Ich hasse Bäume. Das Einzige was Bäume je für mich getan haben sind Zahnstocher. Ich hasse Bäume und ich hasse Regen. Regen hat auch noch nie etwas für mich getan. Was ich nicht hasse sind Atommülltransporte. Klar ist das mit dem Atomstrom und den ewig strahlenden Abfällen eine riesige Sauerei, aber irgendwo muss das Zeug was dafür sorgt, dass Mikrowelle und PC läuft, nun mal hin. Nur warum zum Teufel sitze ich dann in einem Baum im Regen und warte auf einen Castortransport.
Ich hab sie letzte Woche auf einer Studentenparty kennen gelernt. Sie ist ein süßes Mädchen und sieht gut aus. Auch kam sie mir auf den ersten Blick gar nicht mal so weltfremd vor. Klar sie hatte keine Ahnung von der Schönheit einer Linuxdistribution aber das erwarte ich auch nicht mehr.
Wir haben uns dann ganz gemütlich unterhalten, die Telefonnummern ausgetauscht und uns wieder getroffen. War gar nicht mal schlecht.
Dann hat sie mich letzten Mittwoch gefragt ob ich nicht mit zur Demonstration gegen die Castortransporte kommen wolle. Meine Antwort war natürlich „Wozu?“. Das lachen wegen dieses Vorschlages konnte ich mir da noch gerade so verkneifen.
Sie meinte dann, dass es ja nicht gut wäre mit dem Atomstrom und das der Müll ja auch ewig strahlt und so. Und das sei ja auch total gefährlich das so durch die Gegend zu fahren.
Ich hab ihr dann erklärt, dass der Müll aber nun mal da sei, und das der Transport durch hunderte Steineschmeißer auch nicht gerade sicherer wird. Und da die Transporte nun mal notwendig seien, werden die auch nicht einfach eingestellt nur weil ein paar Baumknutscher da was dagegen haben. Der Begriff „Baumnknutscher“ hat ihr gar nicht gefallen.
Danach kam es zu einer mehrstündigen Grundsatzdiskussion über Atomstrom in der ich ihr unter anderem erkläre musste, dass auch wenn sie Ökostrom kauft, Atomstrom aus ihrer Leitung tropft. Das mit dem, es gibt nur ein Stromnetz und wo der Strom her kommt kann nicht unterschieden werden, wollte sie echt nicht verstehen.
Nun ja die Diskussion fand dann ihr trauriges Ende darin, dass ich ihr erklärt habe, dass ihr Föhn mit Strom läuft und, dass wir uns ohne das Standby ihres Fernsehers ein Atomkraftwerk sparen könnten. Woraufhin sie gesagt hat, dass man da trotzdem gegen demonstrieren müsse, weil das ja ne Sauerei wäre. Und das sie ein Petition schreiben werde, dass es ein extra Stromnetz für Ökostrom geben müsse.
Und ich bin natürlich wie jeder brave Y-Chromosom Besitzer den Brüsten hinterher gelaufen und mit dem Zug in Richtung Gorleben gefahren.
Dort haben wir uns dann mit den anderen Aktivisten auf einer Wiese außerhalb der Stadt getroffen um die Aktionen zu planen. Da stand ich dann also in Mitten einem großen Stapel Haaren. Wenn man dem Mädchen das von hinten so interessant aus sah auf die Schulter klopfte drehte sie sich um war 23, hieß Bernd und hatte einen Bart. Die Frauen die tatsächlich Frauen waren trugen ihren Bart nicht im Gesicht sondern unter den Achseln und an den Beinen. Und die einzigen Wesen mit kurzen oder ohne Haare, waren ebenfalls Frauen. In dem Moment war ich froh das meine Begleitung in der Beziehung aus der Art schlug.
Nach einer halben Stunde hat dann ein Typ der aussah wie dieses haarige Wesen von den Adams Familie eine Flüstertüte genommen und begonnen die Planung einzuleiten. Schlagartig hat sich das allgemeine Gemurmel um gute zwei Dezibel gemindert so, dass ihn zwar niemand verstanden hat, aber trotzdem Fragen gestellt werden konnten. Super.
Nachdem uns eine Sprecherin für die Belange und ziele der PDS und ein anderer über das Parteiprogramm der Grünen, und wieder jemand anderes über den „Aktionskreis: Tot Ollem Müll“ (Ja genau ATOM wie kreativ besonders das ollem anstatt allem. Was habe ich gelacht. War seltsamerweise der einzige.) informiert hat konnte schließlich der Kampfgeist der Ökos eingeschworen werden. Ganz großes Kino. Mit so setzen wie „Auf die Bäume, auf den Bäumen werden sie uns nicht sehen und wenn sie kommen sind wir über ihnen. Dann werden sie sehen was sie davon haben Atomstrom zu produzieren.“
Ich hab dann dazwischen gerufen was denn dann geschähe. Aber dafür hab ich nur ein paar böse Blicke geerntet. Nachdem wir dann alle bei Mutter Natur auf deren Befreiung geschworen haben musste auch ich die Stimmung anheizen.
Ich hab mir eine Flüstertüte geschnappt und laut die Freiheit des Hopfens und des Malzes gefordert. „Lasst uns den Weg des Castors mit unseren Leichen pflastern“ hab ich skandiert, „denn wo schon ein Schädelknochen liegt kann kein Castor fahren. Und wer sich selbst im Sinne der Umwelt geopfert hat, der kann auch nicht mehr an der radioaktiven Strahlung verrecken. Und wenn unsere Schädel den Weg pflastern haben wenigstens die deutschen Soldaten ihren Spaß damit. Und wenn sie nicht damit aufhören unseren Müll zurück in unsere Lager zu fahren werden wir alle kleinen, süßen, niedlichen Hündchen brutalst erschießen.“ Ich glaub in dem Moment hatte ich den Bogen überspannt und meine flammende Rede wurde unterbrochen. Schade wo ich doch gerade fordern wollte, dass wir alle ein Netz aus unseren Haaren flechten um den Transport damit zu stoppen.
Nun ja, es wurde dann basisdemokratisch beschlossen, dass wir uns auf die potentiellen Fahrtrouten aufteilen und, sollte der Transport kommen, aus den Bäumen klettern um die Straße zu sperren um den Castor aufzuhalten. Basisdemokratisch heißt übrigens, dass drei Stunden lang diskutiert wurde, dass es wie jedes Jahr gemacht wird.
Meine Frage, was es den bringen würde den Transport aufzuhalten und ob das nicht das Risiko eines Unfalls wesentlich erhöhen würde, wollte mir irgendwie keiner beantworten.
Am Abend konnte ich dann wenigstens noch für knapp 500€ Atomstromblocker unter das Volk bringen. Ein Gerät, welches verspricht, dass kein Elektron aus dem Kernkraftwerk aus ihrer Steckdose kommt. Dass die Wahrscheinlichkeit dafür quasi gleich Null ist und es sich bei dem Gerät um einen fetten Wiederstand gehandelt hat muss ich wohl keinem erzählen. Aber die Dinger gingen weg wie warme Semmeln.
Leider hat während ich meine Kasse aufbesserte meine Begleitung diesen blonden Baumknutscher kennen gelernt, und war den Abend nicht mehr zu sehen. Mit entsprechend schlechter Laune bin ich in meinen Schlafsack in der Scheune gekrochen und mitten in der Nacht zu meinem Platz in der Baumkrone einer Buche aufgebrochen nur um da festzustellen, dass die Brüste die mich hier her geschleppt haben ihren Spaß mit einem anderen Kerl auf einem anderen Baum haben.
Soweit also die Vorgeschichte. Nun sitze ich halt hier, es ist kalt, es ist nass, und ich habe keinen Laptop dabei.
Außerdem ist es Zeit zu gehen. Es war von Anfang an eine dumme Idee. Und vielleicht finde ich wenn ich jetzt gehe ein Internetcafé in dem ich Quake spielen kann. Also verlasse ich den Baum und gehe in Richtung der nächst größeren Stadt. In meiner Tasche liegt der Mp3-player der immer noch genügend Atomstrom in seinen Akkus hat, dass ich ein paar Stunden Musik hören kann, nebenbei. Vielleicht finde ich ja auf dem Weg jemanden der Kaffee verkauft. Nach einem gesamten „Muse“-Album habe ich den Grund warum ich hier war vergessen und freue mich auf Coffein und Quake.
Als ich mitten in einem Godsmacklied um eine Kurve biege sehe ich vor mir eine Kolonne aus 12 schweren Lastern und mehrere hundert Polizisten. Was die wohl hier wollen. Vielleicht haben die Kaffee dabei. Ich werde natürlich sofort angehalten und gefragt was ich hier wolle, da ich sowieso nicht an den Transportern vorbei komme beantworte ich die Frage gelassen. Ich wolle zum nächsten Internetcafé Quake spielen, ob sie mir eventuell sagen könnten wo das Nächste ist, und ob sie mir ne Tasse Kaffee geben könnten. Natürlich sage ich ihnen auch bereitwillig, wie viele Leute in welchen Bäumen sitzen, auch wenn ich mir nicht denken kann warum die das wissen wollen. Wir kommen schließlich überein, dass sie mich in einem Kleinbus mitnehmen mich aber nicht an einem Internetcafé raus lassen können weil es sowas hier nicht gäbe. Aber vielleicht bring ich sie ja dazu, dass ich auf ihren PC's auf der Wache ein bisschen zocken kann.
Als die Kolonne wieder anläuft überlege ich warum ich die ganze Zeit so ein komisches Gefühl im Magen habe. Mein Handy ist es nicht, das ist ruhig und hat noch Akku, mein mp3-player ist es auch nicht der ist nicht ruhig und hat auch noch Strom. Nach dem zweiten Schluck Kaffee, kann ich das Gefühl endlich zuordnen. Es ist das Gefühl welches ich immer habe, wenn ich in der Nähe von größeren Mengen Material bin, mit dem man anderen Menschen gehörig schaden, oder gehörig Geld verdienen kann. Es ist dieses Böse zucken gepaart mit der Vorfreude, welches mich dann immer überfällt.
Nach einem weiter Schluck aus der Tasse zähle ich eins und eins zusammen und überlege ob ich aus der Tatsache, dass ich in einem Kleinbus sitze der die Castortransporter begleitet irgendwie Profit schlagen kann, oder mich vielleicht an zwei gewissen Brüsten rächen.
Wenige Minuten später formen die Polizisten einen Keil vor dem ersten Transporter und kurz darauf ist auch schon eine haarige Straßensperre aus Öko-Aktivisten zu sehen. Ich bleibe sitzen und trinke meinen Kaffee, mal abwarten. Wobei wozu abwarten, als der nette Beamte von vorhin aussteigt um seinen Kollegen vorne beizustehen ragt mir seine Dienstwaffe aufreizend entgegen. Solche Gelegenheiten soll man nicht ungenützt lassen, also greife ich zu. Er merkt nichts.
Ich verlasse den Kleinbus der inzwischen hinter dem letzten Transporter zum stehen gekommen ist. Da die gesamte Kolonne steht muss es vorne Probleme geben. Ich gehe durch den Wald an den Polizisten vorbei, um mir die Sachlage mal anzuschauen.
Tatsächlich haben sie es geschafft den Konvoi zum Stoppen zu zwingen und die Polizisten diskutieren nun wie der Knoten da gelöst werde kann.
Ich mische mich wieder unter die Demonstranten und suche die beiden Gründe warum ich überhaupt hier bin. Finden tu ich sie in der Mitte der Menge, neben ihr das blonde Öko.
„Na hier hinten? Los komm, ab nach Vorne, da ist wenigstens was los.“
Da ich mich nach vorne drängle können die beiden jetzt natürlich nicht da stehen bleiben.
Als wir an der vorderen Kannte der schreienden Menge angekommen sind, fällt meiner ehemaligen Begleitung auf, dass ich ja mit einer Kaffeetasse herum stehe.
„Wo kommt denn der Kaffee her“, fragt sie mich.
„Da wo auch die her kommt“ meine ich und drücke ihr die Dienstwaffe des Polizisten in die Hand sie schaut verdutzt und wedelt mit der Kanone in der Luft herum.
In dem Moment schreit einer der Wachmänner „Sie hat eine Waffe!“ in Sekunden schnelle bildet sich eine freie Fläche um sie. Alle bis auf mich sind zurückgewichen sogar der blonde Typ der zuvor noch mit so vielen Sprüchen zu beeindrucken wusste.
Ich nehme vorsichtshalber mal die Hände hoch da schon gefühlte zweitausend Pistolenmündungen auf uns weisen. Meine ehemalige Begleitung schaut verdattert in die Runde und richtet dabei die Waffe auf die Herren in grün.
Nun geht alles drunter und drüber die Polizisten schreien, sie soll die Waffe fallen lassen hinten fängt irgend ein Öko an zu weinen. Nur sie steht total überfordert in der Mitte und sagt und tut nichts. Irgendwie kann man ihre Gegenwart so wesentlich besser aushalten, als vorher.
Geistesgegenwärtig reagiere ich und mache mich zum Helden der Situation. Ich schütte ihr den Kaffee auf die beiden Gründe warum ich überhaupt hier bin. Sie zuckt zusammen. Normalerweise würde ich nie ein Frau schlagen, aber diese hier ist bewaffnet und bringt uns alle in Gefahr. Also ziehe ich ihr den Elbogen über die Schläfe, was sie in einen sanften Schlaf auf feuchtem Boden schickt. Sofort nimmt ein Polizist die Waffe an sich. Sie wird in in Handschellen in einen Kleinbus verbracht.
Später kann sich niemand erklären wie sie an die Dienstwaffe eines Polizisten gekommen ist. Und ihrer Aussage, dass ich ihr die Waffe gegeben hätte, schenkt auf Grund der enormen Mengen Marihuana in ihrem Tabakbeutel auch keiner Glauben. Die Mengen an Rauschgift kann sie sich auch nicht wirklich erklären. Die muss ihr wohl jemand untergeschoben haben. War wohl auch wieder ich, bemerke ich. Die Polizisten halten es für einen Scherz meinerseits. Na, wenn sie meinen. Später stellt sich raus das ihr blonder Freund ebenfalls große Mengen des Rauschgiftes bei sich trägt. Auch er kann es sich nicht erklären. Ich meinerseits bin der Meinung, dass mein Gewinn beim Verkauf von Atomstromblockern beim örtlichen Drogen Dealer gut angelegt war.
Während ich mich als Held des Tages feiern lasse und schließlich nach Hause fahre, teilen sich die Beiden eine Anklage wegen Drogenbesitz. Wobei wirklich leiden können sie sich nicht mehr. Nachdem sie ihm vorgeworfen hat ihr Drogen untergeschoben zu haben. Es gibt aber auch gemeine Menschen...
1 Kommentar:
Hi,
macht echt Spaß zu lesen! Aber mit den rosa Polohemden kann ich mich dir nur anschließen :-)
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