Man sollte in seinem Leben irgendwann mal einen Traum verfolgen. Ein Ziel anstreben. Etwas tun, mit dem man berühmt werden könnte.
Aber dafür geht man nicht in eine Castingshow. In eine Castingshow geht man um einen Heidenspaß zu haben.
Und so finde ich mich in der Eingangshalle eines großen Hotels wieder. Am Eingang werden Namensschilder verteilt, und uns erklärt wann wir denn dran wären.
Während Miranda sich weiterhin standhaft weigert mitzumachen lade ich meine Utensilien aus dem grünen Japaner, den uns freundlicherweise zwei Zeugen zu Verfügung gestellt haben. Meine Utensilien sind in diesem Fall eine Gitarre und ein Kasten Bier.
„Und, keine Lust auf Alkohol und schmutzige Leider?“ frage ich sie ein letztes mal.
„Ne bloß nicht, nachher casten die mich noch.“
„Na dann, bis später.“
Ich betrete den Aufenthaltsraum der gut gedrängt mit pubertierenden Jugendlichen ist. Beinahe jeder versucht vor Aufregung zitternd irgend ein Lied zu singen. Ich suche mir eine Ecke, die eine richtige Mischung aus Gemütlichkeit und Exponiertheit bietet und setze mich auf den Bierkasten. Nach einem Bier habe ich es fertig gebracht die Gitarre so halbwegs zu stimmen. Das letzte mal, dass ich gespielt habe ist zwar schon Jahre her, aber ich habe ja noch ein paar Stunden zeit es zu lernen. Außerdem ist das ganze wie Fahrrad fahren, macht mit einem Kasten Bier doppelt Spaß.
Der Großteil meines Bieres besteht aus meinen bewährten Spezialflaschen die gut und gerne 40 Prozent Alkohol haben, wovon man aber nicht viel schmeckt. So hoffe ich zurecht ein paar anwesende zukünftige Nicht-Sänger abfüllen zu können.
Als Einstimmung und um zustimmende Aufmerksamkeit zu erreichen stimme ich „Knocking on Heavens Door“ an. Das Lied ist zum einen extrem simpel zu spielen, außerdem kennt es jeder, und alle singen gerne mit. Ich hasse es zwar massenkompatibel zu sein, aber das große Ziel zählt. Und das Ziel ist es möglichst viele Biere unter das Volk zu bringen. Was auch sofort gelingt. Auf Anfrage gebe ich gerne Flaschen raus. Von der guten Stimmung um mich herum angelockt, und vielleicht auch von der kotzenden Blonden mit kurzem Rock, kommt bald ein Kamerateam auf mich zu. Natürlich war zu erwarten, dass die allgemeine Aufmerksamkeit die Möglichkeit eröffnet mich ins Fernsehen zu bringen. Aber eigentlich habe ich dazu keine Lust. Also stimme ich als nächstes „Im Wagen vor mir“ an, nur um sofort nach dem Intro auf die Textversion der Kassierer umzusteigen.
Wer die Kassierer nicht kennt, dem sei gesagt das ihre Texte häufig weit davon entfernt sind jugendfrei zu sein. Und da selbst RTL sowas nicht im Abendprogramm senden kann, bin ich die Kamera bald wieder los. Einige meiner Mitsänger zwar auch, aber wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ich öffne ein weiteres Bier.
Mal ehrlich. Diese Shows sind doch nur etwas für Leute die ihr übersteigertes Selbstwertgefühl zur Schau stellen müssen. Wer keine eigene Kamera hat um sich auf Youtube lächerlich zu machen, muss dieses eben bei DSDS machen. Auch frage ich mich um was es dabei wirklich geht. Darum einen Superstar zu finden wohl kaum. Schließlich haben sie es in den ersten vier Staffeln nicht geschafft irgend einen zu finden der länger als zwei Wochen bekannt blieb. (Bis auf Küblböck, aber ich glaube es ging auch irgendwo um Talent) Auf jeden Fall waren diese Leute von einem Superstar soweit entfernt wie das Ende des Universums zu dessem Anfang. Vielleicht liegt der Fehler daran, dass sie Leute suchen die Singen können, schließlich können Superstars wie Spears oder Aguilera das auch nicht. Aber jemanden zu suchen der einfach nur bereit ist seine Oberweite in die Kamera zu halten und ab und zu keinen Slip zu tragen, dafür ist sich wohl selbst RTL zu schade.
Aber es hat auch gute Seiten solch eine Show. Ohne sie würden die Jugendlichen nur wieder Arbeitslos auf der Straße hocken, so hocken die meisten arbeitslos vor der Glotze, und einige hier beim Casting.
Und hier beim Casting bin ich jetzt tatsächlich dran. Vor mir kommt ein Mädchen durch die Tür, dessen Fettleibigkeit nur durch ihre Akne überboten wird. Aber wenigstens ist sie nüchtern (und kann nicht singen) Viele heute schienen mir zu betrunken zu sein. Zu betrunken zum laufen, oder um feste Nahrung zu behalten. Die Fähigkeit zu singen, war vom Alkoholkonsum wohl unabhängig. Das die Jury heute nicht so viel Spaß hatte, zeichnete sich schon relativ früh ab, als immer wieder nach Lappen und Eimer gerufen wurde.
Ich mag mein Bier.
Ich betrete vorbei an einigen übelriechenden Eimern einen hell ausgeleuchteten Raum. Die Dekoration macht was her, im Zentrum steht eine solide befestigte Fototapete die genügend Platz zum Tisch der Jury lässt, dass sich selbst der dickste Teenie Deutschlands dazwischen lächerlich machen kann.
Und dort am Tisch sitzen sie auch schon, das Dreigestirn des deutschen Musikgeschmackes Dieter Bohlen, Andreas „Bär“ Läsker und Anja Lukaseder. Leute die durch ihren umfangreichen Erfahrungsschatz in der Musikindustrie zweifelsohne beurteilen können was gute Musik ist. Ok, andererseits haben diese Menschen auch sowas verbrochen wie Modern Talking, oder BroSis gemanagt. Aber sowas kann man den Leuten ja nicht ihr Leben lang vorhalten. Das ist denen bestimmt auch peinlich, hoffe ich zumindest.
„Wenn du auch besoffen bist, kannste gleich wieder gehen.“ begrüßt mich Bohlen.
Ich stell die letzte halb volle Bierflasche in der Mitte der ausgeleuchteten Fläche ab, und stelle mich dazu.
„Ne, nach den paar Bier bin ich nicht besoffen, musst also keine Angst haben, dass ich dir auch auf de Schuhe kotze.“ meine ich zu ihm, mit Blick auf seine Schuhe die wohl von einem wahrhaft würgenden Auftritt eines Castingopfers in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Noch bevor ich ihn Fragen kann welcher Spiegel ihn denn dazu veranlasst hat sein Turnschuhe zu versauen, werde ich mit den Standardfragen bombardiert. Ich sage bereitwillig aus, dass mein Name Friedrich Uwe Charles Kyou währe, ich im Moment den Studiengang von BWL auf Philosophie wechseln würde, und meine Mama immer gesagt hätte ich währe ein begnadeter Sänger. Davon stimmt zwar nichts, aber die könnten die Wahrheit auch gar nicht vertragen. Gespannt warte ich noch das einer von den drei Mustermusikern meinen Namen durchschaut Aber da könnte ich wohl länger warten. Naja, dann muss ich eben singen.
Leider werde ich mit meiner Intonation des Kassierer Hits „Ich onaniere in den kopflosen Rumpf von Uwe Seeler“ relativ schnell von einem Mann im Anzug unterbrochen. So wie es aussieht ist er irgendwie in der Produktion von dem ganzen Kram. Und auch er hat was gegen nicht jugendfreie Lieder im Abendprogramm. Ich biete freundlicher Weise an dann spontan auf ein anderes Lied umzusteigen. Irgendwas von den Ärzten zum Beispiel. Also laufen die Kameras wieder, und ich muss mich brav auf Ausgangsposition stellen, damit der Zuschauer auch nicht merkt das da was faul ist. Etwas später sind wie wieder an dem Punkt wo ich anfangen soll mit singen.
„Wir haben zusammen...“
„STOP“ schreit es dazwischen.
Ach ja richtig, das Lied steht ja auch auf dem Index.
Grinsend gehe ich zurück auf die Ausgangsposition. Als ich schon los gehen will platzt der Produktionstyp von vorhin wieder dazwischen. Ich soll doch bitte meine Bierflasche abgeben. Na gut auch da spiele ich mit.
Wenig später höre ich wieder das bekannte „STOP“ langsam habe ich das Gefühl, dass dieses zu einem Ritual werden könnte.
„Was machen sie denn mit dem Bier schon wieder?“ kommt der nette Mann, der eigentlich noch nie wirklich nett war, wutentbrannt wieder ins Kamerabild gerannt.
„Öffnen.“ meine ich.
„Ich hab ihnen doch gesagt, sie sollen das Bier da abgeben.“
„Hab ich doch.“ ich mach die Flasche auf.
„Und das?“
„Ist ein neues.“
Ich nehme den ersten Schluck aus der frischen Flasche.
„Dann stellen sie das wenigstens irgendwo ab wo man es nicht ständig sieht.“
„Ja, das ließe sich einrichten.“
Ich liebe es wenn Leute berechenbar sind.
Also stehe ich bald wieder vor der Kamera. Und wieder fragt Anja Lukasedings was ich den singen will. Und da mir gerade die Ideen ausgegangen sind meine ich.
„Irgendwas was eurem Produzenten dahinten gefällt.“
„STOP“
„Was war es denn diesmal?“ meine ich.
„Sie können die Produzenten nicht erwähnen, dann verliert das Ganze den Realiti-touch.“
„Na, super..“
„Aber was sie singen sollen könnten wir jetzt schon besprechen.“
War ja klar.
Einige Minuten später haben wir uns auf Geronimus Cadillac von Modern Talking geeinigt. War auch das einzige was Bohlen zu dem Thema eingefallen ist. Also zurück zum Ausgangspunkt. Meine Bierflasche lasse ich dieses mal gleich an der linken Stütze der Fototapete stehen. Brav antworte ich auf die gestellten Fragen, schon wieder.
„Und was wirst du für uns singen?“ fragt Bohlen schließlich. Scheinheiliger Sack, als ob er das nicht wüsste. Aber wenn ich das jetzt sage muss ich den ganzen Kram noch mal machen und inzwischen reicht es. Also antworte ich brav:
„Geronimus Cadillac, von Modern Talking..“
„Schleimer“ wirft Bohlen mir an den Kopf.
„In einer Growlversion.“ vollende ich meinen Satz.
Bohlen ist sein genialer Schleimer-Kommentar im Halse stecken geblieben. Ok, Growl bei einem Gesangswettbewerb vorzubringen ist wie mit einem rostenden Kiffer-VW-Bus bei einem Formel1 Rennen mitzufahren. Cool, aber chancenlos.
Also Perfekt, denn zum gewinnen bin ich ja nicht hier.
Knappe Einenthalb Minuten später ist das Schauspiel vorbei und ich warte darauf, dass mir die drei kleinen Juroren ihre Meinung sagen, nachdem ich ihre Hütte umgepustet habe.
Erwartungsgemäß beginnt Bohlen.
„Weist du was der Unterschied zwischen dir und einem Eimer Scheiße ist?“
„Ich sitze nicht in der Jury?“ unterbreche ich ihn bevor er seinen Spruch vollenden kann.
Es folgt eine kurze Pause, in der Andreas „Gummi-Bär“ und Anja versuchen das Lachen zu unterdrücken.
„Ne mal echt,“ fängt Bohlen erneut an nachdem er sich von seinem Schock erholt hat, „du kannst sowas von gar nicht singen, echt wenn ich dich höre möchten sich meine Ohren hinter dem Sessel verkriechen.“
„Geht meinen Augen auch so, wenn sie dich sehen. Aber man gewöhnt sich an alles, außer an Modern Talking.“
„Mal ehrlich“ unterbricht Anja Bohlen, bevor der rot anläuft und im schlimmsten Fall noch anfängt zu singen, „du bist doch hier um uns zu veralbern, nicht um zu singen.“
„Nein! Ich bin zum singen hier.“
Und um das zu beweisen greife ich in die Seiten und stimmt ein neues Lied auf die Melodie von Joint Ventures „Er muss uns jetzt was singen“ an.
Vorne da die drei Juristen
fühln sich ganz schön angeschissen
denn für die paar lausgen Kröten
gehen ihre Nerven flöten.
Doch das ist euer eignes Pech
zu hören des Bohlens täglich Blech
Ist die Bezahlung da genug?
Oder wars von RTL Betrug?
Bei allem was ihr ertragen tut
bewundre ich euren großen Mut
mit eigenen Verstandes Lücken
das Niveau noch tiefer weg zu drücken
dabei seit ihr noch Selbstgerecht
und selber auch genauso schlecht.
Nun schaut nicht so verwirrt daher
besser wird es auch nicht mehr
wahrscheinlich werd ihr gut bezhalt, ein Fall für die Nervenheilanstallt.
Niemand wird’s was bringen, ich muss euch halt was singen.
An der Stelle breche ich das Lied ab, und warte auf Reaktionen. Diese bleiben aus.
„Sag mal willst du uns Beleidigen?“ beginnt Andreas „Bär-lauch“ Läsker das Gespräch. Ich? Beleidigen? Nein wieso auch? Ok die Reaktion darauf ist natürlich ein Lied. Diesmal auf eigenen Melodie die allerdings ein wenig an „Wenn ich einmal traurig bin dann trink ich einen Korn“ erinnert, aber nur ein wenig.
Ob ich dich beleidgen will. Nein das wohl nicht.
Das habe ich nicht nötig, denn seh ich dein Gesicht.
Dann weiß ich dieser arme Mensch, der ist bei RTL
Hat keine Ahnung von Musik und ist gedanklich auch nicht schnell.
Läsker ist still, Anja Lakusaeder nicht.
„Ich finde das ganz schön frech was du hier abziehst. Da deine eigene Qualität nicht zu einer Musikerkariere reicht musst du alle beleidigen.“
Natürlich schreit das nach einem weiterem Lied. Melodie in diesem Fall ist „Dörte“ von Rainald Grebe
Sie kam ohn Kustgeschmack zu Welt
Das kann man nicht bezweifeln
nur das sie den noch zur Schau stellt
dran kann man glatt verzweifeln
Sie ist die wahre Quotenfrau
eigentlich auch recht genügend Schlau
nur warum sie dieses nicht gebraucht
„Es reicht!“ brüllt Bohlen dazwischen. „Sowas müssen wir uns hier nicht bieten lassen.“
„Pfft. Sag's doch der Bild.“ mein ich. „Ist bestimme ne klasse Schlagzeile: Pöbel-Bohlen lässt sich von Kandidat nieder machen.“
„Pass mal auf, du hast keine Qualität und nervst“
„Da haben wir ja was gemeinsam.“
Bohlen muss sich nun erst einmal fassen an Kontra muss er sich wohl erst noch gewöhnen. Naja, er fängt sich.
„Aber wenn ich du wäre, würde ich morgens echt nicht mehr aufstehen“
„Und wenn ich du wäre würden mich morgens Plastetitten aus dem Bett drücken.“
Grinsend warte ich auf Bohlens nächsten Kommentar. Die anderen Beiden sind inzwischen still.
Aber es kommt kein weiterer Satz von Bohlen. Stattdessen winkt er. Ich erwarte, dass jetzt endlich die Sicherheitskräfte kommen und mich abtransportieren. Inzwischen werden sie wohl welche gefunden haben die nicht an einer seltsamen Alkoholvergiftung leiden. Ich mag mein Spezialbier, die Sicherheitskräfte wohl nicht mehr.
Aber herein kommen zwei Typen die mit Bohlen aufgeregt tuscheln. Ich schaue mir das Schauspiel an. Schließlich nickt Bohlen und die beiden gehen. Bohlen wendet sich wieder mir zu.
„Echt wenn ich deinen Geschmack hätte, hätte ich keinen.“
„Waren das deine Sprücheschreiber?“
„Wer?“
„Die beiden Typen von denen du dich gerade beraten lassen hast.“
„Ja.“
„Und dann kommen die mit so einem Spruch?“
„...“
„Bist du sicher das du Geld gut angelegt hast?“
„...“
Langsam wird es langweilig. Ich sollte gehen.
„Und bin ich im Recall?“ frage ich leicht belustigt.
„Nein“ meint „Problem-Bär“ Läsker.
„Gut.“
Ich ziehe eine kleinen Fernbedienung aus der Tasche und drücke den einzigen roten Knopf. Woraufhin der Sprengsatz in meiner Bierflasche neben der Bühnendeko explodiert. Während die Fototapete schlecht gehalten durch die einzig verbliebene Stütze langsam in sich zusammen bricht gehe ich.
Hinterlassen tue ich eine gebrochene Dekoration. Und drei gebrochenen Juroren die hinter ihrem Tresen kauern.
Ich mag mein Spezialbier.
Aber dafür geht man nicht in eine Castingshow. In eine Castingshow geht man um einen Heidenspaß zu haben.
Und so finde ich mich in der Eingangshalle eines großen Hotels wieder. Am Eingang werden Namensschilder verteilt, und uns erklärt wann wir denn dran wären.
Während Miranda sich weiterhin standhaft weigert mitzumachen lade ich meine Utensilien aus dem grünen Japaner, den uns freundlicherweise zwei Zeugen zu Verfügung gestellt haben. Meine Utensilien sind in diesem Fall eine Gitarre und ein Kasten Bier.
„Und, keine Lust auf Alkohol und schmutzige Leider?“ frage ich sie ein letztes mal.
„Ne bloß nicht, nachher casten die mich noch.“
„Na dann, bis später.“
Ich betrete den Aufenthaltsraum der gut gedrängt mit pubertierenden Jugendlichen ist. Beinahe jeder versucht vor Aufregung zitternd irgend ein Lied zu singen. Ich suche mir eine Ecke, die eine richtige Mischung aus Gemütlichkeit und Exponiertheit bietet und setze mich auf den Bierkasten. Nach einem Bier habe ich es fertig gebracht die Gitarre so halbwegs zu stimmen. Das letzte mal, dass ich gespielt habe ist zwar schon Jahre her, aber ich habe ja noch ein paar Stunden zeit es zu lernen. Außerdem ist das ganze wie Fahrrad fahren, macht mit einem Kasten Bier doppelt Spaß.
Der Großteil meines Bieres besteht aus meinen bewährten Spezialflaschen die gut und gerne 40 Prozent Alkohol haben, wovon man aber nicht viel schmeckt. So hoffe ich zurecht ein paar anwesende zukünftige Nicht-Sänger abfüllen zu können.
Als Einstimmung und um zustimmende Aufmerksamkeit zu erreichen stimme ich „Knocking on Heavens Door“ an. Das Lied ist zum einen extrem simpel zu spielen, außerdem kennt es jeder, und alle singen gerne mit. Ich hasse es zwar massenkompatibel zu sein, aber das große Ziel zählt. Und das Ziel ist es möglichst viele Biere unter das Volk zu bringen. Was auch sofort gelingt. Auf Anfrage gebe ich gerne Flaschen raus. Von der guten Stimmung um mich herum angelockt, und vielleicht auch von der kotzenden Blonden mit kurzem Rock, kommt bald ein Kamerateam auf mich zu. Natürlich war zu erwarten, dass die allgemeine Aufmerksamkeit die Möglichkeit eröffnet mich ins Fernsehen zu bringen. Aber eigentlich habe ich dazu keine Lust. Also stimme ich als nächstes „Im Wagen vor mir“ an, nur um sofort nach dem Intro auf die Textversion der Kassierer umzusteigen.
Wer die Kassierer nicht kennt, dem sei gesagt das ihre Texte häufig weit davon entfernt sind jugendfrei zu sein. Und da selbst RTL sowas nicht im Abendprogramm senden kann, bin ich die Kamera bald wieder los. Einige meiner Mitsänger zwar auch, aber wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ich öffne ein weiteres Bier.
Mal ehrlich. Diese Shows sind doch nur etwas für Leute die ihr übersteigertes Selbstwertgefühl zur Schau stellen müssen. Wer keine eigene Kamera hat um sich auf Youtube lächerlich zu machen, muss dieses eben bei DSDS machen. Auch frage ich mich um was es dabei wirklich geht. Darum einen Superstar zu finden wohl kaum. Schließlich haben sie es in den ersten vier Staffeln nicht geschafft irgend einen zu finden der länger als zwei Wochen bekannt blieb. (Bis auf Küblböck, aber ich glaube es ging auch irgendwo um Talent) Auf jeden Fall waren diese Leute von einem Superstar soweit entfernt wie das Ende des Universums zu dessem Anfang. Vielleicht liegt der Fehler daran, dass sie Leute suchen die Singen können, schließlich können Superstars wie Spears oder Aguilera das auch nicht. Aber jemanden zu suchen der einfach nur bereit ist seine Oberweite in die Kamera zu halten und ab und zu keinen Slip zu tragen, dafür ist sich wohl selbst RTL zu schade.
Aber es hat auch gute Seiten solch eine Show. Ohne sie würden die Jugendlichen nur wieder Arbeitslos auf der Straße hocken, so hocken die meisten arbeitslos vor der Glotze, und einige hier beim Casting.
Und hier beim Casting bin ich jetzt tatsächlich dran. Vor mir kommt ein Mädchen durch die Tür, dessen Fettleibigkeit nur durch ihre Akne überboten wird. Aber wenigstens ist sie nüchtern (und kann nicht singen) Viele heute schienen mir zu betrunken zu sein. Zu betrunken zum laufen, oder um feste Nahrung zu behalten. Die Fähigkeit zu singen, war vom Alkoholkonsum wohl unabhängig. Das die Jury heute nicht so viel Spaß hatte, zeichnete sich schon relativ früh ab, als immer wieder nach Lappen und Eimer gerufen wurde.
Ich mag mein Bier.
Ich betrete vorbei an einigen übelriechenden Eimern einen hell ausgeleuchteten Raum. Die Dekoration macht was her, im Zentrum steht eine solide befestigte Fototapete die genügend Platz zum Tisch der Jury lässt, dass sich selbst der dickste Teenie Deutschlands dazwischen lächerlich machen kann.
Und dort am Tisch sitzen sie auch schon, das Dreigestirn des deutschen Musikgeschmackes Dieter Bohlen, Andreas „Bär“ Läsker und Anja Lukaseder. Leute die durch ihren umfangreichen Erfahrungsschatz in der Musikindustrie zweifelsohne beurteilen können was gute Musik ist. Ok, andererseits haben diese Menschen auch sowas verbrochen wie Modern Talking, oder BroSis gemanagt. Aber sowas kann man den Leuten ja nicht ihr Leben lang vorhalten. Das ist denen bestimmt auch peinlich, hoffe ich zumindest.
„Wenn du auch besoffen bist, kannste gleich wieder gehen.“ begrüßt mich Bohlen.
Ich stell die letzte halb volle Bierflasche in der Mitte der ausgeleuchteten Fläche ab, und stelle mich dazu.
„Ne, nach den paar Bier bin ich nicht besoffen, musst also keine Angst haben, dass ich dir auch auf de Schuhe kotze.“ meine ich zu ihm, mit Blick auf seine Schuhe die wohl von einem wahrhaft würgenden Auftritt eines Castingopfers in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Noch bevor ich ihn Fragen kann welcher Spiegel ihn denn dazu veranlasst hat sein Turnschuhe zu versauen, werde ich mit den Standardfragen bombardiert. Ich sage bereitwillig aus, dass mein Name Friedrich Uwe Charles Kyou währe, ich im Moment den Studiengang von BWL auf Philosophie wechseln würde, und meine Mama immer gesagt hätte ich währe ein begnadeter Sänger. Davon stimmt zwar nichts, aber die könnten die Wahrheit auch gar nicht vertragen. Gespannt warte ich noch das einer von den drei Mustermusikern meinen Namen durchschaut Aber da könnte ich wohl länger warten. Naja, dann muss ich eben singen.
Leider werde ich mit meiner Intonation des Kassierer Hits „Ich onaniere in den kopflosen Rumpf von Uwe Seeler“ relativ schnell von einem Mann im Anzug unterbrochen. So wie es aussieht ist er irgendwie in der Produktion von dem ganzen Kram. Und auch er hat was gegen nicht jugendfreie Lieder im Abendprogramm. Ich biete freundlicher Weise an dann spontan auf ein anderes Lied umzusteigen. Irgendwas von den Ärzten zum Beispiel. Also laufen die Kameras wieder, und ich muss mich brav auf Ausgangsposition stellen, damit der Zuschauer auch nicht merkt das da was faul ist. Etwas später sind wie wieder an dem Punkt wo ich anfangen soll mit singen.
„Wir haben zusammen...“
„STOP“ schreit es dazwischen.
Ach ja richtig, das Lied steht ja auch auf dem Index.
Grinsend gehe ich zurück auf die Ausgangsposition. Als ich schon los gehen will platzt der Produktionstyp von vorhin wieder dazwischen. Ich soll doch bitte meine Bierflasche abgeben. Na gut auch da spiele ich mit.
Wenig später höre ich wieder das bekannte „STOP“ langsam habe ich das Gefühl, dass dieses zu einem Ritual werden könnte.
„Was machen sie denn mit dem Bier schon wieder?“ kommt der nette Mann, der eigentlich noch nie wirklich nett war, wutentbrannt wieder ins Kamerabild gerannt.
„Öffnen.“ meine ich.
„Ich hab ihnen doch gesagt, sie sollen das Bier da abgeben.“
„Hab ich doch.“ ich mach die Flasche auf.
„Und das?“
„Ist ein neues.“
Ich nehme den ersten Schluck aus der frischen Flasche.
„Dann stellen sie das wenigstens irgendwo ab wo man es nicht ständig sieht.“
„Ja, das ließe sich einrichten.“
Ich liebe es wenn Leute berechenbar sind.
Also stehe ich bald wieder vor der Kamera. Und wieder fragt Anja Lukasedings was ich den singen will. Und da mir gerade die Ideen ausgegangen sind meine ich.
„Irgendwas was eurem Produzenten dahinten gefällt.“
„STOP“
„Was war es denn diesmal?“ meine ich.
„Sie können die Produzenten nicht erwähnen, dann verliert das Ganze den Realiti-touch.“
„Na, super..“
„Aber was sie singen sollen könnten wir jetzt schon besprechen.“
War ja klar.
Einige Minuten später haben wir uns auf Geronimus Cadillac von Modern Talking geeinigt. War auch das einzige was Bohlen zu dem Thema eingefallen ist. Also zurück zum Ausgangspunkt. Meine Bierflasche lasse ich dieses mal gleich an der linken Stütze der Fototapete stehen. Brav antworte ich auf die gestellten Fragen, schon wieder.
„Und was wirst du für uns singen?“ fragt Bohlen schließlich. Scheinheiliger Sack, als ob er das nicht wüsste. Aber wenn ich das jetzt sage muss ich den ganzen Kram noch mal machen und inzwischen reicht es. Also antworte ich brav:
„Geronimus Cadillac, von Modern Talking..“
„Schleimer“ wirft Bohlen mir an den Kopf.
„In einer Growlversion.“ vollende ich meinen Satz.
Bohlen ist sein genialer Schleimer-Kommentar im Halse stecken geblieben. Ok, Growl bei einem Gesangswettbewerb vorzubringen ist wie mit einem rostenden Kiffer-VW-Bus bei einem Formel1 Rennen mitzufahren. Cool, aber chancenlos.
Also Perfekt, denn zum gewinnen bin ich ja nicht hier.
Knappe Einenthalb Minuten später ist das Schauspiel vorbei und ich warte darauf, dass mir die drei kleinen Juroren ihre Meinung sagen, nachdem ich ihre Hütte umgepustet habe.
Erwartungsgemäß beginnt Bohlen.
„Weist du was der Unterschied zwischen dir und einem Eimer Scheiße ist?“
„Ich sitze nicht in der Jury?“ unterbreche ich ihn bevor er seinen Spruch vollenden kann.
Es folgt eine kurze Pause, in der Andreas „Gummi-Bär“ und Anja versuchen das Lachen zu unterdrücken.
„Ne mal echt,“ fängt Bohlen erneut an nachdem er sich von seinem Schock erholt hat, „du kannst sowas von gar nicht singen, echt wenn ich dich höre möchten sich meine Ohren hinter dem Sessel verkriechen.“
„Geht meinen Augen auch so, wenn sie dich sehen. Aber man gewöhnt sich an alles, außer an Modern Talking.“
„Mal ehrlich“ unterbricht Anja Bohlen, bevor der rot anläuft und im schlimmsten Fall noch anfängt zu singen, „du bist doch hier um uns zu veralbern, nicht um zu singen.“
„Nein! Ich bin zum singen hier.“
Und um das zu beweisen greife ich in die Seiten und stimmt ein neues Lied auf die Melodie von Joint Ventures „Er muss uns jetzt was singen“ an.
Vorne da die drei Juristen
fühln sich ganz schön angeschissen
denn für die paar lausgen Kröten
gehen ihre Nerven flöten.
Doch das ist euer eignes Pech
zu hören des Bohlens täglich Blech
Ist die Bezahlung da genug?
Oder wars von RTL Betrug?
Bei allem was ihr ertragen tut
bewundre ich euren großen Mut
mit eigenen Verstandes Lücken
das Niveau noch tiefer weg zu drücken
dabei seit ihr noch Selbstgerecht
und selber auch genauso schlecht.
Nun schaut nicht so verwirrt daher
besser wird es auch nicht mehr
wahrscheinlich werd ihr gut bezhalt, ein Fall für die Nervenheilanstallt.
Niemand wird’s was bringen, ich muss euch halt was singen.
An der Stelle breche ich das Lied ab, und warte auf Reaktionen. Diese bleiben aus.
„Sag mal willst du uns Beleidigen?“ beginnt Andreas „Bär-lauch“ Läsker das Gespräch. Ich? Beleidigen? Nein wieso auch? Ok die Reaktion darauf ist natürlich ein Lied. Diesmal auf eigenen Melodie die allerdings ein wenig an „Wenn ich einmal traurig bin dann trink ich einen Korn“ erinnert, aber nur ein wenig.
Ob ich dich beleidgen will. Nein das wohl nicht.
Das habe ich nicht nötig, denn seh ich dein Gesicht.
Dann weiß ich dieser arme Mensch, der ist bei RTL
Hat keine Ahnung von Musik und ist gedanklich auch nicht schnell.
Läsker ist still, Anja Lakusaeder nicht.
„Ich finde das ganz schön frech was du hier abziehst. Da deine eigene Qualität nicht zu einer Musikerkariere reicht musst du alle beleidigen.“
Natürlich schreit das nach einem weiterem Lied. Melodie in diesem Fall ist „Dörte“ von Rainald Grebe
Sie kam ohn Kustgeschmack zu Welt
Das kann man nicht bezweifeln
nur das sie den noch zur Schau stellt
dran kann man glatt verzweifeln
Sie ist die wahre Quotenfrau
eigentlich auch recht genügend Schlau
nur warum sie dieses nicht gebraucht
„Es reicht!“ brüllt Bohlen dazwischen. „Sowas müssen wir uns hier nicht bieten lassen.“
„Pfft. Sag's doch der Bild.“ mein ich. „Ist bestimme ne klasse Schlagzeile: Pöbel-Bohlen lässt sich von Kandidat nieder machen.“
„Pass mal auf, du hast keine Qualität und nervst“
„Da haben wir ja was gemeinsam.“
Bohlen muss sich nun erst einmal fassen an Kontra muss er sich wohl erst noch gewöhnen. Naja, er fängt sich.
„Aber wenn ich du wäre, würde ich morgens echt nicht mehr aufstehen“
„Und wenn ich du wäre würden mich morgens Plastetitten aus dem Bett drücken.“
Grinsend warte ich auf Bohlens nächsten Kommentar. Die anderen Beiden sind inzwischen still.
Aber es kommt kein weiterer Satz von Bohlen. Stattdessen winkt er. Ich erwarte, dass jetzt endlich die Sicherheitskräfte kommen und mich abtransportieren. Inzwischen werden sie wohl welche gefunden haben die nicht an einer seltsamen Alkoholvergiftung leiden. Ich mag mein Spezialbier, die Sicherheitskräfte wohl nicht mehr.
Aber herein kommen zwei Typen die mit Bohlen aufgeregt tuscheln. Ich schaue mir das Schauspiel an. Schließlich nickt Bohlen und die beiden gehen. Bohlen wendet sich wieder mir zu.
„Echt wenn ich deinen Geschmack hätte, hätte ich keinen.“
„Waren das deine Sprücheschreiber?“
„Wer?“
„Die beiden Typen von denen du dich gerade beraten lassen hast.“
„Ja.“
„Und dann kommen die mit so einem Spruch?“
„...“
„Bist du sicher das du Geld gut angelegt hast?“
„...“
Langsam wird es langweilig. Ich sollte gehen.
„Und bin ich im Recall?“ frage ich leicht belustigt.
„Nein“ meint „Problem-Bär“ Läsker.
„Gut.“
Ich ziehe eine kleinen Fernbedienung aus der Tasche und drücke den einzigen roten Knopf. Woraufhin der Sprengsatz in meiner Bierflasche neben der Bühnendeko explodiert. Während die Fototapete schlecht gehalten durch die einzig verbliebene Stütze langsam in sich zusammen bricht gehe ich.
Hinterlassen tue ich eine gebrochene Dekoration. Und drei gebrochenen Juroren die hinter ihrem Tresen kauern.
Ich mag mein Spezialbier.
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