Freitag, 7. März 2008

Weihnachtsmarkt

Rings um mich her glitzert und funkelt es in allen Farben. Naja hauptsächlich grün und rot, aber wer will in dieser schönen Zeit schon pingelig sein. Die sanfte Kälte versucht durch meinen Mantel zu kriechen, und der frische Schnee knirscht unter meinen Stiefeln. Oder auch nicht, eigentlich ist es sommerlich warm und es nieselt, aber ich wollte ja nicht pingelig sein. Es schallt herrliche Musik aus allen Ecken, ein Kinderchor singt festliche Lieder. Und da hinten hat eine Mutter ihre Tochter dazu gezwungen auf der Blockflöte das was sie für Musik hält zu quäken. Und der Kinderchor wird wohl auch nur von den Eltern gehört. Wobei es auch egal ist, dass was vom Band kommt ist auch nicht besser.
Ich geb es ja zu ich hasse Weihnachtsmärkte.

Aber einen Versuch kann ich ja noch starten.
Es duftet wunderbar nach gebrannten Mandeln und frischen Schokobananen und auch nach Zimt, gebratener Wurst und Glühwein. Besonders mein Mantel riecht nach Glühwein, obwohl ich noch gar keinen getrunken habe. Er riecht nach Glühwein weil irgend so ein Depp ihn mir gerade drüber geschüttet hat. Ich starre ihm ins Gesicht. Er entschuldigt sich, dass sein Sohn im gerade an der Jacke gezogen hätte um ihm die niedlichen Engelchen zu zeigen und da ist er gestolpert und hat wohl seinen Wein verschüttet. Aber es tut ihm alles fruchtbar leid. Und dazu lächelt er auch noch. Normale Väter werden von ihren Frauen und Kindern auf den Weihnachtsmarkt geschleppt. Dieser wohl nicht der macht das gerne. Keine Frage er muss verrückt sein, damit ist er eine Gefährdung für die geistige Gesundheit seiner Umgebung. Darum lasse ich meinen Stahlkappenstiefel mit voller Wucht gegen sein Schienbein prallen. Worauf er mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen bricht. Seine Kinder schauen entsetzt drein, und seine Frau kümmert sich sofort um ihn. Was mir die unwiderstehliche Gelegenheit bietet ein Portmonee aus ihrer Handtasche zu ziehen. Ich nehme es und gehe. Fünfzig Euro leichter drücke ich die Geldbörse dann einem vorbei laufendem Mann in die Hand und verschwinde im Getümmel. Hinter mir höre ich die aufgeregten Schreie. „Das ist mein Portmonee! DIEB!“ Es scheint sich ein Tumult zu entwickeln.

Ich hasse Weihnachtsmärkte. Überall sind angetrunkene Menschen die fröhlich durch die Gegend laufen. Wobei laufen eigentlich der falsche Ausdruck dafür ist. Es handelt sich dabei eher um ein zügiges Stehen, denn bewegen kann sich hier eigentlich niemand. Zwischen den eng stehenden Buden, den Kinderwagen, den Familien die sich an den Händen halten um sich nicht zu verlieren, den Eltern die ihre Kinder suchen die sie gerade verloren haben, den Musikern und den japanischen Touristen drängeln sich Jugendliche auf der Suche nach überteuertem Alkohol. Rundherum stehen mit Zweigen beklebte Buden die eben jenen Glühwein verkaufen. Dazu gepresstes Fleisch im Brötchen und süßes Zeug am Stiel. Vereinzelt dazwischen Chinesen die billige blinkende Weihnachtsmannmützen verscherbeln. Die furchtbare Musik habe ich ja schon erwähnt. Eigentlich klingt das alles gar nicht so schlimm, nur leider bin ich noch nüchtern.

Ich dränge mich durch zum Christbaum welcher mit einem eigenen Stromgenerator betrieben die Stadt auch vom Mond aus zu erkennen macht. Dort werde ich mich gleich mit meinen Kommilitonen treffen welche mich überredet haben hier her zu kommen. Ich lasse mich jedes Jahr einmal solange belabern bis ich mit komme, und ich bereue es jedes Jahr. Ich kann mir einfach nie genügend Alkohol leisten um so eine Festivität zu überstehen. Aber dieses Jahr wird da anders. Schließlich sind mit den fünfzig Euro von eben knappe 16 Glühwein drin. Und das ist doch mal ein Anfang.

Tatsächlich treffe ich am Baum auf meine Kommilitonen und auf hundert andere Leute die sich dort auch mit ihren Lieben treffen. Nach einer kurzen Begrüßung geht es zum Glück gleich zum nächsten Glühweinstand. Drei Schuß mit Glühwein, zwei Glühwein mit Schuß, einer Feuerzangenbowle und ein Rumtöpfchen später fühle auch ich mich in weihnachtliche Stimmung versetzt. Ok, es mag Leute geben die sagen, dass man auch ohne Alkohol Spaß haben kann, aber die will ich mal mit der Einstellung auf einem Weihnachtsmarkt sehen.

Als wir uns weiter über den Markt drängeln steigt auf einmal die Kleinkinderdichte signifikant an. Grund dafür ist, dass auf der Bühne, auf welcher eben noch eine Kapelle weihnachtliche Blasmusik zum besten gegeben hat (ist euch eigentlich mal aufgefallen, dass es auf dieses Märkten nie eine weihnachtliche Heavy Metal Band gibt?) sich eine dicke rot bemützte Gestalt postiert. Begleitet wird sie von drei Elfen, oder so. Auf jeden Fall sind diese grünen Wesen im Kleidchen und dicker Schminke unterwegs. Die großen roten Kreise auf den Wangen erinnern mehr an eine Clownsnase im Regen, als an ein Feenwesen. Was nun folgt kennt man aus jedem schmalzigen amerikanischen Weihnachtsfilm. Einzeln werden die Kinder dem alten Mann mit dem falschen Bart auf den Schoß gesetzt, dann sagen sie, dass sie artig waren und was sie sich wünschen. Dann gibt eine der Elfen dem Kleinen einen Lolli und die Familie zieht freudig weiter. Grausam, wer da mit macht braucht das Geld dringend.

Der Gedanke mit dem Geld bringt mich auf eine Idee. Ich suche mir einen Jungen der möglichst missmutig aussieht. Diesen finde ich ohne Probleme.
„He, du da! Lust dir fünf Euro zu verdienen?“
„Willst du mich verarschen?“ Genau der richtige. Ich halte ihm einen Fünfer unter die Nase.
„Was willst du?“ fragt er.
„Du gehst da hoch, ziehst dem alten den Bart runter, und boxt einem der Elfen in den Bauch.“
„Und dafür gibst du mir fünf Euro?“
„Japp.“
Er macht es. Die zärtlich besaiteten Gemüter meiner Kommilitonen ziehen weiter, einige bleiben mit mir stehen um sich das Schauspiel anzuschauen. Quälende Minuten später ist er an der Reihe. Ich habe derweil Wetten angenommen welche der drei Elfen er sich aussucht. Das Gesicht Santas ist unter dem falschen Bart glatt wie ein Babypopo und ziemlich verärgert. Es fällt ihm wirklich schwer nicht aus zurasten und das unartige Kind zusammen zu schreien. Trotzdem beginnt das Mädchen, welches als nächstes in der Reihe steht zu weinen. Unser bezahlter Unruhestifter fängt an Santa zu beschimpfen, dass es ja wohl eine Sauerei sei die Kinder so zu verarschen. Schließlich schreitet eine der Elfen ein und zieht ihn von Santas Knien. Dafür fängt sie einen sauberen Tritt und den versprochenen Schlag in die Magengrube. Während ich meine Gewinne aus den Wetten zähle ist die Elfe am Fluchen. Und eben jenes Fluchen kommt mir bekannt vor. Ein genauerer Blick überzeugt mich davon, dass ich diese Person kenne. Es ist Miranda.

Sie bekommt nach dem Tiefschlag eine kleine Pause und sitzt nun am Rand der Bühne. Ich gehe zu ihr. Als sie mich sieht springt sie auf um hinter die Bühne zu flüchten. Ich rufe ihren Namen. Da sie weiß, dass sie entdeckt ist bleibt sie da.
„Moin“ begrüße ich sie.
„Was willst du denn hier.“
„Frag ich mich auch.“
Sie starrt über meine Schulter und macht Anstalten zu gehen. Ich drehe mich um, und stelle fest, dass mir einer meiner Kommilitonen gefolgt ist. Er ist ziemlich betrunken, und hofft wohl auf eine weitere Verarsche der Elfe. Aber darauf bin ich nun überhaupt nicht aus, außerdem könnte er verraten wer für die Attacke wirklich verantwortlich ist.
„Einen Moment“ meine ich und wende mich dem Verfolger zu. Ich führe ihn zurück zu den Massen an Familien.
„Eh, alter Spaßvogel waass hasst du voor?“ lallt er mich an.
„Zeig ich dir.“ Ich führe ihn zu einer Mutter mit Kind, neben ihnen steht ein Mann der in seinem normalen Leben wohl ein Bodybuilder sein muss. Ich schuppe das Kind um.
„Was hat dir denn der Kleine getan?“ fahre ich meinen betrunkenen Kommilitonen an.
„Was?“ versucht er sich zu währen. Inzwischen genießen wir die volle Aufmerksamkeit der umstehenden Leute.
„So eine Sauerei, besoffen Kinder zu schupsen.“ rege ich mich auf. Er beginnt zu realisieren, dass er in keiner guten Position ist. Eine alte Frau beginnt neben uns auf die Jugend von heute zu schimpfen. Und der Steroidbomber neben uns schaut auch relativ böse aus.
Ich ziehe mich vorsichtig zurück und stoße auf einen weiteren meiner nun ehemaligen Begleiter.
„Heh, geh mal rüber zu ihm und sag ihm, dass er gewonnen hat?“
„Zu wem?“ Ich deute auf dem Typen der seit eben leichte Problem hat, und wohl bald noch größere. Nach weiteren Deutungen begreift er wen ich meine. Wenn ich seinen Namen wüsste, währe das wesentlich einfacher.
„Und was soll ich ihm sagen.“
„Das er gewonnen hat.“
„Was hat er gewonnen.“
„Einen Glühwein, weil er eines mehr umgeschupst hat als du?“
„Was?“
„Mach es einfach.“
„Warum?“
„Weil ich dir nachher den Glühwein bezahle.“
„Ok“
Er geht. Einen Augenblick später werden die Beiden von wütenden Vätern vom Platz gejagt. Ich gehe zurück zu Miranda.

„Warum habe ich das Gefühl, dass du an dem Ganzen nicht ganz unschuldig bist?“ begrüßt sie mich.
„An dem Tumult, oder dem kleinen Mistkerl der dir die Pause beschert hat?“ vergewissere und verrate ich mich gleichzeitig, aber es ist egal, sie hätte es sowieso heraus gefunden.
„An beidem!“
„Ja, scheint so.“ gebe ich alles zu.
„Hm..“ Ich hätte jetzt irgendetwas wütendes erwartet, aber sie sieht einfach nur traurig aus.
„Was machst du hier eigentlich?“
„Ich brauche das Geld.“
„Und ist das die Erniedrigung wirklich wert?“
„Ich brauche das Geld wirklich.“ Sie sieht wirklich nicht glücklich aus. Ok eigentlich sieht sie nie so richtig glücklich aus, aber nie so wie jetzt.
Ich beschließe spontan die ganze Aktion mit dem Weihnachtsmann hier in die Luft zu jagen. Wobei ich werde wohl nicht ganz so drastisch sein. Ein Feuer sollte auch reichen.

Als erstes besorge ich mir, drei Flaschen Strohrum vom Feuerzangenbowlenstand. So wenig Alkohol wie in der Feuerzangenbowle war glaube ich kaum, dass sie die vermissen werden. Ich binde Schnüre an die Flaschen und werfe diese in den Christbaum, der neben der Bühne steht. Ein paar Knoten später habe ich den geschmacklosen Weihnachtsschmuck um drei Flaschen erweitert. Eine Säge vom nächst besten Kunsthandwerker ist ohne weiteres zu bekommen. Die Säge ist brandneu, unbenutzt und hing wirklich dekorativ an der Rückwand des Standes. Da der Standbesitzer blinkende Handytaschen verkauft, glaube ich nicht, dass er die Säge je benutzt hat. Aber sie ist scharf. Mit dieser besuche ich ein zweites mal den Weihnachtsbaum neben der Bühne. Den Keil den ich aus dem Stamm säge nehme ich mit und stelle mich direkt vor die Bühne. Als ich die Aufmerksamkeit Mirandas habe zeige ich ihr den Holzkeil. Sie schaut mich fragend an. Ich werfe ihr das Holzstück zu. Als sie es auffängt kann ich an ihrem Gesicht das langsame Verstehen erkennen. Es mündet in einem lauten „Weg hier!“ - Schrei.
Tatsächlich beginnt in dem Moment der Baum zu kippen und fällt krachend auf die Bühne. Dort zerschellen die Flaschen und die Glühbirnen des Baumschmuckes, und wie geplant reicht ein Funken aus einer der Glühbirnen um den ganzen Kram in Brand zu stecken.
Der Weihnachtsmann, die Elfen und die Kinder mit ihren Eltern fliehen in Panik. Nur Miranda kommt gemütlich durch den quellenden Rauch auf mich zu.
„Du hast sie nicht mehr alle.“ begrüßt sie mich.
„Du solltest dich umziehen.“ meine ich ebenso freundlich zurück.

Eine knappe halbe Stunde später ist der Brand, der zwischenzeitlich auf den Glühweinstand nebenan übergegriffen hat gelöscht. Wir treffen wir uns an einem Glühweinstand am anderen Ende des Platzes..
„Und haben sie dich trotzdem für den ganzen Tag bezahlt?“
„Ja, sie haben mich sogar gebeten den anderen Elfen deren Geld zu geben da diese nicht mehr zu finden wahren, nach dem Feuer.“
„Und wirst du es tun?“
„Natürlich nicht.“
„Zu schade auch, dass der Kindergarten Chor nicht mehr auftreten konnte um Kling Glöckchen Kling zu singen. Gehen wir was trinken?“ frage ich sie.
„Einen Glühwein?“
„Ich dachte eher an ein Bier im Irisch Pub um die Ecke.“
„Klingt gut.“

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