“
„Was?“
„Na der ganze Weihnachtsmannblödsinn!“
„Wieso?“
„Was wieso?“
„Na, sie haben mich doch angestellt.“
„Hab ich nicht!“
„Aber, dass ist es was ich der Presse erzählen werde.“
„Na und?“
„Und was werden dann ihre alten katholischen Kunden sagen.“
Er versteht was ich ihm sagen will.
„Verschwinden sie.“
„Aber gerne doch.“
„Und nehmen sie die Lebkuchen aus dem Sortiment.“
„RAUS HIER!“
„Ok.“ ich gehe.
„Und lassen sie das Kostüm hier.“
„Gerne doch.“ Ich lasse den Mantel fallen und lege den Bart ab. Dann drehe ich mich um und gehe zu Tür.
„HALT“
„Was denn noch?“
„Sie können doch nicht...“
„Wieso?“
„Na sie sind... nackt.“
„Ja?“ natürlich, dass ist Sau warm unter so einem Mantel und das bei den Temperaturen.
„Ziehen sie sich was an!“
Ich greife nach dem Mantel.
„NEIN!“
„Wieso denn nicht?“
„Hier nehmen sie das!“
Er gibt mir eine der Uniformen, der Kram den die Angestellten hier tragen müssen, ist zwar nicht gerade schick, eigentlich sieht es eher aus wie etwas das Moshammers Töhle auf Koks unterm Baum produziert hat, aber ich ziehe es trotzdem an.
Draußen winke ich den beiden von vorhin fröhlich zu, die beiden haben immer noch die Salamis in der Hand. Hinter mir kommt der Geschäftsführer, noch immer vor Wut schäumend.
„Und euch allen ein frohes Fest!!“ rufe ich in die Runde und gehe. Alle schauen mich an.
„Was glotzt ihr denn so blöde!“ brüllt der Geschäftsführer hinter mir.
„Und ihr bringt die Salamis zurück.“ Die beiden ziehen geknickt ab, ich auch.
Zu Hause schnappe ich mir mein Handy, schalte die Nummerübermittlung aus und rufe den Leiter vom Universitätschor an und stelle mich als Filialleiter des Marktes vor.
„Ah, Hallo.“
„Ja ich brauche einen Chor für einen Werbefilm hier im Laden.“
„Und da dachten sie an uns?“
„Ja, gibt 500 Euro.“ Ich weiß doch wie knapp der Uni-Chor ist.
„Toll.“
„Oh und ich brauche Weihnachtslieder.“
„Ja kein Problem.“ Weiß ich. Miranda schimpft schon seit Anfang des Sommersemesters, dass sie nur Jingel-Bells singen. Die wird sich sowieso freuen wegen dem Auftritt. Oder sie wird mich killen, aber der Zweck heiligt die Mittel. Und ein riesen Spaß auf kosten eines Supermarkts und dessen Kunden ist doch ein prima Zweck.
„Gut, und können sie alle im Weihnachtsmann Kostüm kommen?“
„Ja, natürlich.“ Ich weiß auch wie der Chorleiter auf dämliche Verkleidungen steht.
„Und die Damen in kurzen Mänteln?“
„So kurz sie wollen.“ Außerdem ist er ein dämlicher Lustgreiß.
„Gut, nächsten Samstag?“
„Kein Problem.“
„Danke.“
So habe ich auch noch eine Woche Zeit um den Rest zu organisieren. Plan „X-Mess Now“ kann beginnen.
Am besagten Samstag gehe ich zur Ladenöffnungszeit in meinen lieblings Supermarkt. Als Kleidung hab ich wieder ein Weihnachtsmannkostüm gewählt wobei ich dafür sorge mit einem der Supermarkteigenen Namensschilder als Mitarbeiter durch zu gehen.
Zuerst begutachte ich die Arbeit der vergangenen Nacht. Natürlich musste ich in den Laden einbrechen um genügend Zeit zur Vorbereitung zu haben. Dafür sehen die 14 Tannenbäume die in voller Pracht geschmückt sind echt festlich aus und sorgen dafür, dass man alles außer dem Weg zur Kasse findet. Auch die Girlanden, Sterne und Zweige sehen reizend aus. In der Kühlabteilung ist es mir gelungen die Klimaanlage soweit runter zu drehen, dass Wasser auf dem Fußboden gefriert. Und die Eisschicht ist auch schon ganz ordentlich. Ich lege Schlittschuhe aus.
Während sich die Angestellten und die ersten Kunden wundern, gehe ich zum Eingang um den Chor abzupassen.
Nachdem ich den Chor gute 25 Minuten bei Laune gehalten habe, und die skeptischen Blicke von Miranda ertragen musste, ist auch der Chorleiter endlich da. Ich führe sie zu eine Bühne die ich aus und anstelle der Wäsche-Regale errichtet habe. Ich erkläre dem Chorleiter, er solle doch so tun als wäre nichts und zeige ihm meine versteckte Kamera.
„Das ist eine Kamera?“
„Natürlich“
„Das sieht aus wie ein Bund Socken.“
„Aber hat ein Bund Socken einen Stromanschluss?“
„Stimmt.“
„Tarnung ist eben alles.“
„Ja, da haben sie wohl recht.“
Der Chor geht sich im Aufenthaltsraum der Angestellten umziehen und Miranda passt mich ab.
„Du hast uns den Kram hier eingebrockt!“
„Japp.“
„Warum?“
„Um dem Filialleiter zu beweisen wie toll die Weihnachtszeit ist.“
„Du hasst die Weihnachtszeit.“
„Und er wird es auch bald.“
„Und die Klamotten?“
„Welche Klamotten?“
Miranda hält mir einen gürtelförmigen roten Rock mit weißem Plüsch unter die Nase.
„Was ist das?“
„Mein Kostüm.“
„Alles?“
„Nein.“ sie hält mir einen BH in ähnlicher Aufmachung dazu.
„Müssen das alle tragen?“
„Ja.“
„Auch die dicke Inge aus dem Alt?“
„Ja.“
„Uhhh.“
Ich gehe, und bin froh, dass ich Miranda nicht gestehen musste, dass ich natürlich daran schuld bin. Außerdem werde ich mich so wenig wie möglich in der Nähe des Chores aufhalten. Ok, Miranda wird tatsächlich den Anblick wert sein. Aber sagen wir es so, wenn man auf 8 Pixeln die Grafik von GTA IV hat und auf dem Rest die von GTA I, dann fällt die GTA IV Grafik zwar definitiv ins Auge, der Gesamteindruck ist aber trotzdem Mist.
Außerdem muss ich zum Wareneingang bevor noch jemand meinen Laster weg schickt.
„Bin ich hier richtig?“ fragt mich ein älterer LKW-Fahrer.
„Das kommt drauf an was sie für mich haben.“
„Naja, ich dachte das währ hier ein Zoo.“
„Hm, wir haben hier einen Haufen Affen, wenn sie das meinen.“
„Naja, öhm. Aber...“
„Sie haben hier eine Lieferung und ich soll sie entgegen nehmen, also ich weiß nicht wo da das Problem ist.“
In dem Moment steht der Filialleiter hinter mir. Ich schlucke lasse mir aber nichts anmerken.
„Gibt es hier ein Problem?“ schaltet er sich ein.
„Er will die Ware nicht auspacken.“ melde ich zügig, und drehe mich von ihm weg.
„Aha! Was ist denn das Problem?“ fragt er den Fahrer forsch.
„Also ich hab hier.. und ich ähm, denke nicht, dass.. öhm“ dieser ist sichtlich verunsichert.
„Also nun laden sie gefälligst ab!“
„Aber, das sind...“
„Papperlapap.“ ohja, er ist einer zu dem das Wort passt.
„Und sie helfen ihm, aber gerne.“
„Ok,“ der Fahrer hat aufgegeben. „dann unterschreiben sie bitte hier.“
Der Filialleiter tut es ohne zu lesen, sonst hätte er wohl gestutzt und sich gefragt was er mit sechs Rentieren soll. Aber eine Chance hat er jetzt sowieso nicht mehr, denn ich habe es bis zum Laster geschafft und die Türe geöffnet. Rudi und seine Freunde untersuchen freudig das Lager.
„Was ist denn das hier?“ brüllt der Filialleiter, als er sieht was die Lieferung ist, und das sie sich ganz alleine auslädt.
„Ihre Bestellung.“ sage ich ihm ins Gesicht und grinse ihn an.
„SIE!“
„Jupp.“
„SIE, Sie werden...!“
„die Tür zum Laden aufmachen und langsam gehen.“
„Nein.... SIE...“
„Ok, dann halt nicht..“
Ich reiße vor seinen Augen eine Schale mit eingeschweißten Karotten aus, und halte das größte Stück Gemüse welches ich darin finde einem Rentier unter die Nase. Dieses findet den Geruch wohl lecker.
„Sehen sie sind ganz nett die Tiere.“
„Aber...“ er weiß nicht was er sagen soll. Ich gehe derweil in den Laden. Die Rentiere folgen zwar nicht mir, aber den Karotten..
„HALT!! bleiben sie stehen!!“ brüllt er mir nach und verschreckt die armen Tiere, die sowieso total durcheinander sind.
„Froher Weihnachten“ rufe ich und gehe, gefolgt von einem halben Dutzend Rentiere.
Draußen in den Gängen des Ladens sehe ich verdutzte Kunden, einen überforderten Angestellten, und sechs neugierige Rentiere die vorsichtig den Laden erkunden. Ich zähle langsam bis zehn. Bei neun kommt mir aus dem Lager ein wutschnaubender Filialleiter entgegen. Ich rufe laut „ZEHN“ und renne weg. Gefolgt von einem wütenden Filialleiter der sich zwischen einem köttelnden und einem nicht köttelnden Rentier durchdrängen muss.
Aber er ist im Gegensatz zu mir gut in Form. Egal bei ner Runde Quake hätte er keine Chance. Und hier auch nicht wirklich, schließlich kenne ich das Level. Und so hat er auch, wie erwartet, deutliche Probleme sich au die veränderten Bodenverhältnisse im Kühlbereich zu gewöhnen.
So sitze ich auf der Käsetheke und bewerfe den am Boden liegenden Ladenhüter mit Babybell bis er wieder Halt gefunden hat. Als er langsam, und wirklich grimmig, auf mich zu schlittert laufe ich über die Käsetheke und springe hinter der Eisfläche auf den Boden. Mein Verfolger schlittert gestützt auf die Käsetheke hinter mir her. Ich warte geduldig um sofort das Weite zu suchen, sobald er wieder aufgeschlossen hat.
Vorbei an einigen Tannenbäumen und mit einer kurzen Pause weil der Jäger den Sprung über drei tief hängende Girlanden nicht geschafft hat, geht es direkt zur Bühne, auf der sich gerade der Chor formiert. Ich verschwinde im Gewimmel der singenden Weihnachtsmänner- und Frauen. Er such mich und wühlt sich langsam durch die Menge.
„Hier her!“ rufe ich. Er dreht sich ruckartig um, um mit voller Wucht gegen Inge zu prallen. Inge ist wirklich kein schöner Anblick. Der kurze Rock der bei Miranda wirklich gut aussieht verschwindet bei ihr fast vollständig unter dem Bauch. Der rot-weihnachtliche Plüsch-BH leistet Schwerstarbeit. Der Filialleiter geht zu Boden.
Leider kann ich nicht höhren was er genau sagt, aber es muss wohl irgend ein Schimpfwort bezogen auf Inges Körperfülle sein, sonst rastet sie nämlich nicht so aus. Die anderen Mädel helfen kräftig mit. Ich greife nach einer Tüte Chips und schaue weg. Ist echt kein schöner Anblick, nicht nur Inge, auch in seiner Haut möchte ich nicht stecken.
Letztendlich kann er sich retten. Was daran liegt, dass Inge ihren BH im Getümmel verloren hat und nun alle versuchen ihre Blöße zu bedecken.
Der Filialleiter sieht irgendwie etwas abgerissen aus. Sein Hemd ist zerrissen, und seine Hose scheint nur noch vom Gürtel gehalten zu werden. Außerdem sieht er nicht gerade glücklich aus. Gar nicht glücklich. Um genauer zu sein sieht er ziemlich wütend aus. Als würde ihm der Kopf platzen. Er geht langsam und brodelnd auf mich zu.
„SIE!!....SIIIEEEHHH!!!“
„Sie, da ein Rentier.“ er dreht sich um, ich werfe ihm die Chips an den Hinterkopf und ergreife wieder die Flucht. Aber langsam geht mir das Tom & Jerry spielen auf den Keks. Ich flüchte auf das Dach.
Dort wartet Heinrich auf mich. Dieser ist allerdings im Moment nicht so extrem gut auf mich zu sprechen. Was definitiv daran liegt, dass ich ihm gesagt habe er darf mit einer Kanone vom Dach des Supermarktes auf den Parkplatz feuern, dass es sich dabei um eine Schneekanone handelt hab ich wohl vergessen.
„Halt drauf.“ brülle ich ihm zu, als ich zu ihm renne.
„Wo drauf?“
„Auf ihn.“ Ich deute auf den Filialleiter, der gerade das Dach betritt. Heinrich lässt sich das nicht zwei mal sagen. Kurz darauf steht auf dem Dach ein Schneemann. Schade eigentlich, dass ich keine Karotte mehr habe, die haben alle die Rentiere bekommen. Egal.
Ich schaue mir an, was Heinrich derweil mit der Schneekanone auf dem Parkplatz angerichtet hat. Nur der Parkplatz ist nicht mehr da. Jeweils sehe ich ihn nicht. Was ich sehe ist eine Ansammlung von kleinen Rodelbergen, die zum Teil bis an das Dach auf dem wir stehen heran reichen. Schick.
Außerdem sehe ich zwei kleine grüne Männchen die sich mühsam aus einem komplett zugeschneiten VW-Transporter quälen und dann langsam größer werden.
Von hinter mir höre ich ein leises Stöhnen. Stimmt da war noch was. Ich schnappe mir die Schaufel die ich in weiser Vorraussicht für solche Zwecke gleich zur Schneekanone dazu gepackt habe, und beginne den Filialleiter auszugraben.
„Ne Karotte?“ frage ich das bibbernde Männchen, dessen Kopf nun wieder ganz aus dem Schnee ragt.
„Ne.ne..ne..ne...nein.“
„Hab auch keine mehr.“
Ich ziehe ihn aus dem Schneehaufen. Er sieht ziemlich blau aus.
„K..k...k....k...kalt.“
Recht hat er. Der künstliche Schnee schmilzt zwar erstaunlich langsam, bei 25°C aber er kühlt doch schon etwas, wenn man unter ihm begraben wird. Ich ziehe meinen Weihnachtsmann Mantel aus, und geben ihn ihm.
„D...d...d...dd..danke.“
„Ach kein Problem, ich hab ja was drunter.“ Ja, war zwar warm, aber ich dachte, dass es sich lohnen würde die hässliche Uniform der hiesigen Angestellten darunter zu ziehen. Und so scheint es auch zu sein, auf jeden Fall schauen mich die beiden kleinen grünen Männchen, die nun gar nicht mehr so klein sind, freundlicher an als den rot-gewandeten Filialleiter.
„Was ist hier los? Wer hat den Wahnsinn hier zu verantworten?“
Die Polizisten, die mühsam eine Schneewehe herrauf geklettert sind und nun auch auf dem Dach stehen, kommen direkt zum Punkt.
„Er!/Er!“ antworten der nicht Verantwortliche und ich gleichzeitig.
„Nein Er!/Ne, Er!“
„Aber../Er hat..“
„So, Einer nach dem Anderen.“ unterbricht uns einer der Polizisten.
„Er kam hier an, und hat den ganzen Kram angerichtet.“ fängt der Filialleiter sofort an.
„Wer hat hier denn das Weihnachtsmannkostüm an?“ meine ich ruhig.
„Aber das ist seiner!“
„Klar doch.“ meint einer der Polizisten, „kommen sie mal mit.“ Die beiden nehmen den armen Weihnachtsmann mit.
„Aber er hat... nicht ich! Er!... Aber! NEIN! NEEIINN! Es..“
Langsam wird es zur Normalität, dass Leute in meiner Gegenwart von der Polizei abgeführt werden. Immerhin war es diesesmal nicht die GSG9.
Ich verdrücke mich dann auch lieber, bevor Miranda noch merkt, dass ich an ihrer Kostümierung schuld bin.
„STEHEN BLEIBEN!“
Zu spät. Miranda hat mich doch erwischt. Ich dreh mich langsam zu ihr um. Sie sieht ziemlich angezogen aus, im Gegensatz zum Auftritt des Chores. Allerdings sieht sie auch in etwa so wütend aus wie der Filialleiter den ich zum Glück nicht mehr sehen muss.
„DU!!!“ Und sie klingt auch nicht gut.
Ich sehe ihre Hand auf mich zu kommen, reagiere aber zu spät. Miranda klebt mir eine, dreht sich um und geht.
Ok, irgendwie habe ich den verdient.
Naja, frohe Weihnachten euch allen.
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